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Bestellung eines Nachtragsliquidators im Insolvenzverfahren

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AktG: § 214

FBG: § 40

Im vorliegenden Fall wurde die GmbH nach Aufhebung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen gem § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Nach dem Hervorkommen möglicher Anspüche der GmbH aus Liegenschaftsverkäufen vor Insolvenzeröffnung wurde das Insolvenzverfahren fortgesetzt. Dass nach Durchführung eines Nachtragsverteilungsverfahrens ein Restvermögen zur Verteilung auf die ehemaligen Gesellschafter verbleibt, war „nicht von Vornherein auszuschließen“. Da für den erkennenden Senat kein zwingender Grund ersichtlich ist, in der hier zu beurteilenden Rechtsfrage die Kapitalgesellschaften unterschiedlich zu behandeln (vgl § 214 Abs 4 AktG betr die Nachtragsliquidation im Aktienrecht), schließt er sich der Ansicht an, dass – jedenfalls in einer Konstellation wie hier, in der die Gesellschaft einer Vertretung bedarf (nämlich im Insolvenzverfahren) – neben der Bescheinigung eines als verwertbar anzusehenden Vermögens auch die Notwendigkeit irgendwelcher weiterer Abwicklungsmaßnahmen als Voraussetzung für die Bestellung eines Nachtragsliquidators nach § 40 Abs 4 FBG genügt.

OGH 15. 9. 2020, 6 Ob 118/20a

Ausgangsfall

Nach Aufhebung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde diese gem § 40 FBG im Mai 2018 infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Im April 2019 berief das Insolvenzgericht den bereits zuvor tätig gewordenen Masseverwalter zwecks allfälliger Betreibung von Ansprüchen der schuldnerischen Gesellschaft aus Verkäufen von Liegenschaften und einer allfälligen nachträglichen Verteilung von daraus resultierendem Vermögen neuerlich zur Ausübung seines Amtes ein. Der Masseverwalter hatte zuvor dem Insolvenzgericht mitgeteilt, dass diese Verkäufe erhebliche Zeit vor Insolvenzeröffnung erfolgt seien, wobei sich noch nicht beurteilen lasse, ob die Ansprüche berechtigt, werthaltig und rechtlich durchsetzbar seien, jedenfalls sei die allfällige gerichtliche Betreibung einer Kapitalforderung von rund 4,5 Mio € mit erheblichen Kosten verbunden. Da als Hauptgläubiger im Konkurs im Wesentlichen nur das Finanzamt mit einer Forderung von 495.000 € übrig geblieben sei, flöße ein allfälliger Erlös in der angesprochenen Höhe zu fast 90 % den ehemaligen Gesellschaftern zu.

Im September 2019 beantragte der Masseverwalter die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die schuldnerische Gesellschaft gem § 40 Abs 4 FBG insb für das Insolvenzverfahren. Die Gesellschaft sei derzeit im Nachtragsverteilungsverfahren unvertreten. Sowohl für die Zustellung des Bestellungsbeschlusses des Masseverwalters und von sonstigen Beschlüssen im Insolvenzverfahren (insb über die die Verteilung), als auch zur Gewährung des rechtlichen Gehörs erscheine ein Nachtragsliquidator geboten, sehe die Insolvenzordnung doch Äußerungsrechte des Schuldners vor. Auch sei nicht von Vornherein auszuschließen, dass nach Durchführung des Nachtragsverteilungsverfahrens ein Restvermögen verbleiben werde, das als Vermögen iSd § 40 Abs 4 FBG zu verteilen sein würde.

Die Vorinstanzen bestellten mit sofortiger Wirkung einen Rechtsanwalt zum Nachtragsliquidator nach § 40 Abs 4 FBG als selbstständigen Vertreter.

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft war im Hinblick auf das Fehlen von Rsp des OGH zu den Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachtragsliquidators für eine gelöschte Kapitalgesellschaft zur Vertretung im Insolvenzverfahren zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Entscheidung

Jedenfalls für eine Konstellation wie hier schließt sich der erkennende Senat der Rsp des OLG Innsbruck (3 R 122/05y, NZ 2006, G 32) und jenen Teilen der Lit an, die als Voraussetzung für die Bestellung eines Nachtragsliquidators nach § 40 Abs 4 FBG neben der Bescheinigung eines als verwertbar anzusehenden Vermögens auch die Notwendigkeit irgendwelcher weiterer Abwicklungsmaßnahmen genügen lässt. Die Gegenargumentation des OLG Wien 28 R 239/09m (NZ 2011, G 80) und von Reich-Rohrwig (GmbH-Recht1 721) ist für diese Konstellation nicht einschlägig, böte doch die Bestellung eines Prozesskurators nach § 8 ZPO keine ausreichende Abhilfe.

Bereits das RekursG hat dargelegt, dass eine parallele Tätigkeit von Insolvenzverwalter und Nachtragsliquidator zulässig ist; auch der erkennende Senat hat schon darauf hingewiesen, dass auch während eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft deren Vertretung durch einen (Not-)Geschäftsführer notwendig ist (vgl 6 Ob 190/19p [ErwG 1.3.], Rechtsnews 28753 = RdW 2020/320). Das RekursG hat – völlig zutreffend – die Aufgabenbereiche klar voneinander abgegrenzt:

-Der Nachtragsliquidator soll die Zustellungen des Insolvenzgerichts an die Gesellschaft entgegennehmen und diese als Schuldnerin im Insolvenzverfahren vertreten.
-Die Betreibung der Ansprüche und die allfällige Verteilung der Aktiva übernimmt zunächst der Insolvenzverwalter.
-Ein allfälliges superfluum wäre der Gesellschaft zuzuweisen und dann vom Nachtragsliquidator zu verteilen.

Mit dieser Abgrenzung setzt sich der Revisionsrekurs nicht substantiiert auseinander.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30059 vom 07.12.2020