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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Mindestbesteuerungs-RL: Art 12–14
Abstract
Der belgische VfGH hat in einem anhängigen Fall über die Vereinbarkeit der Art 35 und 36 des belgischen Mindestbesteuerungsgesetzes (Undertaxed Profits Rule, UTPR) mit dem belgischen Verfassungsrecht zu entscheiden. Da diese Bestimmungen ihre Grundlage in den Art 12–14 Mindestbesteuerungs-RL haben und der belgische VfGH nicht zur Beurteilung der Vereinbarkeit mit der EU-Grundrechtecharta (GRC) befugt ist, richtet er an den EuGH eine Vorabentscheidungsfrage zur Primärrechtskonformität der Art 12–14 Mindestbesteuerungs-RL.
Belgischer VfGH 17. 7. 2025, Entscheid Nr 104/2025, Geschäftsverzeichnisnr 8267, ECLI:BE:GHCC:2025:ARR.104
Sachverhalt
Die American Free Enterprise Chamber of Commerce erhob vor dem belgischen VfGH eine Klage auf Nichtigerklärung der Art 35 und 36 des belgischen Mindestbesteuerungsgesetzes, in denen Art 12–14 Mindestbesteuerungs-RL und somit die UTPR umgesetzt werden. Die UTPR fungiert als Auffangmechanismus im GloBE-System. Danach kann der Ansässigkeitsstaat einer Konzernuntergesellschaft diese Konzernuntergesellschaft mit einer Ergänzungssteuer belegen, wenn eine andere Konzerngesellschaft einer Niedrigbesteuerung unterliegt.
Entscheidung des belgischen VfGH
In der Nichtigkeitsklage hat die American Free Enterprise Chamber of Commerce ausgeführt, dass die UTPR gegen den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung (Art 10, 11 und 172 Abs 1 der belgischen Verfassung; Art 20 und 21 GRC), das Grundrecht auf Eigentum (Art 16 der belgischen Verfassung; Art 1 1. ZP EMRK und Art 17 GRC), die Unternehmensfreiheit (Art II.3 des belgischen Wirtschaftsgesetzbuches; Art 15 und 16 GRC, Art 49 und 56 AEUV) und die Grundsätze der Rechtssicherheit sowie der steuerlichen Territorialität verstößt. Die UTPR wurde durch die Art 12–14 Mindestbesteuerungs-RL vorgeschrieben. Der belgische VfGH ist aber nicht befugt, über die Vereinbarkeit der Art 12–14 Mindestbesteuerungs-RL mit den Art 15, 16, 17, 20 und 21 GRC sowie Art 49 und 56 AEUV, dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der steuerlichen Territorialität zu entscheiden. Dafür ist der EuGH zuständig und der belgische VfGH ist nach Art 267 Abs 3 AEUV dem EuGH gegenüber vorlageverpflichtet.
Im Ergebnis stellt der belgische VfGH daher dem EuGH die folgende Vorabentscheidungsfrage: „Verstoßen die Artikel 12 bis 14 der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates vom 14. Dezember 2022 'zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union' insofern, als diese Bestimmungen die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, die in der Union gelegenen Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe mit einer SES-Ergänzungssteuer zu besteuern, wodurch diese Geschäftseinheiten einer Steuer auf durch andere Geschäftseinheiten in einem anderen Steuerhoheitsgebiet erzielte unterbesteuerte Gewinne unterliegen würden, und zwar ohne Unterscheidung je nach der finanziellen Tragkraft dieser steuerpflichtigen Geschäftseinheiten, gegen die Artikel 15, 16, 17, 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Artikel 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der steuerlichen Territorialität?“
Conclusio
Die UTPR ist derzeit Angriffen auf mehreren Fronten ausgesetzt. So haben sich die G7-Staaten kürzlich darauf geeinigt, multinationale Unternehmen mit Konzernobergesellschaft in den USA vom Anwendungsbereich der UTPR und der Income Inclusion Rule (IIR) auszunehmen und das amerikanische Mindestbesteuerungsregime iS eines „Side-by-Side-Systems“ anzuerkennen (oV, G7 Statement on Global Minimum Tax, abrufbar unter: https://home.treasury.gov/news/press-releases/sb0181, Zugriff am 22. 7. 2025). Angesichts dessen hat auch der deutsche Bundeskanzler Skepsis gegenüber der globalen Mindeststeuer bekundet (oV, Merz für Aussetzung der globalen Mindeststeuer für Konzerne, abrufbar unter https://www.spiegel.de/wirtschaft/friedrich-merz-fuer-aussetzung-der-globalen-mindeststeuer-fuer-konzerne-nach-rueckzug-der-usa-a-ceb3100f-2f60-4650-a290-eef6774bb25c, Zugriff am 22. 7. 2025).
Die Vorlage durch den belgischen VfGH befeuert die Debatte weiter. Denn nun könnte der EuGH die UTPR für ungültig erklären. Dass der EuGH die UTPR tatsächlich für ungültig erklären wird, erscheint jedoch angesichts der niedrigen Kontrolldichte, die der EuGH bei Grundrechtsfragen im Steuerrecht bisher angewendet hat, eher unwahrscheinlich. In einer Entscheidung zur MwSt, in der Art 20 GRC anzuwenden war, hat er dem Unionsrechtssetzer im Steuerrecht ein „weites Ermessen“ zuerkannt und die gerichtliche Kontrolle auf „offensichtliche Fehler“ beschränkt (EuGH 7. 3. 2017, C-390/15, RPO, Rn 54; vgl im Detail etwa Hohenwarter-Mayr, Globale Mindeststeuer aus unionsrechtlicher Sicht, in Hohenwarter/Kirchmayr/Kronberger/Mayr [Hrsg], Handbuch zur Globalen Steuerreform [2023] 113, 151). Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH einen solchen „offensichtlichen Fehler“ bei der UTPR feststellt.