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Der Frachtführer wird nach dem vierten Haftungsausschlussgrund des Art 17 Abs 2 CMR von der Haftung für den Verlust des Frachtgutes nur befreit, wenn dieser auf unabwendbaren Umständen beruht, es also dem Frachtführer auch durch Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falls möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu verhindern. Es fehlt daher am Merkmal der Unvermeidbarkeit auch dann, wenn die Beobachtung jeder nach den Umständen möglichen Sorgfalt eine auch an sich nicht voraussehbare Schadensursache unwirksam gemacht haben würde. Unabwendbarkeit des Ereignisses bedeutet aber nicht dessen absolute Unvermeidbarkeit; vom Frachtführer werden keine wirtschaftlich unzumutbaren oder absurden Maßnahmen gefordert.
Die Beweislast für die Unabwendbarkeit trifft den Frachtführer.
Beschlagnahme durch staatliche Behörden ist im Regelfall nur dann unabwendbar, wenn sie rechtswidrig oder willkürlich erfolgt, was hier (Beschlagnahme eines LKWs mit Waren mit Bestimmungsort Russland von ukrainischen Behörden am Tag der russischen Invasion der Ukraine) nicht feststeht. Im vorliegenden Fall war die Einschätzung der bekl Frachtführerin als Expertin für Russland-Transporte ausschlaggebend für die konkrete Beauftragung; der Bekl war die angespannte politische Situation bekannt und eine Änderung der Route (über Weissrussland statt über die Ukraine) wäre sicherer und (trotz Straßengebühren und eines Umwegs von ca 300 km) keine wirtschaftlich unzumutbare Maßnahme gewesen. Zusammengefasst bedarf daher die Rechtsansicht des BerufungsG keiner Korrektur, die Bekl habe nicht nachweisen können, dass es ihr auch bei Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falls möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt unmöglich war, die Beschlagnahme des LKW und damit den Verlust der Ware zu verhindern.
OGH 20. 11. 2024, 7 Ob 175/24x
Entscheidung
Nach den Feststellungen begann die russische Invasion am Morgen des 24. 2. 2022, der LKW passierte aber erst am Vormittag (ca 10:30 Uhr) die ukrainische Grenze. Die Korrespondenz zwischen den Streitteilen zeigt auch, dass die Bekl von der angespannten politischen Situation wusste und selbst davon ausging, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine sehr wahrscheinlich ausbrechen wird. Dass die Beschlagnahme der Fracht ausschließlich eine gesetzwidrige oder willkürliche Maßnahme der ukrainischen Behörden war, steht ebenfalls nicht fest.
Die Kl fragte die Bekl als Expertin für Russland-Transporte auch dezidiert vor Erteilung des Transportauftrags, ob sie sich traue, das Risiko des Transports einzugehen und machte klar, ihr Auftraggeber werde bei hohem Risiko die Ware nicht auf der Straße lassen, sondern auf bessere Zeiten nach dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine warten. Daraufhin antwortete die Bekl, sie denke, dass es bisher keine Risiken gebe, die eine Fahrt nach Russland verhindern würden. Die Einschätzung der Bekl war somit ausschlaggebend für die konkrete Beauftragung durch die Kl. Schließlich hätte auch eine Route über Weißrussland gewählt werden können, die zwar etwas länger (rund 300 km) und teurer gewesen wäre (Gebühren für Straßenbenützung), aber offenkundig sicherer, weil über diese Route am Folgetag ein Transport geführt wurde. Die Änderung der Route wäre daher keine wirtschaftlich unzumutbare Maßnahme gewesen. Die Behauptung der Bekl, die Beschlagnahme hätte auch auf dem Staatsgebiet von Weißrussland stattfinden können, weshalb diese Routenführung ex ante betrachtet nicht sicherer gewesen wäre, ist nicht nachvollziehbar, zumal es dafür keine Anhaltspunkte im Sachverhalt gibt und Weißrussland ein Verbündeter Russlands ist.
Wenn der Schaden auf ein Zusammenwirken von haftungsbegründendem Frachtführerverschulden und haftungsbefreienden Transportgefahren zurückzuführen ist, sieht Art 17 Abs 5 CMR eine Schadensteilung vor (RS0107143). Art 17 Abs 5 CMR greift also immer dann ein, wenn der Schaden sowohl auf haftungsausschließenden Umständen der Art 17 Abs 2 und 4 CMR beruht, als auch auf Umstände zurückzuführen ist, für die der Frachtführer nach Art 17 Abs 1 (ggf iVm Abs 3) CMR einzustehen hat (Thume in Thume, CMR Art 17 Rn 227; Zehetbauer in Zib/Dellinger, UGB Art 19 CMR Rz 182).
Eine Mitverantwortung der Kl verneinte das BerufungsG mit der Begründung, die Kl sei nicht verpflichtet gewesen, die von der Bekl als Frachtführerin geschuldeten Leistungen zu überprüfen; eine allfällige Mitwirkungstätigkeit des Absenders hätte zum Gegenstand des Frachtvertrags gemacht werden müssen, was hier nicht erfolgt sei. Gegen diese Rechtsansicht des BerufungsG führt die Bekl in der Revision kein Argument ins Treffen.