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Der OGH hat bereits wiederholt zur Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG Stellung genommen. Demnach bedarf (auch) der Abschluss eines Vorvertrags, der den künftigen Abschluss eines GmbH-Gesellschaftsvertrags zum Gegenstand hat, oder die Vereinbarung über die künftige Abtretung von Gesellschaftsanteilen einer GmbH der Notariatsaktsform. Von der Formpflicht sind sowohl Verpflichtungsgeschäft als auch Verfügungsgeschäft erfasst.
Aus der E 6 Ob 57/19d (= Rechtsnews 27474 = RdW 2019/535) kann nicht abgeleitet werden, dass ein Anbot zum Erwerb eines GmbH-Geschäftsanteils nicht notariatsaktspflichtig sei. Ein Entfall der Notwendigkeit eines eigenen Angebots mittels Notariatsakts wäre nur für den Fall zu erwägen, dass sich die Voraussetzungen für das Aufgriffsrecht in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit bereits unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben.
Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr sieht der Gesellschaftsvertrag lediglich vor, dass ein Gesellschafter, wenn er „beabsichtigt“, seinen Geschäftsanteil an andere Personen abzutreten, seinen Anteil vorher allen übrigen Gesellschaftern zum Erwerb anzubieten hat, wobei dieses Abtretungsangebot vier Wochen bindet. Damit liegt eine der sogenannten „Vorhand“ ähnelnde Ausgestaltung vor, weil der veräußerungswillige Gesellschafter lediglich zu einem vorrangigen Angebot an die übrigen Gesellschafter verpflichtet ist.
Damit wird die Anbotsverpflichtung erst durch die Verkaufsabsicht des Gesellschafters ausgelöst (zu einer vergleichbaren „zweistufigen“ Konstruktion für den Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters vgl 6 Ob 63/20p, Rechtsnews 30165). Nach dem völlig eindeutigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrags löst diese Absicht die Pflicht zur Stellung eines Abtretungsangebots aus. Damit ermöglicht der vorliegende Gesellschaftsvertrag gerade kein unmittelbares Aufgriffsrecht in dem Sinne, dass ein Gesellschafter durch einseitige Erklärung einen Geschäftsanteil erwerben könnte. Vielmehr wird die „Aufgriffsmöglichkeit“ erst durch ein entsprechendes Abtretungsanbot verwirklicht.
OGH 25. 11. 2020, 6 Ob 198/20s
Entscheidung
In Deutschland wird die Auffassung vertreten, dass das Angebot ohne Einhaltung der Form erfolgen könne, wenn den Gesellschafter die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung trifft, seinen Geschäftsanteil einem anderen Gesellschafter anzubieten (vgl Rauter in Straube/Ratker/Rauter, WK-GmbHG § 76 Rz 144/1, unter Berufung auf Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG9 § 15 Rz 112; BGH II ZR 69/01).
Diese Auffassung lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres auf das österreichische Recht übertragen: Abgesehen davon, dass diese Auffassung auch nur für den Fall vertreten wird, dass ein notarieller Gesellschaftsvertrag vorliegt, lässt die herrschende Auffassung in Deutschland für diesen Fall die nachfolgende konkrete Anteilsübertragung als solche überhaupt ohne Einhaltung einer besonderen Form zu, solange diese nur von der Aufgriffsregelung in der Satzung voll inhaltlich gedeckt ist, verlangt also keine notarielle Form für die rechtsgeschäftliche Erklärung des Aufgriffsberechtigten (vgl Reichert/Weller in MünchKomm GmbHG3 [2018] § 15 Rz 102 und – zum Vorkaufs- bzw Optionsrecht – Rz 95, jeweils mwN).
Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass gerade unter dem Aspekt der Rechtssicherheit, deren Gewährleistung § 76 Abs 2 GmbHG dient, ein außergerichtliches Abtretungsanbot einem Notariatsakt nicht gleichwertig ist. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass nach herrschender Auffassung ein gesellschaftsvertraglich angeordneter ipso-iure-Übergang eines Geschäftsanteils unzulässig ist (6 Ob 150/08i, Rechtsnews 5976 = RdW 2008/724; Rauter aaO § 76 Rz 130 mwN).
Da im vorliegenden Fall somit der Gesellschaftsvertrag gerade nicht eine ausdrückliche Anbotserklärung ersetzen kann, sondern diese ganz im Gegenteil explizit verlangt, stellt sich auch die Frage nicht, ob der Gesellschaftsvertrag in Form eines Notariatsakts errichtet wurde.