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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Die Verschmelzung zweier Gesellschaften führt gem § 235 Abs 5 ZPO – in jeder Lage des Verfahrens – zur Berichtigung der Parteibezeichnung“. Ein „Aufgehen“ der übertragenden Gesellschaft in nur einem (anderen) Rechtsträger (wie bei der Verschmelzung) zieht naturgemäß und im Regelfall allseits unbezweifelt den Übergang (auch) des Prozessrechtsverhältnisses auf die übernehmende Gesellschaft nach sich (als Folge der eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge). Insoweit sind materielles Recht und Verfahrensrecht miteinander verknüpft.
Bei der Abspaltung zur Aufnahme hingegen kommt es hinsichtlich der Verbindlichkeiten zur partiellen Gesamtrechtsnachfolge der aufnehmenden Gesellschaft und gleichzeitig zur (gleichrangigen) Nachhaftung der abspaltenden Gesellschaft. Dem Gläubiger wird durch § 15 SpaltG ermöglicht, entweder auf beide Gesamtschuldner, aber auch nur auf einen von ihnen nach seiner freien Wahl zu greifen.
Diese Wahlmöglichkeit muss konsequenterweise auf die Frage der Fortsetzung des Prozesses (mit der oder den von ihm gewählten Partei[en]) „durchschlagen“; dies gerade auch deshalb, weil der Haftungsfonds von den beteiligten Gesellschaften unterschiedlich bestückt werden kann. Auch Überlegungen zur möglichen Verjährung von Forderungen kommt Gewicht zu: Dieser Gefahr könnte der Gläubiger ausgesetzt sein, wenn die partielle Gesamtrechtsnachfolge trotz der Nachhaftung zwingend zur Umstellung des bereits geführten Schadenersatzprozesses immer nur auf die übernehmende Gesellschaft führte. Damit würde die Nachhaftung entwertet, wiewohl diese Bestimmung gerade dem Schutz der Gläubiger dienen soll.
Hat der Gläubiger somit nach der materiellen Gesetzeslage die Wahl, welche Gesellschaft(en) er wegen Schadenersatz in Anspruch nehmen will, zieht dies auch verfahrensrechtlich seine Wahlmöglichkeit nach sich: Er kann nach der Information über die Umgründungsvorgänge den Prozess gegen die weiterhin bestehende „alte“ Gesellschaft oder gegen diejenige, auf die Vermögen abgespalten wurde, oder gegen beide als Partei(en) fortsetzen.
Im vorliegenden Fall kam es in einem ersten Schritt zur Abspaltung eines Teilbetriebs („Bau“) von der Erstbekl auf eine weitere (bereits bestehende) Gesellschaft der Gruppe („Aufnahmegesellschaft“) und erst im nächsten Schritt zur Verschmelzung der Erstbekl auf die Zweitbekl. Offenbar in Unkenntnis der Umgründungsvorgänge nahm die Kl zunächst die Erstbekl wegen Schadenersatz in Anspruch (sowie eine Zweit- und Drittbekl für deren eigenes Handeln). In Kenntnis der Umgründungsvorgänge wählte sie hinsichtlich des Verfahrensstrangs betr die Erstbekl als Prozessgegner (nur) die abspaltende Erstbekl, in deren Rechtsstellung die Zweitbekl mit der Verschmelzung durch (universelle) Gesamtrechtsnachfolge eintrat, sodass insoweit die Umstellung der Parteibezeichnung auf die Zweitbekl in Bezug auf den die Erstbekl betreffenden Verfahrensstrang nicht fraglich ist.
Dass die Kl schon bei Klagseinbringung einen von der Umgründung unabhängigen Anspruch gegen die Zweitbekl behauptet hat, ändert daran nichts. Die Zweitbekl wird von der Kl mit der Umstellung aufgrund der universellen Gesamtrechtsnachfolge nach der Erstbekl (rückwirkend) auch für deren Handeln in der Vergangenheit in Anspruch genommen und nicht nur für ihr eigenes Handeln (bis zur Verschmelzung), sodass es einer Nichtigerklärung des Verfahrens in Bezug auf die gelöschte Erstbekl nicht bedarf.
