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Abstract
Ein Feststellungsbescheid hat die Adressaten, an die er ergeht, genau zu bezeichnen. Bei einer atypischen stillen Gesellschaft ist diese Voraussetzungen bereits erfüllt, wenn der Bescheid an den namentlich genannten Geschäftsherrn „und Mitgesellschafter“ adressiert ist. Eine namentliche Nennung des stillen Gesellschafters ist nicht zwingend erforderlich.
VwGH 27. 1. 2021, Ra 2020/13/0085
Sachverhalt
Die BF ist eine atypisch stille Gesellschaft die aus der G GmbH, als Geschäftsherrin, und einigen weiteren stillen Gesellschaftern besteht. Die gegenständlichen Feststellungsbescheide 2008 bis 2013 ergingen jeweils an die „G GmbH und Mitges“. Die BF erhob Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide, woraufhin das BFG deren Behandlung mit Beschluss zurückwies: Mangels korrekter Adressierung wären die Erledigungen des Finanzamts nicht als Bescheide zu qualifizieren. Sowohl der BF als auch das Finanzamt waren der Ansicht, dass die Bescheide des Finanzamts wirksam ergangen seien und erhoben gegen den Beschluss des BFG Revison.
Entscheidung des VwGH
Gem § 93 Abs 2 BAO muss ein Bescheid in seinem Spruch die Umschreibung jener Person(engruppe) enthalten, an die er gerichtet ist. Die Adressierung ist ein konstituierendes Bescheidmerkmal, bei dessen Fehlen die Behörde keinen individuellen Verwaltungsakt setzt (Nichtbescheid).
Ein Feststellungsbescheid ergeht gem § 191 Abs 1 lit c BAO an die Mitunternehmerschaft, deren Mitglieder Einkünfte gemeinschaftlich zugeflossen sind. Im Falle der Beendigung der Mitunternehmerschaft vor Feststellung der Einkünfte ist der Feststellungsbescheid direkt an die Mitglieder zu richten. Wird die Mitunternehmerschaft hingegen nicht steuerlich anerkannt, so hat eine Feststellung zu unterbleiben und ein darauf gerichteter Antrag ist bescheidmäßig zurückzuweisen (Nichtfeststellungsbescheid). In diesem Fall ist der Nichtfeststellungsbescheid individuell an alle Steuerpflichtigen zu richten, denen die Abgabenerklärung zuzurechnen ist.
Im gegenständlichen Verfahren steht außer Streit, dass zwischen den Steuerpflichtigen eine atypisch stille Gesellschaft besteht, die im Zeitpunkt der Entscheidung des BFG noch nicht beendet war. Der Feststellungsbescheid, wie auch der Beschluss des BFG, waren daher an die Mitunternehmerschaft zu richten.
Nach Ansicht des VwGH ist eine atypisch stille Gesellschaft durch Nennung des Inhabers des Unternehmens und dem Zusatz „und Mitgesellschafter“ ausreichend bezeichnet. Alternativ kann die Adressierung auch durch individuelle Nennung des Unternehmensinhabers und aller stillen Gesellschafter erfolgen (siehe bereits VwGH 26. 7. 2007, 2004/15/0137).
Der Feststellungsbescheid des Finanzamts war daher korrekt adressiert und somit auch gültig. Das BFG hätte die Beschwerde behandeln müssen, weshalb der VwGH den Zurückweisungsbeschluss als rechtwidrig aufhob.
Conclusio
Die Adressierung eines Bescheides an eine atypisch stille Gesellschaft kann sowohl durch Nennung des Geschäftsherrn mit dem Zusatz „und Mitgesellschafter“ als auch durch individuelle Nennung aller Gesellschafter (inkl des Geschäftsherrn) erfolgen.
Die Entscheidung des VwGH steht im Widerspruch zu dessen bisherigen Rechtsprechung (vgl Ritz, BAO6 (2017) § 93 Rz 6; wonach die Bezeichnungen „S GmbH u Mitges“ sowie „S GmbH und Mitgesellschafter“ laut Judikatur nicht ausreichen).
In dem von Ritz dafür angeführte Erkenntnis des VwGH vom 17. 10. 2001, 96/13/0058 (fälschlicherweise als 96/15/0058 bezeichnet) knüpft der Gerichtshof an die handelsrechtliche Zweigliedrigkeit der stillen Gesellschaft an. Diese besagt, dass eine stille Gesellschaft ein rein zweipersonales Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und stillem Gesellschafter ist. Beteiligen sich mehrere stille Gesellschafter an demselben Unternehmen, so entstehen mehrere voneinander unabhängige stille Gesellschaften. Steuerrechtlich ist jede Gesellschaft als eigenständige Mitunternehmerschaft zu qualifizieren. Die vom Finanzamt verwendete Sammelbezeichnung „S GesmbH und Mitgesellschafter" sah der VwGH als unrichtig an, da es keine Mitunternehmerschaft gab, die alle drei Beschwerdeführer umfasste.
Im gegenständlichen Erkenntnis geht der VwGH nicht weiter auf die Rechtsnatur der stillen Gesellschaft ein. Rz 20 hält jedoch fest, dass ein Feststellungsbescheid auch dann richtig adressiert ist, wenn er „Namen oder Bezeichnungen des Geschäftsherrn (Inhaber des Unternehmens) und des (oder der [Hervorhebung des Autors]) stillen Gesellschafter aufweist“. Hier erkennt der VwGH implizit die Möglichkeit einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft an. Im vorliegenden Fall ist der VwGH, soweit ersichtlich, davon ausgegangen, dass die G GmbH und die stillen Gesellschaften alle Teil einer gemeinsamen Mitunternehmerschaft sind. Die Adressierung des Feststellungsbescheids an die „G GmbH und Mitges“ bezeichnet ebendiese Mitunternehmerschaft und ist somit zulässig.