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Betriebliche Haftpflichtversicherung - „Nachbesserungsbegleitschäden“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 914 f

VersVG: § 149

Im vorliegenden Fall haben die Parteien „Nachbesserungsbegleitschäden“ gem Art 27 der Besonderen Bedingungen Voribau Plus in die Deckung eingeschlossen. Diese werden als Schäden definiert, „die darauf zurückzuführen sind, dass zur Durchführbarkeit von wegen eines Mangels notwendigen Nachbesserungsarbeiten Sachen des Auftraggebers beschädigt werden müssen“; als Beispiele werden dabei das Abschlagen von Wänden oder Abschlagen von Fliesen oder Böden genannt. Dieser zusätzliche Versicherungsschutz beruht auf der Überlegung, dass der Werkunternehmer bei Verbesserung seines mangelhaften Gewerks in vielen Fällen im Rahmen von Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten zwangsläufig Gebäudeteile oder sonstige Sachen des Werkbestellers beschädigen muss und dieses Risiko zusätzlich versichern will. Die Deckungserwartung des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers geht daher in Richtung einer Einschränkung der Gewährleistungsklausel. Der Deckungsumfang muss sich an der vereinbarten Klausel orientieren.

Ausgehend vom dargestellten Zweck der Regelung und dem Verständnis eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers umfasst die Versicherungsdeckung gem Art 27.1. Voribau Plus nicht bloß die Materialkosten (zB Holz, Fliesen, Tapete), sondern auch den sonstigen Aufwand (zB Personalkosten für das Entfernen, die Entsorgung und das Wiederverlegen des Bodens, der Fliesen). Die Regelung spricht nämlich allgemein von „Schäden“, ohne diese in Richtung des bloßen Materialersatzes einzuschränken. Dies wird auch durch den Hinweis auf das Abreißen von Tapeten unterstützt, bei dem die Materialkosten idR nur einen geringfügigen Teil des Gesamtaufwands ausmachen. Im vorliegenden Fall wird dieses Auslegungsergebnis noch dadurch bestärkt, dass die Deckungserweiterung von der Bekl als „Vollrisikodeckung“ bezeichnet wird, was zusätzlich für einen möglichst umfassenden Versicherungsschutz spricht.

Kein Versicherungsschutz besteht gem Art 27.2. Voribau Plus, wenn die Sachen, die zur Durchführbarkeit der Nachbesserungsarbeiten beschädigt werden müssen, ursprünglich vom Versicherungsnehmer selbst geliefert, verlegt oder angebracht worden sind (bzw von Dritten in seinem Auftrag oder für seine Rechnung). Nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist somit die Beseitigung von Mängeln am Gewerk selbst, das der Versicherungsnehmer hergestellt hat.

Die Klausel verlangt weiters, dass Sachen des Auftraggebers wegen der Verbesserungsarbeiten „beschädigt“ werden. Aufwendungen für „beschädigungsfreieVorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten sind somit aufgrund des eindeutigen Wortlauts der vorliegenden Klausel nicht mitversichert.

OGH 24. 11. 2021, 7 Ob 125/21i

Entscheidung

Da das Klagebegehren nach den bisherigen Ausführungen jedenfalls teilweise berechtigt sein wird, ist schon an dieser Stelle zu prüfen, ob die behauptete Obliegenheitsverletzung des kl Versicherungsnehmers vorliegt, weil der Kl den bekl Versicherer nicht über die Aufforderung seiner Auftraggeberin informiert hat, einen Verjährungsverzicht abzugeben. Durch diese Obliegenheit iSd Art 8.1.4.4 und 8.1.5 AHVB soll der Versicherer über alle Maßnahmen Dritter zur Durchsetzung von Schadenersatzforderungen informiert und bei der Feststellung und Erledigung oder Abwehr des Schadens unterstützt werden. Der Versicherer soll in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob er Prozesskosten (zumindest vorläufig) vermeiden will oder nicht.

Eine Verletzung dieser Obliegenheit liegt im vorliegenden Fall zwar vor, sie ist dem Kl jedoch nicht qualifiziert vorwerfbar:

Der Kl formulierte seine Deckungsanfrage unter Bezugnahme auf das Gutachten, das im selbstständigen Beweisverfahren eingeholt worden war, und führte aus, dass nur die Position „Schnellestrich neu“ das Erfüllungssurrogat betreffe; alle anderen Positionen seien von der Versicherung gedeckt. Die Bekl antwortete darauf, dass es sich überwiegend um einen Schaden aus Vertragserfüllung oder Gewährleistung handle, der nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei, weshalb sie, wenn überhaupt, nur in sehr eingeschränktem Umfang Deckung geben könne.

Trotz Nachfrage erhielt der Kl keine konkretere Antwort. Vielmehr ließ ihn die Bekl mit ihren bewusst allgemein gehaltenen Formulierungen im Dunkeln, ob und welche Positionen gedeckt sind. Dieses Verhalten des Versicherers zielt gerade nicht auf Streitvermeidung ab und es ist jedenfalls keine objektiv und subjektiv besonders schwerwiegende Obliegenheitsverletzung zu erkennen, wenn der Versicherungsnehmer bei einem derartigen Verhalten des Versicherers diesen nicht darüber informiert, dass sein Gegner von ihm einen Verjährungsverzicht zum vorläufigen Abwenden eines Prozesses fordert. Eine bloß leicht fahrlässige Obliegenheitsverletzung schadet aber nicht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32083 vom 15.02.2022