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EStG 1988: § 20 Abs 1 Z 8 idF BGBl I 2014/13
Gemäß § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 ist der Aufwand für sonstige Bezüge nach § 67 Abs 6 EStG 1988 (ua freiwillige Abfertigungen) nur insoweit abzugsfähig, als die sonstigen Bezüge beim Empfänger dem begünstigten Steuersatz iHv 6 % unterliegen. Soweit die sonstigen Bezüge nicht dem begünstigten Steuersatz von 6 % unterliegen („Golden Handshakes“) greift somit das Abzugsverbot. Dies stellt jedoch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. Das Abzugsverbot bedingt nämlich, dass die wesentlich ungleichen Sachverhalte einer individuell vereinbarten Abfertigung im Zuge einer Arbeitgeberkündigung einerseits und einer Sozialplanabfertigung im Zuge einer Betriebsänderung andererseits ohne sachlichen Grund gleich behandelt werden. Beabsichtigte Lenkungseffekte – wie Kündigungen älterer Arbeitnehmer hintanzuhalten oder Vereinbarungen hoher individualvereinbarter Abfertigungen entgegenzuwirken – rechtfertigen das Abzugsverbot für Sozialplanabfertigungen nicht.
§ 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 idF BGBl I 2014/13 wird daher als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. 12. 2022 in Kraft.
-> zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens siehe VfGH 24. 6. 2021, E 3068/2020, ARD 6760/16/2021
Sachverhalt und Vorverfahren
Die beschwerdeführende Partei hat in den Jahren 2015 bis 2017 im Rahmen von mit dem BR abgeschlossenen Sozialplanvereinbarungen an die von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter Einmalzahlungen anlässlich der Auflösung des jeweiligen Dienstverhältnisses ausbezahlt. Diese Zahlungen wurden von der beschwerdeführenden Partei als Betriebsausgabe erfasst.
Nach Durchführung einer Außenprüfung wurde der beschwerdeführenden Partei der Betriebsausgabenabzug für die Sozialplanzahlungen gem § 12 Abs 1 Z 8 KStG 1988 iVm § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 versagt, weil die Sozialplanzahlungen gem § 67 Abs 6 EStG 1988 nicht dem Steuersatz von 6 % unterliegen würden. Die Abgabenbehörde nahm in den betroffenen Jahren Gewinnerhöhungen vor. Die gegen die Bescheide erhobene Beschwerde wurde vom BFG als unbegründet abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung erhob die beschwerdeführende Partei die zur Zahl E 3068/2020 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde.
Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988, BGBl 1988/400, idF BGBl I 2014/13 entstanden. Der VfGH hat daher am 24. 6. 2021 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, vgl ARD 6760/16/2021. In der Sache kam der VfGH nunmehr zu folgenden Erwägungen:
Einführung durch AbgÄG 2014
§ 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 bestimmt, dass Aufwendungen oder Ausgaben für Entgelte, die beim Empfänger sonstige Bezüge nach § 67 Abs 6 EStG 1988 darstellen, nicht bei den einzelnen Einkünften abgezogen werden dürfen, soweit sie bei diesem nicht mit dem Steuersatz von 6 % zu versteuern sind. Damit enthält § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 ein Abzugsverbot für vom Arbeitgeber gewährte freiwillige Abfertigungen an Arbeitnehmer, soweit diese das für den Arbeitnehmer in § 67 Abs 6 EStG 1988 festgelegte begünstigte Ausmaß übersteigen.
Das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 wurde mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I 2014/13 eingeführt. Diese Regelung steht einerseits im systematischen Zusammenhang mit der ebenfalls mit dem AbgÄG 2014 eingeführten Bestimmung des § 20 Abs 1 Z 7 EStG 1988, die ein Abzugsverbot für den Betrag von € 500.000,– übersteigenden Aufwendungen für das Entgelt von Arbeits- und Werkleistungen (Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Manager-Gehältern) vorsieht. Andererseits korrespondiert das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 mit der ebenfalls durch das AbgÄG 2014 in § 67 Abs 6 EStG 1988 erfolgten Einschränkung der begünstigten Besteuerung freiwilliger Abfertigungen. Ausweislich der Erläuterungen sollen durch die Regelungen der § 20 Abs 1 Z 7 und Z 8 EStG 1988 Lenkungseffekte bewirkt werden, mit dem Ziel, Gerechtigkeits- und Solidaritätseffekte im Steuerrecht zu stärken (vgl RV 24 BlgNR 25. GP, 8).
Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips
Mit diesen Abzugsverboten weicht der Gesetzgeber vom System des objektiven Nettoprinzips ab, nach dem das Konzept einer Steuer, die den periodisch erzielten Zuwachs an persönlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, ausgedrückt im Wesentlichen durch das am Markt erzielte (Rein-)Einkommen, erfassen soll, grundsätzlich gebietet, die zur Erzielung des Einkommens getätigten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.
Dieses – der einfachgesetzlichen Ausgestaltung im Ertragsteuerrecht zugrunde liegende – Prinzip gilt allerdings nicht absolut. Der Gesetzgeber darf dieses durchbrechen; ein solches Abgehen vom objektiven Nettoprinzip hält aber nur dann vor dem Gleichheitssatz stand, wenn es sachlich gerechtfertigt ist.
Eine sachliche Rechtfertigung für ein Abgehen vom objektiven Nettoprinzip liegt ua dann vor, wenn der Gesetzgeber mit dem Abzugsverbot andere als fiskalische Zwecke verfolgt, indem er Anreize für eine Verhaltenslenkung der Steuerpflichtigen setzt (zum Einsatz steuerlicher Vorschriften als Instrument der Verhaltenslenkung vgl Ruppe, Verfassungsrechtliche Schranken der Gesetzgebung im Steuerrecht, in: Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Rechtsstaat – Liberalisierung und Strukturreform, 1998, 119 [126]).
Solche Regelungen liegen grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Der VfGH kann dem Gesetzgeber nur dann entgegentreten, wenn er bei der Bestimmung der einzusetzenden Mittel die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Schranken überschreitet. Das ist insb dann der Fall, wenn der Gesetzgeber das sich aus dem Gleichheitssatz ergebende Sachlichkeitsgebot verletzt, wenn er also beispielsweise zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsieht oder wenn die vorgesehenen, an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen.
Abschaffung Golden Handshakes
Der Gesetzgeber sieht mit dem Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 für freiwillige Abfertigungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses auf Ebene des Arbeitgebers ein teilweises Abzugsverbot vor.
Der Gesetzgeber knüpft dabei das Abzugsverbot für freiwillige Abfertigungen nicht an das Übersteigen eines bestimmten absoluten Betrages, sondern an die Regelung des § 67 Abs 6 EStG 1988 und damit an die steuerliche Behandlung der freiwilligen Abfertigung auf Ebene des Arbeitnehmers. Dem Abzugsverbot unterliegt dabei der das begünstigte Ausmaß des § 67 Abs 6 EStG 1988 übersteigende Teil der Abfertigung.
Damit zielt der Gesetzgeber auf eine Kostenbelastung jenes Teils der freiwilligen Abfertigung, der im Fall einer Dienstgeberkündigung das vom Gesetzgeber im Rahmen des § 67 Abs 6 EStG 1988 als Versorgungs- und Überbrückungsleistung festgelegte begünstigte Ausmaß übersteigt. Diese Kosten können je nach wirtschaftlicher Lage des Unternehmens und den Gesamtumständen der Vereinbarung einer den Betrag des § 67 Abs 6 EStG 1988 übersteigenden freiwilligen Abfertigung entgegenwirken.
Damit sind aber die in § 67 Abs 6 und korrespondierend in § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 vorgesehenen Einschränkungen auch im Grundsatz geeignet, das für freiwillige Abfertigungen mit der Regelung verfolgte Ziel, die Begünstigung von „Golden Handshakes“ abzuschaffen, um va ältere Arbeitnehmer länger in Beschäftigung zu halten (vgl RV 24 BlgNR 25.GP, 8), zu erreichen.
