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Nach dem vorliegenden Art 13.A.1. lit a der Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung (H 916 - BW 1/75) gilt als Versicherungsfall ua der „für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbare gem Art 4 versicherte Sachschaden“. Ein Sachschaden iS dieser Bedingung liegt vor, wenn die versicherte Sache vernichtet oder beschädigt ist. Nicht als Sachschaden gilt insb ein Mangel an einer versicherten Sache (Art 13.B.1. und 2. lit a BW 1/75), etwa wenn eine versicherte Sache infolge mangelhafter oder vertragswidriger Konzeption oder Planung von vornherein nicht ordnungsgemäß erbracht ist (Art 13.C.1. lit a BW 1/75).
Baumängel zählen also nach der BW 1/75 nicht zu den versicherten Gefahren bauunternehmerischer Leistung. Die Bauwesenversicherung hat grundsätzlich nicht den Zweck, den Unternehmer vor den Folgen eines Leistungsmangels zu sichern. Der nicht versicherte Leistungsmangel steht im begrifflichen Gegensatz zum versicherten Sachschaden. Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien hat der OGH ausführlich in der E 7 Ob 40, 41/86 (= RS0080950) vorgenommen; danach handelt es sich um einen Sachschaden, wenn – vom Gegenstand der Leistung oder Teilleistung her betrachtet – von außen eine schädigende oder zerstörende Einwirkung erfolgt. Diese Einwirkung kann auch von einer anderen Leistung oder Teilleistung ausgehen, die ihrerseits einen Mangel aufweist und über die eigene Fehlerhaftigkeit hinausgehende Ursache einer Beschädigung oder Zerstörung anderer Leistungen oder Teilleistungen wird. Die beschädigte (Teil-)Leistung muss vor dem Schadenseintritt bereits mängelfrei existiert haben. Hiebei kommt es nicht auf eine Teilbarkeit iSd Gewährleistungsrechts an. Es muss sich aber um eine Teilleistung handeln, die man als selbstständige Bauphase ansehen kann.
Für den vorliegenden Fall (Wohnbauprojekt bestehend aus zwei getrennten Häusern [A und B] über einem gemeinsamen Untergeschoß mit Tiefgarage) würde dies bedeuten, dass eine fehlerhafte Tragwerkplanung durch den Statiker bei Haus A und der Tiefgarage einen nach Art 13 BW 1/75 nicht versicherten Leistungsmangel begründet (die Kausalität der fehlerhaften Tragwerksplanung für die geltend gemachten Schäden steht hier allerdings noch nicht fest).
In der Lit zu Bauwesenversicherungen ist die Möglichkeit der Zusatzdeckung für Sachschäden durch Planungsfehler anerkannt. Eine solche vereinbarte Zusatzdeckung enthalten hier Art 3.20, 3.23 und 3.53 des Beiblatts. Dadurch werden „Sachschäden durch Planungsfehler“ („Schäden ... aus der Planung, statischen Berechnung ...“), die nach Art 13 BW 1/75 grds als Leistungsmängel ausgeschlossen wären, wiederum in die Versicherung eingeschlossen. Dieser Einschluss kann sich aus der Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nur auf die mangelhafte Teilleistung selbst beziehen, wären doch Sachschäden an anderen (mangelfreien) Teilleistungen ohnehin von Art 13 BW 1/75 erfasst, sodass es insofern keines Einschlusses mehr bedürfte. Bei einem Einschluss von „Sachschäden durch Planungsfehler“ ist auch eine mit einem Planungsfehler behaftete eingestürzte Decke versichert. Der an sich als Leistungsmangel nicht versicherte Schaden infolge eines Planungsfehlers wird damit aufgrund der Zusatzdeckung gem Art 3.20, 3.23 und 3.53 Beiblatt wieder als versicherter Sachschaden eingeschlossen. Für diesen vereinbarten Versicherungsfall kann es auch nicht erforderlich sein, dass eine schädigende Einwirkung „von außen“ erfolgt. Vielmehr hat Art 3.53 Beiblatt gerade den Fall vor Augen, dass der Planungsfehler zu einem Sachschaden an der fehlerhaft geplanten Sache führt.
