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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Mit dem KaWeRÄG 2017 wurde zusätzlich zu den Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG mit § 9 Abs 4 KartG eine Transaktionswertschwelle eingeführt. Danach bedürfen Zusammenschlüsse, auf die § 9 Abs 1 KartG nicht anwendbar ist, auch der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss Umsatzerlöse von weltweit insg mehr als 300 Mio € und im Inland insg mehr als 15 Mio € erzielten (§ 9 Abs 4 Z 1 und 2 KartG), der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 200 Mio € beträgt (§ 9 Abs 4 Z 3 KartG) und das zu erwerbende Unternehmen „in erheblichem Umfang im Inland tätig“ ist (§ 9 Abs 4 Z 4 KartG). Ungeachtet des Schwerpunkts nach den Gesetzesmateralien (digitaler Wirtschaftsbereich – ErläutRV 1522 BlgNR 25. GP 3) ist der neue Tatbestand aber sektorunabhängig auf alle Wirtschaftsbereiche anwendbar.
Maßgeblich ist die aktuelle Tätigkeit im Zeitpunkt der (geplanten) Durchführung des Zusammenschlusses; nicht relevant sind hingegen mögliche oder geplante Tätigkeiten nach diesem Zeitpunkt, die Erwirkung einer Zulassung eines Produkts oder die Registrierung eines Patents oder die Anzahl oder das Entwicklungsstadium von (in Entwicklung befindlichen) „Pipeline-Produkten“.
Relevant sind nur Tätigkeiten, die sich auf die Marktstruktur auswirken können. Die Inlandstätigkeit ist daher anhand einer marktbezogenen Tätigkeit zu messen. Diese Tätigkeiten eines Unternehmens sind nach dem Willen des Gesetzgebers (nicht nur im digitalen Bereich) dem Ort zuzurechnen, an dem sich der Kunde befindet (ErläutRV 1522 BlgNR 25. GP 4); die Tätigkeit muss also inländischen Kunden zugeordnet werden können. Das in den Gesetzesmaterialien genannte Beispiel eines „Standorts“ im Inland, der zur Annahme einer erheblichen Inlandstätigkeit führen soll (ErläutRV 1522 BlgNR 25. GP 3), meint somit nicht jeden Standort, an dem sich Vermögen oder Betriebsmittel eines Unternehmens befinden, sondern eine Betriebsstätte, an der eine wirtschaftliche Tätigkeit gegenüber inländischen Kunden entfaltet wird. Ohne einen derartigen Standort sind nach den Gesetzesmaterialien die „anerkannten Maßzahlen der jeweiligen Branche“ maßgeblich (ErläutRV 1522 BlgNR 25. GP 3), die (nur) für in der Digitalbranche tätige Unternehmen beispielhaft aufgezählt werden (Nutzerzahlen oder Zugriffshäufigkeit einer Website). Die Mat verwenden in diesem Zusammenhang den Begriff „Branche“ und nicht „Markt“, sodass nicht auf einen Markt iSd § 21 KartG abzustellen ist. Dem Umstand, dass das Zielunternehmen einen bestimmten Marktanteil am relevanten Markt in Österreich hat, kommt bei der Frage der Inlandstätigkeit somit keine entscheidende Bedeutung zu.
Als relevante Maßzahlen der Branche kommen alle Indikatoren in Betracht, die eine Zuordnung einer Tätigkeit zu Kunden im Inland ermöglichen, etwa die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber oder der Vertrieb von Waren an Kunden in Österreich. Ob diese Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen, ist nicht von Bedeutung, weil mit der Transaktionswertschwelle gerade solche Fälle erfasst werden sollten, in denen das Zielunternehmen nur geringe Umsätze erwirtschaftet (die die Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG nicht erreichen). Die Umsatzerlöse des Zielunternehmens im Inland können zwar als Maßzahl herangezogen werden, sind aber allein nicht ausschlaggebend, wenn und weil der hinreichende Bezug zum inländischen Markt durch andere Maßzahlen hergestellt wird. Aus diesem Grund setzt die Inlandstätigkeit auch keine bestehende Kundenbeziehung voraus, sondern kann sich, etwa in Form von Werbung, auch an bloß potenzielle inländische Abnehmer richten. Bei bloßer Werbung im Inland kann allerdings die Erheblichkeitsschwelle fraglich sein.
