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Abmahnwesen bei Besitzstörungen – quota-litis-Verbot?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879

RAO: § 8, § 9

UWG: § 1

Der Begriff des „Rechtsfreunds“, der dem sog quota-litis-Verbot (§ 879 Abs 2 Z 2 ABGB) unterliegt, beschränkt sich nach neuerer Rsp ausschließlich auf Rechtsanwälte oder sonstige Personen, für die – den anwaltlichen Standespflichten vergleichbare – Standesregeln bestehen. Auch ein Prozessfinanzierer (hier: Betreiber eines Abmahnwesens bei Besitzstörungen, der sich als Prozessfinanzierer sieht), kann dem Verbot unterliegen, wenn dieser seinem Kunden Rechtsberatung erteilt oder versucht, Einfluss auf die Verfahrensführung durch den Anwalt zu nehmen.

Im vorliegenden Sicherungsverfahren bedarf die Beurteilung des RekursG keiner Korrektur: Mit Blick auf das Festgestellte Weisungsrecht der Erstantragsgegnerin (eine britische Limited) gegenüber ihren Partnerrechtsanwälten, deren Entbindung von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht ihr gegenüber durch die Kunden und der Möglichkeit der Erstantragsgegnerin, gegenüber den Rechtsanwälten (ohne jegliche inhaltliche Einschränkung und Rücksprache mit den Kunden) auch rechtsgeschäftliche Erklärungen als Vertreter der Kunden abgeben zu dürfen, hat das RekursG vertretbar abgeleitet, die Antragsgegner (und nicht ihre Kunden oder die Partnerrechtsanwälte) seien „Herr des Verfahrens“ (zur Durchsetzung der Besitzstörungsansprüche). Die Pflicht der Partnerrechtsanwälte, die Interessen ihrer Mandanten umfassend wahrzunehmen (vgl § 9 Abs 1 RAO) war damit deutlich eingeschränkt. Das korrespondiert sogar mit den Ausführungen im Revisionsrekurs, in dem davon die Rede ist, dass „die Antragsgegner de facto als Prozessführer (agieren) und … diese Prozessführung auch zulässig (ist)“.

Einer vorgelegten Urkunde, deren Echtheit und Richtigkeit nicht bestritten wurde und die daher der Entscheidung zugrundegelegt werden konnte, ist die öffentliche Äußerung des Drittantragsgegners (Geschäftsführer) zu entnehmen, dass „sich die Rechtsanwaltschaft … sohin warm anziehen“ könne bzw dessen Prophezeiung, dass „die geschützte Werkstatt des § 8 RAO (nicht) auf ewig vor Konkurrenz von Firmen und Dienstleistern wie unsere schützen“ werde. Diese Äußerung fügt sich in das Bild, dass die Rechtsdurchsetzung iZm Besitzstörungen ungeachtet des Einschaltens von Partnerrechtsanwälten in Händen der Antragsgegner liegt.

Aufgrund all dieser Umstände ist das RekursG jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass die Erstantragsgegnerin gegenüber ihren Kunden selbst inhaltliche Leistungen erbringt, die einem Rechtsanwalt vorbehalten sind. Dass deshalb das Verbot des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB auch auf die Erstantragsgegnerin anzuwenden ist und Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG wegen Verstoßes des Quota-litis-Verbots nach § 879 Abs 2 Z 2 ABGB zu bejahen ist, wirft somit keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf.