Sachverhalt
Die Kl hatte die vorliegende Bauwesenversicherung iZm der beabsichtigten Errichtung einer Wohnanlage abgeschlossen. Auf einem gemeinsamen Untergeschoss (mit Tiefgarage und Kellerräumen) sollten zwei voneinander getrennte Häuser (Haus A und B) errichtet werden; technisch gesehen handelte es sich um ein einheitliches, über das Untergeschoss starr verbundenes Bauwerk mit einem gemeinsamen Fernwärme- und Hausanschluss. Dem Projekt lagen eine einheitliche architektonische und statische Planung sowie ein einheitlicher Baubescheid zugrunde.
Nachdem sich während des Baus Risse in der Bausubstanz gezeigt hatten, die durch kontinuierlich zunehmende Deckenverformungen verursacht wurden, wurde letztlich der gesamte Rohbau abgerissen und die Wohnanlage neu errichtet. Wären lediglich an Haus B, nicht aber an Haus A Planungsfehler vorhanden gewesen, hätte man trotz des Abrisses von Haus B durch Herstellung einer Dehnfuge Haus A vor dem Abbruch bewahren können.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Kl gegenüber der Bekl aus dem Versicherungsvertrag einen Anspruch auf Ersatz der Kosten hat, die durch den Abbruch des Hauses A und der Tiefgarage entstanden sind.
Die Entscheidung hängt davon ab, ob diese Aufwendungen dadurch veranlasst wurden, dass infolge fehlerhafter Tragwerksplanung des Statikers der Sachmangel verursacht wurde. Die diesbezügliche Beweisrüge der Bekl hat das BerufungsG nicht erledigt. Sollte die erstgerichtliche Feststellung Bestand haben, wäre dem Leistungsbegehren stattzugeben. Der OGH hat daher das Berufungsurteil insofern aufgehoben und dem BerufungsG die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Kl aufgetragen.
Entscheidung
Vereinbarte Zusatzdeckung
Wenn das BerufungsG eine „Privilegierung“ von Schäden durch Planungsfehler gegenüber Schäden durch sonstige Bauleistungen ablehnt, übergeht es die vereinbarte Zusatzdeckung in Art 3.20, 3.23 und 3.53 des Beiblatts. Die Kl hat für die „Zusatzdeckung versicherte Gefahren“ eine zusätzliche Prämie gezahlt, und die Bekl hat auch nicht behauptet, dass sie ihre Prämienkalkulation der Kl offengelegt hätte.
„Unvorhersehbarkeit“ des Schadens
Nach Art 4 BW 1/75 besteht für Schäden an versicherten Sachen nur Versicherungsschutz, wenn sie „für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbar sind“. Die Unvorhersehbarkeit wird in Art 3.35 Beiblatt näher definiert. Unvorhergesehen sind danach Schäden, die der Versicherungsnehmer „weder rechtzeitig vorhersehen konnte, noch mit dem für die im Betrieb ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Fachwissen vorhersehen musste“.
Nach den Feststellungen waren für andere am Bau Beteiligte – und daher auch für die Kl – die Fehler in der Tragwerksplanung ohne eine dazu erforderliche detaillierte Prüfung der statischen Berechnungen nicht erkennbar. Damit lag aber für sie ein unvorhersehbarer Schaden vor.
Unter Berufung auf die E des BGH zu IVa ZR 152/81 (VersR 83, 821 = NJW 1984, 47) ging das BerufungsG jedoch davon aus, die Schäden seien nur dann unvorhergesehen, wenn sie weder durch den Versicherungsnehmer „noch durch den von ihm beauftragten Unternehmer verursacht wurden“. Eine ähnliche Auffassung wird ohne nähere Begründung auch in der Lit vertreten (Schaflinger/Gingl in Straube/Aicher/Ratka/Rauter, Handbuch Bauvertrags- und Bauhaftungsrecht I Kap. 3.4.3 [Stand 1. 5. 2020, rdb.at]).
