News

Betriebsunterbrechungsversicherung: Betretungsverbot iZm COVID-19

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 914 f

Mit der „MaßnahmenV“ wurde ua das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen untersagt.

Die ABUB 2007 (Allgemeine Bedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung für freiberuflich und selbstständig Tätige) definieren nach ihrem klaren Wortlaut einen Personenschaden als Umstand, dass die Person, die den Betrieb verantwortlich leitet (der Versicherte), entweder (durch Krankheit oder Unfall) arbeitsunfähig ist (lit a und b) oder durch andere Umstände an der Arbeit gehindert wird (vgl lit e). Hier einschlägig ist lit c: „Maßnahmen oder Verfügungen einer Gesundheitsbehörde oder ihr gleichgestellter Organe, die anlässlich einer Seuche oder Epidemie ergehen und die namentlich genannte, den Betrieb verantwortlich leitende Person (versicherte Person) betreffen (Quarantäne)“. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen über den Personenschaden ergibt sich, dass auch mit lit c Umstände angesprochen sind, die – ebenso wie Unfallfolgen (lit d) oder persönliche Schicksalsfälle (lit e) – den Versicherten individuell und konkret an seiner betrieblichen Arbeit hindern, sodass der Betrieb ganz oder teilweise unterbrochen wird. Dies ergibt sich auch – für einen verständigen Versicherungsnehmer (Versicherten) erkennbar – aus dem Zweck einer Betriebsunterbrechungsversicherung für Freiberufler und Selbstständige, wonach der Kern der betrieblichen Tätigkeit im Einsatz ihrer persönlichen Arbeitskraft liegt und dementsprechend deren persönliche Arbeitsunfähigkeit oder sonstige Arbeitsverhinderung die Risiken sind, die zur Unterbrechung des Betriebs führen und versichert werden sollen.

So wie aber ein Betretungsverbot schon begrifflich etwas anderes ist als eine Schließung eines bestimmten Betriebs (mag sich das Betretungsverbot für einzelne Betriebe auch faktisch wie eine Betriebsschließung auswirken), ist auch hier der Umstand, dass Kunden den Betrieb des Kl nicht betreten durften, schon ausgehend vom Wortlaut der ABUB 2007 qualitativ ein gänzlich anderes Risiko als eine Unfähigkeit oder Verhinderung der Arbeitsleistung, die bedingungsgemäß als Personenschaden definiert ist und beim Versicherten konkret und individuell eintritt. Bei einem Betretungsverbot, das auf Umstände außerhalb des einzelnen Betriebs bzw abseits von individuellen Verhältnissen des Freiberuflers/Selbstständigen abzielt, ist dem Versicherten selbst weiterhin das Betreten seiner Betriebsräumlichkeiten, die Erbringung seiner Arbeitsleistung und damit die Aufrechterhaltung des Betriebs zumindest teilweise möglich (etwa durch Aktenbearbeitung oder Kommunikation mit Kunden per Post, E-Mail, Telefon oder über Videokonferenzen). Durch eine allenfalls bloß faktisch als Nebenwirkung dennoch eingetretene Betriebsschließung oder -einschränkung wurde der Versicherte dagegen nicht iSd ABUB 2017 „betroffen“, weil sich das Betretungsverbot nach der MaßnahmenV nicht konkret gegen ihn persönlich und seine Arbeitsfähigkeit bzw -möglichkeit und damit auch nicht gegen seinen Betrieb richtete. Dieses Risiko ist daher hier nicht versichert.

OGH 28. 9. 2022, 7 Ob 106/22x

Entscheidung

Im Hinblick auf die dargelegte Zusammenschau der Bestimmungen, die den Personenschaden als Arbeitsunfähigkeit bzw -verhinderung umschreiben, die den Versicherten persönlich betreffen, teilt der Senat nicht die gegenteilige Ansicht von Prader/Weber in Zak 2020/264, 164, auf die sich die Revision weitestgehend stützt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33303 vom 21.11.2022