Das Gesetz stellt (nur) auf den Umfang der Tätigkeit des Zielunternehmens im Inland an sich ab, nicht aber auf den Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss, die den inländischen Aktivitäten des Zielunternehmens zuordenbar ist. Das Verhältnis der Tätigkeit des Zielunternehmens im Inland im Vergleich zur Tätigkeit in anderen Ländern ist daher unerheblich.
OGH als KOG 26. 3. 2025, 16 Ok 2/25t
Entscheidung
Im Rekursverfahren ist nicht strittig, dass die Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG (wegen der inländischen Umsatzerlöse der Zielgesellschaft von weniger als 1 Mio EUR nach § 9 Abs 1 Z 2 KartG) nicht erfüllt sind. Zu klären ist ausschließlich die Frage, ob das zu erwerbende (Ziel-)Unternehmen (Zweitantragsgegnerin) auch iSd § 9 Abs 4 Z 4 KartG in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
Der Zeitpunkt der (geplanten) Durchführung des Zusammenschlusses ist nach der Anmeldung unstrittig mit „vor dem Ende des Kalenderjahres 2024“ anzusetzen. Das Vorliegen der Voraussetzung der Inlandstätigkeit im erheblichen Umfang ist daher nur im Hinblick auf das Ende des Kalenderjahres 2024 zu beurteilen, wohingegen mögliche oder sogar geplante zukünftige Tätigkeiten (in Folgejahren) nicht zu berücksichtigen sind. Den behaupteten, nach diesem Zeitpunkt zu erwartenden Umsatzerlösen kommt daher keine Bedeutung zu, sodass es dazu auch keiner Feststellungen bedarf.
Da die Zielgesellschaft im Zeitpunkt des Vollzugs des Zusammenschlusses Beziehungen zu inländischen Kunden hatte, weil sie ihr Produkt in Österreich an einen inländischen Abnehmer verkaufte, war sie im maßgeblichen Zeitraum im Inland tätig. Aus der Zulassung des von ihr vermarkteten Produkts, der Registrierung eines Patents oder der (bloßen) Marktreife eines noch im Entwicklungsstadium befindlichen Produkts („Pipeline-Produkt“) ist hingegen keine Inlandstätigkeit abzuleiten. Andere (zulässige) Maßzahlen, an denen eine (aktuelle) Inlandstätigkeit festgemacht werden könnte, werden in den Rechtsmitteln nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Ob auch Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten im Inland eine Zuordnung zu (potentiellen) inländischen Kunden ermöglichen und daher einen ausreichenden Inlandsbezug herstellen könnten, bedarf hier keiner weiteren Untersuchung.
Die Zielgesellschaft war im maßgeblichen Zeitraum nicht iSd § 9 Abs 4 Z 4 KartG im erheblichen Umfang im Inland tätig. Sie hatte keinen Standort im Inland (auch nicht einen solchen, an dem wirtschaftliche Tätigkeiten gegenüber inländischen Kunden entfaltet worden wären) und ihre Geschäftstätigkeit bestand in den Kalenderjahren 2023 und 2024 darin, dass sie ihr Produkt insg acht Mal an einen (einzigen) Abnehmer verkaufte. Weder deutet der dadurch generierte Umsatz im Kalenderjahr 2024 auf einen im Hinblick auf die österreichische Marktstruktur ins Gewicht fallenden Umfang ihrer Tätigkeit hin, noch ist ein solcher Umfang aus der (äußerst geringen) Anzahl der Kunden bzw der Geschäftsabschlüsse abzuleiten.
Dem Umstand, dass die Erstantragsgegnerin bereit gewesen sei, einen hohen Kaufpreis für den Zusammenschluss mit der – nur geringe Umsätze erzielenden – Zweitantragsgegnerin zu zahlen, kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Dass der Wert der Gegenleistung die in § 9 Abs 4 Z 3 KartG normierte Höhe erreicht, ist unstrittig, lässt aber keine Rückschlüsse auf das Vorliegen der – gesondert zu prüfenden – erheblichen Inlandstätigkeit der Zweitantragsgegnerin nach § 9 Abs 4 Z 4 KartG zu.
Mangels einer erheblichen Inlandstätigkeit der Zweitantragsgegnerin im maßgeblichen Zeitraum, war der Zusammenschluss nicht nach § 9 Abs 4 KartG anmeldebedürftig. Das ErstG hat die Prüfungsanträge somit zutreffend gem § 12 Abs 1 Z 1 KartG zurückgewiesen.