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Betriebshaftpflichtversicherung: Leiharbeiter mitversichert?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VersVG: § 149, § 151

Die Betriebshaftpflichtversicherung erstreckt sich kraft Gesetzes (§ 151 Abs 1 VersVG) auf die Haftpflicht der Vertreter des Versicherungsnehmers sowie auf die Haftpflicht „solcher Personen, welche er zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder eines Teils des Betriebs angestellt hat“ („Aufseher im Betrieb“ iSv § 333 Abs 4 ASVG). Dem entspricht auch der vorliegende Abschn A Z 1.3.1 EHVB 2004.

Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 erweitert diesen Kreis der Mitversicherten auf „sämtliche übrige Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtung verursachen“, schließt jedoch Personenschäden aus, „soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes iSd Sozialversicherungsgesetze handelt“. Als mitversicherte Arbeitnehmer iSv Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 sind auch Personen anzusehen, mit denen der Versicherungsnehmer keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, wenn sie eine betriebliche Tätigkeit wie dessen eigene Arbeitnehmer ausüben, in den versicherten Betrieb organisatorisch eingegliedert sind und dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des Versicherungsnehmers unterliegen, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht, etwa weil der Versicherungsnehmer sie als Arbeitskräfte von einem anderen Betrieb ausleiht.

OGH 25. 5. 2022, 7 Ob 198/21z

Entscheidung

Mitversicherung von “Quasi-Arbeitnehmern“

Die Formulierung des Ausschlusses nach Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004, wonach Personenschäden ausgeschlossen sind, soweit es sich um „Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs iSd Sozialversicherungsgesetze“ handelt, ist zwanglos dahin zu verstehen, dass er in den Betrieb eingegliederte „Quasi-Arbeitnehmer“ einschließt. Die Wortfolge „iSd Sozialversicherungsgesetze“ bezieht sich auf Arbeitsunfälle ebenso wie auf Arbeitnehmer; wären „Quasi-Arbeitnehmer“ schon von vornherein nicht als Mitversicherte anzusehen, wäre dieser Ausschluss insofern überflüssig, was aber nicht anzunehmen ist.

Anmerkung: Im konkreten Fall wurde das Risiko Personenschäden durch Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) grds durch weitere Bedingungen wieder eingeschlossen (Bestimmung HY10 – Ansprüche mitversicherter Personen untereinander – Fassung 01/2004 und die Bedingung RIE 620 Vollrisikodeckung für das Baugewerbe und Baunebengewerbe [VORIBAU]).

Dass – anders als nach der deutschen Bedingungslage – nicht ausdrücklich auf „Betriebsangehörigkeit“ abgestellt wird, ist schon deshalb nicht ausschlaggebend, weil in den Bedingungen auf die sozialversicherungsrechtliche Rechtslage Bezug genommen wird und diese der Sache nach dieselben Umstände und Bedingungen einer Eingliederung in den Betrieb des Versicherungsnehmers umschreibt. Damit ist der Kreis der Mitversicherten zwar nicht von vornherein konkret bestimmt, aber zumindest bestimmbar umschrieben. Warum damit eine nicht kalkulierbare Ausweitung des Risikos für den Versicherer verbunden wäre, ist angesichts der Kriterien der sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Rsp nicht nachvollziehbar.

Auch für eine Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte (§ 3 Abs 1 AÜG) ist charakteristisch, dass die Arbeitskraft ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers (Überlassers), sondern im Betrieb des Beschäftigers in Unterordnung unter dessen Weisungsbefugnis erbringt (vgl RS0050620). Für die Dauer der Beschäftigung im Betrieb des Beschäftigers gilt der Beschäftiger als Arbeitgeber iSd Arbeitnehmerschutzvorschriften (§ 6 Abs 1 AÜG); ihm obliegen auch die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers (§ 6 Abs 2 AÜG). Ebenso gelten zwischen dem Beschäftiger und der überlassenen Arbeitskraft gem § 7 Abs 1 AÜG die Regelungen des DHG, sodass der Beschäftiger auch Arbeitgeber iSd DHG ist und dem überlassenen Arbeitnehmer gegenüber dem Beschäftiger alle Haftungsbegünstigungen des DHG zugute kommen (9 ObA 80/04m). Weiters gelten gem § 7 Abs 2 AÜG für die überlassenen Arbeitskräfte auch § 333 ASVG (Dienstgeberhaftungsprivileg) und § 332 Abs 5 ASVG (SV-Regress gegen den Schädiger bei Arbeitsunfällen zwischen im selben Betrieb Beschäftigten).

Mit diesem Ergebnis steht im Übrigen im Einklang, dass der Fachsenat auch in Ansehung des Aufsehers im Betrieb nach § 333 Abs 4 ASVG ausgesprochen hat, dass es für die Mitversicherung iSv § 151 VersVG und Abschn A Z 1.3.1 EHVB keiner ständigen Beauftragung oder Dauerfunktion im Betrieb bedarf, sondern auch hier eine einzelfallbezogen zu beurteilende tatsächliche mit Weisungsbefugnis ausgestattete Machtposition genügt (7 Ob 52/21d Rz 24 ff mwN, RdW 2021/446).

Keine Umkehrschlüsse aus anderen Regelungen

Daraus, dass nach dem zweiten Absatz von Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 ausdrücklich „im Betrieb mittätige Angehörige des Versicherungsnehmers ... auch ohne Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mitversichert“ sind, ist für die bekl Versicherung nichts zu gewinnen:

Angehörige können – aus welchen Gründen und in welcher Form immer – allenfalls auch ohne „Eingliederung“ oder persönliche Abhängigkeit im Betrieb mittätig sein.

Nach der Rsp bestehen keine Regressansprüche des SV-Trägers gegen Familienangehörige des Versicherten (RS0085237), weil ein Rückgriff auf den schadenersatzpflichtigen Angehörigen in seiner Wirkung einem Rückgriff auf den anspruchsberechtigten Sozialversicherten selbst gleichkäme und Sinn und Zweck der SV-Leistung praktisch aufheben würde („Familienhaftungsprivileg“; vgl 2 Ob 397/97i mwN). Dies wird nur dann nicht angenommen, wenn die Befriedigung des Rückgriffsanspruchs nicht durch einen Zugriff auf das Familieneinkommen, sondern ausschließlich durch den Zugriff auf den Deckungsanspruch des Ersatzpflichtigen etwa gegen seinen Haftpflichtversicherer erfolgen soll (RS0081296; vgl Neumayr in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKomm5 [2021] § 332 ASVG Rz 31 mwN).

Es kann daher keine Rede davon sein, dass die klarstellende uneingeschränkte Einbeziehung von mittätigen Angehörigen sinnentleert würde, wenn generell „Quasi-Arbeitnehmern“ Deckung zukommt.

Auch dass in anderen Versicherungsbedingungen auf „Quasi-Arbeitnehmer“ ausdrücklich Bezug genommen wird, erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass diese von den hier auszulegenden Bedingungen nicht erfasst sein sollten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32846 vom 27.07.2022