Sozialplanabfertigungen – keine Rechtfertigung durch Lenkungszwecke
Die Bundesregierung vermeint, dass ein Abzugsverbot für Sozialplanzahlungen sachlich gerechtfertigten Lenkungszwecken diene und das Abzugsverbot für Abfertigungen, die im Rahmen eines Sozialplanes vereinbart werden, geeignet wäre, Personalfreisetzungen einer größeren Zahl von Mitarbeitern und insb auch älterer Arbeitnehmer hintanzuhalten.
Die Bundesregierung verkennt aber mit ihrer Behauptung, dass ein Abzugsverbot geeignet wäre, der Vereinbarung von Abfertigungen im Rahmen einer Sozialplanvereinbarung entgegenzuwirken, die besondere Funktion und Zwecksetzung von Sozialplänen.
Sozialpläne können nur in den Fällen einer Betriebsänderung iSd § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG rechtswirksam abgeschlossen werden und setzen neben einer Mindestbetriebsgröße die Betroffenheit aller oder zumindest erheblicher Teile der Arbeitnehmerschaft und wesentliche Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer voraus. Ein Sozialplan kann daher nicht in allen denkbaren Formen einer Reorganisation oder Umstrukturierung eines Betriebes abgeschlossen werden, sondern ist an das Vorliegen der in § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 leg cit aufgezählten Fälle streng gebunden. Als Betriebsänderung gelten danach nur massive Änderungen wie die Einschränkung oder Stillegung des ganzen Betriebes oder von Betriebsteilen (§ 109 Abs 1 Z 1 ArbVG), die Verlegung des ganzen Betriebes oder von Betriebsteilen (Z 2 leg cit) oder auch die Einführung von Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung (Z 6 leg cit). Dabei ist jeweils vorausgesetzt, dass zumindest ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer, worunter die Praxis jedenfalls mehr als ein Drittel der Belegschaft versteht, von einer solchen Betriebsänderung betroffen ist und die Betriebsänderung für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft wesentliche Nachteile mit sich bringt.
Sozialpläne werden somit vom Gesetzgeber für taxativ aufgezählte betriebliche Maßnahmen vorgesehen, wenn mit diesen für große Teile der Belegschaft wesentliche Nachteile verbunden sind. Sie verfolgen dabei das Ziel, die von der Betriebsänderung nachteilig betroffenen Arbeitnehmer zu schützen, der Arbeitnehmerschaft die bisher zugestandene Rechtsposition so lange wie möglich zu erhalten und deren Verlust auszugleichen. Sozialpläne zielen somit darauf ab, die wesentlichen materiellen und immateriellen Nachteile, die aufgrund der mit den Maßnahmen der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Arbeitnehmerschaft eintreten, sozial verträglich abzufedern.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Sozialpläne im Arbeitsverfassungsrecht für den Fall einer Betriebsänderung vorgesehene, vor der Schlichtungsstelle erzwingbare BV sind (§ 109 Abs 3 ArbVG). Kommt es daher zu keiner Einigung zwischen Arbeitgeber und BR, entscheidet – soweit eine Regelung durch KV oder Satzung nicht vorliegt – auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle. Scheitern die Bemühungen um eine Einigung, hat die Schlichtungsstelle eine Entscheidung zu treffen, die die (nicht zustande gekommene) Einigung zwischen BR und Arbeitgeber ersetzt und somit auf diese Weise den Inhalt des Sozialplanes rechtsverbindlich herbeiführt.
