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Ansässigkeit bei einem befristeten Dienst- und Ausbildungsverhältnis in Deutschland

Bearbeiter: Jürgen Romstorfer

DBA Deutschland: Art 4 Abs 1 iVm Abs 2 lit b

Abstract

Das BFG hatte sich mit der Bestimmung der Ansässigkeit nach dem DBA Deutschland bei einem vorübergehenden Umzug in Folge der Aufnahme eines befristeten Ausbildungsverhältnisses auseinanderzusetzen. Dabei kam es unter Heranziehung der höchstgerichtlichen Judikatur zum Ergebnis, dass den persönlichen Beziehungen ein größeres Gewicht beizumessen ist und dass die Ansässigkeit in Österreich verblieb.

BFG 21. 9. 2023, RV/4100757/2019

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) war bis einschließlich Mai 2017 bei einer österreichischen Dienstgeberin tätig und hatte eine Wohnung in Österreich. Am 1. 6. 2017 trat er in ein befristetes Arbeits- und Ausbildungsverhältnis in Deutschland ein, gab seine österreichische Wohnung auf und mietete eine Wohnung in Deutschland. Den Hauptwohnsitz verlegte der Bf beim Wegzug nicht nach Deutschland, sondern in das Haus seiner Eltern in Österreich, zu dem der Bf jederzeit Zugang hatte und wo er sich gelegentlich auch aufhielt. Der Bf hatte bis 2018 eine Partnerschaft mit einer in Österreich ansässigen Person. Zum Haus der Eltern des Bf wurde seine die Post zugestellt. Daneben bezahlte er auch seinen Kirchenbeitrag in Österreich. Sein Kfz hat der Bf im Zeitpunkt des Wegzugs in Österreich abgemeldet und in Deutschland angemeldet. In Deutschland wurde darüber hinaus eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio abgeschlossen. Ein Bankkonto bestand sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Nach Abschluss seiner Ausbildung im Jahr 2021 verlegte der Bf seinen Wohnsitz wieder nach Österreich.

Im Einkommensteuerbescheid 2017 ging das Finanzamt (FA) von einer Ansässigkeit in Österreich während des ganzen Jahres 2017 aus und befreite die in Deutschland besteuerten Einkünfte gem Art 15 iVm Art 23 DBA Deutschland von der Einkommensteuer. Die Bezüge aus Deutschland zog das FA zum Progressionsvorbehalt heran. Gegen den Bescheid des FA erhob der Bf Beschwerde, in der er ausführte, dass er durch den Umzug in Deutschland ansässig wurde und somit nur bis Ende Mai 2017 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war. Nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung stellte der Bf einen Vorlageantrag.

Entscheidung des BFG

Unbeschränkt steuerpflichtig sind gem § 1 Abs 2 EStG 1988 natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Einen Wohnsitz gem § 26 BAO hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter den Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Räumlichkeiten sind dann als Wohnung geeignet, wenn sie eine Möglichkeit zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung von persönlichen Gegenständen haben (mit Verweis auf BFG 24. 4. 2015, RV/2100743/2014). Unwesentlich ist, ob die Wohnung tatsächlich genutzt wird. Die reine Möglichkeit der Nutzung reicht bereits aus (mit Verweis auf VwGH 5. 3. 2020, Ra 2019/15/0145). Durch die ständige Möglichkeit der Nutzung der österreichischen sowie auch der deutschen Wohnung verfügte der Bf über zwei Wohnsitze, weshalb Art 4 Abs 2 lit a DBA Deutschland zur Anwendung kam, mit dem die Ansässigkeit durch Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen festgelegt wird.

Das BFG nahm zuerst eine Prüfung der persönlichen Beziehungen vor. Eine engere persönliche Beziehung lag nach Ansicht des BFG zu Österreich vor. Dies begründet es vor allem mit der Ansässigkeit der Eltern in Österreich, bei denen sich der Bf immer wieder aufhielt, und mit der damalig in Österreich lebenden Partnerin. In Deutschland bestand zwar ein Freundeskreis, jedoch kommt den Eltern und der Partnerin des Bf eine wichtigere Rolle zu. Auch der Umstand, dass in Österreich noch Kirchensteuer bezahlt wurde, ein Bankkonto bestand und der Hauptwohnsitz gemeldet war, sprechen für eine engere Beziehung zu Österreich. Abweichend von der persönlichen Beziehung bestand eine engere wirtschaftliche Beziehung zu Deutschland. Diese resultiert aus dem Anstellungsverhältnis in Deutschland, aus dem der Bf seine Einkünfte bezog. Die Tatsache, dass nach Abschluss der Ausbildung im Jahr 2021 eine Rückkehr nach Österreich erfolgte, ändert daran nichts. Da nach der Rsp des VwGH im Zweifelsfall die engeren persönlichen Beziehungen ausschlaggebend sind, lag der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf auch nach dem Wegzug weiterhin in Österreich. Seine Einkünfte unterlagen in Österreich damit der unbeschränkten Steuerpflicht. Die gem Art 15 DBA Deutschland in Deutschland besteuerten Einkünfte waren gem Art 23 DBA Deutschland in Österreich freizustellen.

Conclusio

Weist eine Person nähere persönliche Beziehungen zu einem Staat und nähere wirtschaftliche Beziehungen zu einem anderen Staat auf, so ist nach der stRsp des VwGH den persönlichen Beziehungen der Vorrang zu geben (VwGH 19. 3. 2002, 98/14/0026; 15. 9. 2016, Ra 2016/15/0057). Für die Beurteilung der engeren persönlichen Beziehung ist ua auf den Wohnort des/der Partner*in, den Wohnort der Eltern, den Wohnsitz, die Mitgliedschaft in Vereinen oder auch auf die Zulassung des Pkw abzustellen (vgl Tumpel/Luketina in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 [2019] Art 4 Rz 41 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist – insofern möglich – grds auf einen längeren Zeitraum als ein Jahr abzustellen (VwGH 15. 9. 2016, Ra 2016/15/0057). Das BFG hat hier aber wohl auf keinen längeren Zeitraum abgestellt. So hat es bspw die Partnerschaft, die nur bis 2018 bestand, als sehr relevant angesehen. Auf den in Deutschland bestehenden Freundeskreis ist das BFG nicht näher eingegangen, was wünschenswert gewesen wäre. Im Ergebnis überzeugen die Ausführungen zur engeren persönlichen Beziehung jedoch. Eine Doppelbesteuerung droht im vorliegenden Fall aber dennoch, weil der deutsche BFH nicht vorrangig auf die engere persönliche Beziehung abstellt, sondern alle erheblichen Aspekte einer zusammenfassenden Wertung unterzieht, um festzustellen, welcher der beiden Orte für den Steuerpflichtigen der bedeutungsvollere ist (BFH 31. 10. 1990, I R 24/89). Dabei ist jedoch festzuhalten, dass die persönlichen Beziehungen wohl überwiegen, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen zu einem Staat nur gegenwartsbezogen sind und sich voraussichtlich abbauen werden (BFG 31. 10. 1990, I R 24/89), weshalb der Mittelpunkt der Lebensinteressen möglicherweise auch aus deutscher Sicht in Österreich lag.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35208 vom 21.03.2024