Entscheidung
Die Nachhaftung – hier der Erstbekl als abspaltende Gesellschaft (die „übrige an der Spaltung beteiligte Gesellschaft“ iSd § 15 Abs 1 SpaltG) – dient va dem Gläubigerschutz (vgl Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung³ § 15 SpaltG Rz 5, 7 [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]; Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 9 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]). Gläubiger haben nämlich keine Möglichkeit, die Spaltung (von der sie häufig auch gar keine Kenntnis haben [vgl die einer Unkenntnis Rechnung tragenden Schutzbestimmungen nach § 14 Abs 4 und 5 SpaltG]) zu verhindern. Es können aber anlässlich der Spaltung Rechtsverhältnisse (Verträge, Verbindlichkeiten, Forderungen) der übertragenden Gesellschaft im Spaltungsplan privatautonom einer anderen Gesellschaft zugeordnet werden (Jennewein, Spaltung, in RDB Keywords² Rz 16 [Stand 28. 8. 2024, rdb.at]). Einer Zustimmung des Vertragspartners bedarf es nicht (6 Ob 140/20m [Rz 72], RdW 2021/429). Schon im Initiativantrag 352/A 18. GP 53 wurde eingeräumt, dass bei der Spaltung häufiger als bei der Verschmelzung eine Gläubigergefährdung denkbar sei.
Die Haftung jener Gesellschaften für bereits begründete Verbindlichkeiten, die ihnen nach dem Spaltungsplan nicht zugeordnet wurde, wird als eine primäre, unmittelbare, solidarische, akzessorische, zeitlich und betraglich beschränkte Haftung umschrieben (vgl nur Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung³ § 15 SpaltG Rz 7 ff [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]; Hahn in ecolex 2018, 46; zur gleichrangigen Nachhaftung der abspaltenden Gesellschaft schon 6 Ob 160/13t [ErwGr 3.4.], RdW 2014/298). Brix ortet dementsprechend eine durch diese Haftung als Gesamtschuldner herbeigeführte Verbindung der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften zu einer „Risiko- und Schicksalsgemeinschaft“ (Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 3 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]) und betont, es hafteten „dem Grunde nach alle beteiligten Gesellschaften den Gläubigern der übertragenden Gesellschaft in gleicher Weise“; die Haftung der „übrigen“ Gesellschaften sei im Außenverhältnis (zum Gläubiger) „keineswegs subsidiär“ (Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 10 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]).
Eine in der Lit angeführte unterschiedliche Bezeichnung der übernehmenden Gesellschaft als „Hauptschuldnerin“ (und der übrigen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften als „Mithafter“) kann im vorliegenden Verfahren, in dem es nicht um Vertragserfüllung, sondern um Schadenersatz geht (vgl Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 11 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]), keine Rolle spielen; vielmehr haften für Schadenersatzansprüche alle an der Spaltung beteiligten Gesellschaften als Gesamtschuldner (so schon ausdrücklich in § 15 Abs 1 SpaltG angeordnet; vgl auch Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 11 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]; so auch Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung³ § 15 SpaltG Rz 10 f [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]).
Die Haftung für bereits bestehende Verbindlichkeiten „spaltet“ sich damit anlässlich des Spaltungsvorgangs von einer zuvor nur gegen einen Rechtsträger bestandenen Verantwortlichkeit in eine direkte unbeschränkte Haftung der übernehmenden Gesellschaft und eine ebenso direkte und unmittelbar bestehende Nachhaftung (hier) der übertragenden Gesellschaft als an der Spaltung beteiligte Gesellschaft auf (ausgenommen es wäre eine Sicherstellung behauptet worden, was hier nicht der Fall war).
Gerade wenn es § 15 Abs 1 SpaltG dem Gläubiger gestattet, nach seinem Belieben entweder den „Hauptschuldner“ oder eine der übrigen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften (bis zur Höhe des diesen jeweils zugeordneten Nettoaktivvermögens) als „Mithafter“ in Anspruch zu nehmen, und der Gläubiger nicht gehalten ist, zunächst den „Hauptschuldner“ in Anspruch zu nehmen (Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 SpaltG Rz 12 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at]), ist das zwingende Ausscheiden der (offenkundig in Unkenntnis der Umgründungsvorgänge in Anspruch genommenen) übertragenden Gesellschaft aus dem Prozess nicht überzeugend.