Dass der beauftragte Unternehmer der Versicherungsnehmerin zugerechnet wird, widerspricht aber den vereinbarten Versicherungsbedingungen. Diese stellen nur darauf ab, dass der Schaden für den Versicherungsnehmer unvorhersehbar ist (bzw bei gesellschaftsrechtlich organisierten Versicherungsnehmern für bestimmte Organe), und weichen damit von der Bedingungslage ab, die der E BGH IVa ZR 152/81 zugrunde liegt.
Deckungserweiterung betr Funktionseinheiten nicht anwendbar
Nach Art 3.49 Beiblatt sind Schäden an zusammengehörigen Sachen und Funktionseinheiten unter bestimmten Voraussetzungen mitversichert: „Wird durch einen versicherten Schadenfall ein Teil bzw eine Sache von mehreren zu einer Funktionseinheit gehörenden versicherten Sachen beschädigt, zerstört oder gerät in Verlust und ist diese Sache nicht mehr in der gleichen, zur restlichen Funktionseinheit kompatiblen Art bzw. Form wiederbeschaffbar, ersetzt der Versicherer jene Kosten, die erforderlich sind, um wieder einen funktionierenden, betriebsfähigen Zustand der gesamten Funktionseinheit herzustellen. Dies bedeutet, dass neben den vom Sachschaden betroffenen Sachen auch Sachen zu ersetzen sind, die zwar nicht direkt beschädigt sind, aber durch den Ersatz der vom Sachschaden betroffenen Komponenten nicht mehr brauchbar und somit wertlos geworden sind.“ Dabei handelt es sich um eine Deckungserweiterung für „Technologiefortschritt“.
Das BerufungsG verneinte die Anwendung von Art 3.49 des Beiblatts, weil in Bezug auf Haus A und den dort darunter liegenden Teil des Untergrundes keine Funktionseinheit mit Haus B vorliege, weil diese Bauteile nach den Feststellungen erhalten werden hätten können, wenn nur beim Haus B die fehlerhafte Statikplanung vorgelegen wäre.
Die Kl legt nicht näher dar, inwiefern ihr ausgehend vom unstrittig versicherten Schadenfall Haus B aufgrund dieser Klausel die Abbruchkosten für Haus A und das gesamte Untergeschoss zustehen könnten. Mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen zur Einheitlichkeit des Objekts und eines „einheitlichen Schadens“ zeigt sie keine Argumente auf, aus denen die Voraussetzungen für die Deckungserweiterung nach Art 3.49 Beiblatt abgeleitet werden könnten und die Zahlungspflicht der Bekl für die begehrten Abbruchkosten gegeben wäre.
Keine Obliegenheitsverletzung der Kl
In Art 12.B.1. lit f BW 1/75 ist die Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers vereinbart. Danach hat die Versicherungsnehmerin dem Versicherer auf dessen Verlagen alle erforderlichen Auskünfte für die Feststellung der Versicherungsleistung zu erteilen und Einsichtnahmen zu gewähren sowie Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Die Bekl warf der Kl als Obliegenheitsverletzung vor, diese habe ihr nur mitgeteilt, dass der Auftrag an den Statiker mündlich erteilt worden sei, wodurch der Inhalt des Auftrags nicht „determiniert“ sei (keine konkrete Darstellung des Vertragsinhalts).
Nach den Feststellungen hat ein Vertreter der Kl der Bekl mitgeteilt, dass der Statiker mit der Tragwerksplanung mündlich beauftragt wurde. Eine solche mündliche Beauftragung ist (nach den Feststellungen) auch üblich. Damit war die Bekl in Kenntnis über den Vertragsinhalt des mündlich erteilten Auftrags an den Statiker. Der Vertreter der Kl hielt überdies fest, sollten weitere Unterlagen von der Bekl benötigt werden, würden diese zur Verfügung gestellt werden. Auf dieses Schreiben reagierte die Bekl aber nicht mehr. Damit liegt die von der Bekl behauptete Verletzung der Auskunftsobliegenheit nicht vor.