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Analoge Anwendung der Regelungen von Einheitswertbescheiden für Grundsteuermessbescheide

Bearbeiter: Kilian Posch

BAO: § 101 Abs 3, § 186, § 191 Abs 1 lit a, § 191 Abs 3, § 194

GrStG 1955: § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Z 1, § 12, §§ 18 f

Abstract

Im vorliegenden Fall war für Zwecke der Grundsteuer der Einheitswert eines Gebäudes mehreren Personen zugerechnet worden. Daraufhin stellte sich insb die Frage, an wen der folgende Grundsteuermessbescheid iSd §§ 18 f GrStG iVm § 194 BAO zu ergehen hat, wem gegenüber dieser Wirkung entfaltet und ob dieser unter Anwendung der Fiktion gem § 101 Abs 3 BAO zugestellt werden kann. Da hierzu keine gesetzliche Normierung besteht, stellte das BFG eine planwidrige Gesetzeslücke fest und brachte die Regelungen für Einheitswertbescheide analog zur Anwendung.

BFG 3. 5. 2024, RV/7400087/2023

Sachverhalt

Im Juli 2023 stellte die belangte Behörde einen Grundsteuerbescheid an die Beschwerdeführerin (Bf) „und Miteigentümer“ aus. Die von der Festlegung der Grundsteuer betroffene Liegenschaft war laut Grundbuch im Eigentum der Bf und vier weiteren Miteigentümern, wobei es im Oktober 2021 zu zwei Übertragungen auf neue Miteigentümer kam. Der dem Grundsteuerbescheid zugrunde liegende Einheitswertbescheid wurde am 12. Dezember 2021 zum 1. Jänner 2018 erlassen und war an den seit Oktober 2021 nicht mehr im Grundbuch vertretenen Miteigentümer mit dem Zusatz „und Miteigentümer z.H. Hausverwaltungskanzlei“ gerichtet. Der Einheitswertbescheid nahm die Verteilung der Anteile so vor, wie sie dem Grundbuchstand von 2018 entsprach und enthielt den Hinweis, dass er Wirkung gegenüber allen genannten beteiligten Personen bzw Personengemeinschaften sowie gegen Rechtsnachfolger entfalte. Zudem enthielt er den gem § 101 Abs 3 BAO erforderlichen Hinweis, dass mit seiner Zustellung an eine gem § 81 BAO vertretungsbefugte Person die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen gelte. Gleichzeitig und in derselben Weise wurde auch der Grundsteuermessbescheid erlassen. Gegen den auf diesen Bescheiden beruhenden Grundsteuerbescheid erhoben die Bf sowie alle seit 2021 im Grundbuch eingetragenen Miteigentümer Beschwerde und beantragten dessen Aufhebung. Die Bescheide vom 12. Dezember 2021 seien den Bf nicht zugestellt worden und können daher keine Rechtswirkung entfalten.

Entscheidung des BFG

Das BFG hält zunächst fest, dass die Einheitswerte gem § 186 Abs 1 BAO für wirtschaftliche Einheiten festzustellen sind, soweit dies für die Geltendmachung von Abgabenansprüchen von Bedeutung ist. Nach § 12 GrStG ist die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer der für den Veranlagungszeitpunkt maßgebende Einheitswert des Steuergegenstandes. Zudem ist nach §§ 18 und 19 GrStG zwischen Feststellung des Einheitswerts und der Grundsteuer die vom Einheitswert abgeleitete Festsetzung des Steuermessbetrages erforderlich.

Gem § 186 Abs 1 BAO ist über den Einheitswert einheitlich – in einem einzigen Bescheid – zu bescheiden, wenn am Gegenstand der Feststellung mehrere Personen beteiligt sind. Der Bescheid ergeht nach § 101 Abs 1 lit a BAO bei Beteiligung am Gegenstand von mehreren Personen an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit als materielle Bescheidadressatin. Diese Personengemeinschaft erlangt rein abgabenverfahrensrechtlich und nur für die Zwecke des Feststellungsverfahrens Rechtsfähigkeit gem § 78 Abs 2 lit a BAO. Sie wird nach § 81 Abs 8 BAO nicht durch das Ausscheiden eines Mitglieds beendet und nach § 81 Abs 5 BAO beim Eintritt neuer Mitglieder auch nicht durch eine neue Personenvereinigung ersetzt. Im konkreten Fall bestand demnach durchgehend eine Personenvereinigung zwischen den Miteigentümern.