OGH 10. 9. 2024, 4 Ob 144/24s

Ausgangslage

Zu einer bereits erwirkten einstweilige Verfügung (Verbot des Versendens von Aufforderungsschreiben im Auftrag Dritter an (potenzielle) Besitzstörer, mit denen diese zur Abgabe von Unterlassungserklärungen und/oder zur Zahlung von Geldbeträgen aufgefordert und/oder Vergleichsangebote für das Absehen von einer Besitzstörungsklage unterbreitet werden) siehe bereits 4 Ob 5/24z, RdW 2024/293. Das dem zugrunde liegende Geschäftsmodell ist in dieser E näher beschrieben. Der Senat bejahte dort einen Verstoß gegen § 8 Abs 2 RAO

Die Erstantragsgegnerin (eine britische Limited) bietet nunmehr ein modifiziertes Geschäftsmodell an, das durch die automatisierte Einschaltung von sog „Partnerrechtsanwälten“ geprägt ist. Den (potentiellen) Kunden wird aber (nach wie vor) unter dem Schlagwort „Wir schützen Ihren Besitz!“ angeboten, dass die Erstantragstellerin ihnen bei Besitzstörungen durch Falschparker „schnell und unbürokratisch“ behilflich ist. Nach Meldung durch einen Kunden würden die Halterdaten des Störers ermittelt und die Partneranwälte sich mit ihm postalisch in Verbindung setzen. Wie beim Vorgängermodell würden die Kunden mit Zahlung des Störers bis zu 200 € erhalten; es würden keine Kosten für den Kunden anfallen, sodass dieser auch vom Risiko einer etwaigen Klagsführung wegen Besitzstörung (somit von allen Gerichts- und Anwaltskosten) befreit sei.

Dem ersten Begehren des vorliegenden Sicherungsantrags wurde bereits rk stattgegeben (kurz zusammengefasst: eV mit dem Verbot, mit der außergerichtlichen Abmahnung [potenzieller) Besitzstörer und/oder der gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung im Namen ihrer Kunden Rechtsanwälte zu mandatieren, die der Erstantragsgegnerin bei der Mandatserfüllung weisungsunterworfen sind).

Das zweite Begehren bezieht sich (zusammengefasst) auf das Verbot der Vereinbarung eines Erfolgs- und Vermittlungshonorar, das in einem Prozentsatz der von (potenziellen) Besitzstörern vereinnahmten Zahlungen besteht.

Weitere Begehren gegen Zweit- und Drittantragsgegner (betr Verbot der Förderung [bzw Veranlassung oder Ermöglichung] der angegriffenen Wettbewerbsverstöße der Erstantragsgegnerin) sind nicht mehr Gegenstand vor dem OGH.

Entscheidung

Der Rechtsansicht des RekursG, dass die konkrete Entgeltvereinbarung (50 % des [außergerichtlich] erstrittenen Betrags) das Verbot des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB auch inhaltlich verletzt (vgl etwa 4 Ob 14/18i, Zak 2018/519) hält das Rechtsmittel inhaltlich nichts Stichhaltiges entgegen. Die Antragsgegner beschränken sich hier nur auf den knappen Hinweis, dass es den Kunden wegen des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums frei stünde, wie sie mit den übrigen 50 % (also dem Anteil der Kunden) verfahren möchten. Damit wird auf die Argumente des RekursG nicht ansatzweise eingegangen.

Die Bejahung des Rechtsbruchs iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG wegen Verstoßes des Quota-litis-Verbots nach § 879 Abs 2 Z 2 ABGB und die damit verbundene Stattgabe des zweiten Begehrens werfen daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

Ob das zweite Begehren (zusätzlich) auch einen allfälligen Verstoß gegen § 47 Abs 1 Z 6 RL-BA 2015 gestützt werden kann, bedarf damit keiner Klärung, sodass die Zulässigkeit des Rechtsmittels (mangels Präjudizialität) insoweit zu verneinen ist.

Der Hinweis auf einen nach der erstinstanzlichen Entscheidung mittlerweile abgeschlossenen Vergleich zwischen der Antragstellerin und der Erstantragsgegnerin kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels schon wegen der Verletzung des Neuerungsverbots nicht begründen (zB 4 Ob 158/23y, Rz 83, Rechtsnews 35471; 2 Ob 105/23i, Rz 9 uvm).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35959 vom 11.10.2024