Für ältere Arbeitnehmer ordnet § 109 Abs 3 ArbVG die besondere Bedachtnahme auf deren Interessen an. Dies bedeutet zum einen, dass eine Auflösung des Dienstverhältnisses erst dann in Erwägung zu ziehen ist, wenn im Rahmen des vorzunehmenden Interessenausgleiches eine Weiterbeschäftigung im Betrieb nicht in Betracht kommt. Zum anderen werden bei der Bemessung der Sozialplanabfertigung gerade das fortgeschrittene Lebensalter und die erhöhten Schwierigkeiten, eine neue Beschäftigung zu finden, besonders zu berücksichtigen sein. Dabei kann vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebotes davon ausgegangen werden, dass in einer Durchschnittsbetrachtung die mit der Auflösung von Dienstverhältnissen verbundenen nachteiligen sozialen und wirtschaftlichen Folgen für ältere Arbeitnehmer schwerer wiegen als für jüngere Arbeitnehmer.
In Anbetracht dieser arbeitsverfassungsrechtlichen Ausgangslage vermag der VfGH nicht zu erkennen, dass das Abzugsverbot für Sozialplanabfertigungen einen verfassungsrechtlich unbedenklichen Lenkungseffekt haben könnte.
Auszugehen ist davon, dass der mit der Regelung des § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 intendierte Lenkungseffekt nicht völlig ungeeignet erscheint, eine Verhaltenslenkung für freiwillige individualvereinbarte Abfertigungen zu bewirken. In Anbetracht der unterschiedlichen Funktion und Zwecksetzung von Sozialplanabfertigungen läuft dieser Lenkungseffekt für Sozialplanabfertigungen jedoch insofern ins Leere, als diese doch Ergebnis eines Interessenausgleiches zwischen Arbeitgeber und BR sind, bei dem die Höhe der zu leistenden Sozialplanabfertigung nicht durch von unternehmerischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen geleitete Dispositionen des Arbeitgebers, sondern durch die Notwendigkeit eines sozial verträglichen Ausgleiches der für die Arbeitnehmerschaft aus Anlass der Betriebsänderung entstandenen Nachteile bestimmt wird. Die Vereinbarung der Höhe einer Sozialplanabfertigung ist vor diesem Hintergrund einer Lenkung in aller Regel nicht zugänglich, da dieser für den Ausgleich der Nachteile erforderliche Betrag – so eine Einigung nicht erzielt werden kann – vor der Schlichtungsstelle erzwingbar ist, ohne dass der Arbeitgeber auf diese Entscheidung Einfluss nehmen könnte.
Vielmehr bestimmt der – erzwingbare – Inhalt des Sozialplanes die Höhe der nichtabzugsfähigen Aufwendungen. So wie daher ein Abzugsverbot für gesetzliche Abfertigungen nicht mit einem Lenkungseffekt sachlich begründet werden könnte, ist für die im Rahmen erzwingbarer BV festgelegten Sozialplanabfertigungen nach ihrer Funktion und ihrem Zweck ein Abzugsverbot von vornherein nicht geeignet, der Auflösung von Dienstverhältnissen oder der Vereinbarung besonders hoher Abfertigungen entgegenzuwirken.
Verstoß gegen Gleichheitssatz
Der VfGH vermag vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen, dass ein Abzugsverbot für Abfertigungen im Rahmen von Sozialplänen geeignet wäre, Gerechtigkeits- und Solidaritätsaspekte im Steuerrecht zu stärken. Vielmehr bedingt dieses Abzugsverbot, dass die wesentlich ungleichen Sachverhalte einer individuell vereinbarten Abfertigung im Zuge einer Arbeitgeberkündigung einerseits und einer Sozialplanabfertigung im Zuge einer Betriebsänderung andererseits ohne sachlichen Grund gleich behandelt werden.
§ 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 verstößt somit gegen den Gleichheitssatz, da diese Regelung zu sachlich nicht begründbaren Differenzierungen führt. Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation vermeiden, indem der Anwendungsbereich der Vorschrift im Auslegungswege auf individuell vereinbarte Abfertigungen eingeschränkt wird, ist doch nach der Rsp des VwGH klargestellt, dass dieser Vorschrift auch Sozialplanabfertigungen unterfallen (VwGH 7. 12. 2020, Ro 2020/13/0013, ARD 6730/7/2021).
Die Aufhebung wurde auch bereits in BGBl I 2022/56 kundgemacht.