Ferner bestimmt § 191 Abs 3 Satz 1 BAO, dass Feststellungsbescheide gegen alle wirken, die am Gegenstand der Feststellung beteiligt sind. Dies setzt jedoch gem § 97 Abs 1 lit a BAO eine Zustellung des Feststellungsbescheides an diejenigen, für die er seinem Inhalt nach bestimmt ist, voraus. In Bezug auf Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit normiert § 101 Abs 3 BAO eine Zustellfiktion, der zufolge schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind, einer nach § 81 vertretungsbefugten Person oder abweichend von § 81 Abs 2 auch einem Zustellungsbevollmächtigten nach § 9 Abs 1 ZustG zugestellt werden können. Da die Hausverwaltungskanzlei, zu deren Händen die Bescheide ausgestellt wurden, eine Vollmacht von der Vertreterin der Personengemeinschaft gem § 81 Abs 2 BAO hatte, ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt. Die Zustellung erfordert allerdings auch, dass die Gesellschafter im Spruch des Feststellungsbescheides bezeichnet werden (vgl auch VwGH 30. 3. 2006, 2004/15/0048), wobei das Adressfeld ebenso zum Bescheidspruch gehört (VwGH 26. 2. 2013, 2010/15/0017). Da der Feststellungsbescheid den Einheitswert zum 1. Jänner 2018 festgestellt hat, war die Adressierung an den nunmehr ausgeschiedenen Miteigentümer, der im Jahr 2018 noch Teil der Personenvereinigung war, mit dem Zusatz „und Miteigentümer“, eine geeignete Bezeichnung der aus fünf Personen bestehenden Personengemeinschaft. Gem § 191 Abs 4 BAO wirkt der Feststellungsbescheid auch gegen den Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt übergegangen ist. Somit wirkt der Feststellungsbescheid auch gegenüber den neuen Miteigentümern.

Fraglich war jedoch, ob die obigen Ausführungen auch in Bezug auf den Steuermessbescheid gelten. Zwar enthält § 194 Abs 5 BAO die Bestimmung, dass der Bescheid auch gegenüber einem Rechtsnachfolger, auf den der Steuergegenstand nach dem Feststellungszeitpunkt übergegangen ist, Wirkung entfaltet, doch fehlen ansonsten die Regelungen, an wen im Falle der Zurechnung des Einheitswerts an mehrere Personen der Grundsteuermessbescheid zu ergehen hat, gegen wen er wirkt und ob er nach § 101 Abs 3 BAO zugestellt werden kann. Das BFG hat hierzu entschieden, dass eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, die durch analoge Anwendung der oben ausgeführten Regelungen zum Einheitswertbescheid zu füllen ist. Demnach ist auch der Steuermessbescheid gegenüber den aktuellen Gesellschaftern wirksam.

In Bezug auf den Grundsteuerbescheid erkannte das BFG jedoch, dass die Miteigentümer des Steuergegenstandes zwar gem § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 GrStG Gesamtschuldner sind, sich daraus aber noch keine Personenvereinigung ohne Rechtspersönlichkeit ergibt, wie das auf der Ebene der Feststellungsbescheide der Fall ist. Nach § 199 BAO ist gegenüber allen Gesamtschuldnern ein einheitlicher Bescheid zu erlassen, wobei gem § 93 Abs 2 BAO im Spruch die Personen genannt werden müssen, an die der Bescheid ergeht. Da es sich hier um keine Personenvereinigung handelt und nur die Bf als materielle Adressatin genannt ist, kann es sich beim Grundsteuerbescheid um keinen einheitlichen Bescheid handeln. Dieser hat deshalb nur gegenüber der Bf Wirkung erlangt. Die Beschwerden der vier weiteren Miteigentümer wurden daher in separaten Spruchpunkten mangels Beschwerdelegitimation zurückgewiesen, weil der Bescheid gar nicht an sie ergangen ist.

Für die Bf ließ das BFG jedoch die Revision zu, da noch keine hg Rsp zur Schließung der erläuterten Gesetzeslücken in Bezug auf Steuermessbescheide vorliegt.

Conclusio

Die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieses Erkenntnisses liegt in der analogen Anwendung der Vorschriften des Einheitswertbescheides für Steuermessbescheide. Diese Analogie wird in der Entscheidung zwar nicht ausführlich begründet, erscheint jedoch zweckmäßig. Ebenso wie der Einheitswertbescheid ist ein Steuermessbescheid ein Grundlagenbescheid für Abgabenbescheide (vgl VwGH 28. 4. 2005, 2004/16/0229). Sie sind den abgeleiteten Bescheiden auch vor ihrer formellen Rechtskraft zugrunde zu legen (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 194 Rz 1). Der Grundsteuermessbetrag iSd § 18 GrStG wird durch Anwendung der Steuermesszahl iSd § 19 GrStG auf den Einheitswert ermittelt und steht damit auch materiell unmittelbar im Zusammenhang mit dem Einheitswert. Aus diesen Gründen erscheint es plausibel, die Regelungen zu den Einheitswertbescheiden auch für Steuermessbescheide zu übernehmen. Dies könnte auch für die landesrechtlich geregelten Landeskammerumlagen, für Beiträge zur Unfallversicherung gem § 30 Abs 3 BSVG und für den Beitrag von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben iSd § 44 FLAG Folgen haben, da auch in diesen Rechtsnormen der Grundsteuermessbetrag herangezogen wird (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 194, Rz 10).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35645 vom 10.07.2024