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BFG: Altvermögenseigenschaft von Anteilen wird durch Anschaffungsfiktion des § 15 Abs 3 Z 2 EStG verwirkt

Bearbeiter: Kilian Posch

EStG 1988: § 15 Abs 3 Z 2, § 124b Z 185 lit a

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, ob die Altvermögenseigenschaft von Fondsanteilen durch deren Zuwendung aus einer Privatstiftung an den Begünstigten aufrechtbleibt und somit nicht der Kapitalertragsteuer (KESt) unterliegt, oder ob die Zuwendung aufgrund der Anschaffungsfiktion des § 15 Abs 3 Z 2 EStG als entgeltlicher Erwerb gem § 124b Z 185 lit a TS 3 EStG einzustufen ist. Das BFG vertrat die Auffassung, dass aus der Anschaffungsfiktion auch die Entgeltlichkeit der Zuwendung erfolgt. Im Schrifttum wird diese Frage hingegen nicht einheitlich beantwortet; Revision wurde bereits eingebracht.

BFG 12. 6. 2024, RV/5100730/2022

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) ist Begünstigter einer Privatstiftung, die im Jahr 2007 – somit vor der Einführung der umfassenden Vermögenszuwachsbesteuerung – Anteile an einem Investmentfonds erworben hatte. Diese Anteile ließ die Privatstiftung dem Bf im Zuge einer Sachzuwendung im Jahre 2015 zukommen, wofür die Privatstiftung im Rahmen der Ausgangsbesteuerung KESt einbehalten und abgeführt hat. Im Jahr 2017 wurde die Mehrheit der übertragenen Anteile vom Fonds aus dem Privatdepot des Bf zurückgenommen, wodurch sich laut Außenprüfung ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn iHv 155.919, 18 € ergab. Dieser berechne sich aus dem Differenzbetrag zwischen den fiktiven Anschaffungskosten durch die Zuwendung der Fondsanteile durch die Privatstiftung und dem Veräußerungspreis (Rücknahmepreis), unter Berücksichtigung bereits versteuerter ausschüttungsgleicher Beträge und dem Verlustausgleich. Das Finanzamt legte daraufhin auf Basis der Außenprüfung KESt iHv 42.875,02 € im Einkommensteuerbescheid 2017 fest. Der Bf legte dagegen Beschwerde ein und argumentierte, dass die Altvermögenseigenschaft der Fondsanteile noch nicht verloren sei. Aus der Anschaffungsfiktion für Zuwendungen der Privatstiftung gem § 15 Abs 3 Z 2 lit a EStG folge nämlich nicht, dass die Fondsanteile von ihm iSd 124b Z 185 lit a TS 3 EStG entgeltlich erworben worden sind. Die Vorschriften über die KESt seien daher auf die Rücknahme der Fondsanteile nicht anzuwenden.

Entscheidung des BFG

Gem § 27 Abs 3 EStG sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen Einkünfte aus der Veräußerung jener Wirtschaftsgüter, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSd Abs 2 leg cit darstellen. Nach § 124b Z 185 lit a EStG ist § 27 Abs 3 EStG ab 1. 4. 2012 erstmals auf Anteilsscheine an Investmentfonds anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2010 entgeltlich erworben wurden. Fraglich ist demnach, ob die Zuwendung aus der Privatstiftung im Jahre 2015 als entgeltlicher Erwerb zu qualifizieren ist.

Nach § 15 Abs 3 Z 2 lit a EStG gelten von Privatstiftungen zugewendete Wirtschaftsgüter und zugewendetes sonstiges Vermögen bei Ermittlung der Einkünfte als angeschafft. Nach einer kurzen Aufzählung der einschlägigen Literatur zur Frage, ob diese Anschaffungsfiktion auch die Entgeltlichkeit des Erwerbs der Anteilsscheine nach sich zieht, schließt sich das BFG der Literaturmeinung an, dass aus der Anschaffungsfiktion eine Entgeltlichkeitsfiktion folgen muss. Das BFG führt an, dass der VwGH in einem anderen Kontext auch entschieden hat, dass ein Anschaffungsvorgang eine entgeltliche Überführung darstellt (VwGH 30. 6. 2015, 2012/15/0207). Zudem wäre die Anschaffungsfiktion des § 15 Abs 3 Z 2 lit a EStG eine inhaltsleere Bestimmung, würde daraus nicht die Entgeltlichkeit der Zuwendung folgen (mit Verweis auf Hayden/Böhm, Die Unentgeltlichkeit einer Zuwendung an und von einer Privatstiftung, PSR 2017, 125). Der Erlass einer inhaltsleeren Bestimmung kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden. Die Altvermögenseigenschaft ist somit im vorliegenden Fall zu verneinen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war. Die Revision ist jedoch zulässig, weil zu der behandelten Rechtsfrage noch keine Rsp des VwGH vorliegt.

Conclusio

Wenngleich das BFG einschlägige Literatur zitiert, so befasst es sich nicht tiefergehend mit den darin vorgebrachten Argumenten. Der Grund, warum § 15 Abs 3 Z 2 lit a EStG als inhaltsleer angesehen wird, wenn damit nicht die Entgeltlichkeit einhergeht, ist, dass der Ansatz von fiktiven Anschaffungskosten auch von anderen Bestimmungen vorgesehen wird – etwa in § 15 Abs 3 Z 2 lit b, aber auch in § 4 Abs 11 Z 2 lit a, § 6 Z 9 lit b, § 16 Abs 1 Z 8 lit c und § 30 Abs 6 lit a EStG – ohne gleich eine Anschaffungsfiktion zu normieren (vgl Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19 [2017] § 15 Rz 163). Während also im Regelfall nur die Bewertung mit fiktiven Anschaffungskosten vorgeschrieben wird, ist dem Wortlaut von § 15 Abs 3 Z 2 lit a EStG zu entnehmen, dass die Anschaffung selbst zu fingieren ist. Da die fiktiven Anschaffungskosten für Zuwendungen der Privatstiftung ohnehin nach lit b leg cit anzusetzen sind, wäre lit a der Vorschrift inhaltslos, wenn damit nicht auch die Entgeltlichkeit der Zuwendung einhergeht.

Ein weiteres Argument für die Entgeltlichkeit auf Ebene des Begünstigten trotz Unentgeltlichkeit auf Ebene der Stiftung ist laut Marschner, dass durch die KESt-Pflicht der Zuwendung auch die stillen Reserven beim Begünstigten besteuert werden. Dies ist eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, dass bei unentgeltlichen Übertragungen der Geschenknehmer die Buchwerte des Rechtsvorgängers fortführen kann. Nicht die Anschaffungsfiktion selbst, sondern die Besteuerung der Substanz in Form stiller Reserven sei daher für die Entgeltlichkeit ins Feld zu führen (Marschner, Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich oder doch entgeltlich? ZFS 2015, 198 [201]; krit gegenüber diesem Argument Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19 [2017] § 15 Rz 163).

Für die Unentgeltlichkeit würde hingegen sprechen, dass Anschaffungsfiktion und Entgeltlichkeitsfiktion begrifflich nicht gleichzusetzen sind (Puchinger/Marschner, Zuwendung einer vermieteten Liegenschaft an Begünstigte einer Privatstiftung, ZfS 2008, 125). § 124b Z 185 lit a EStG verlangt ausdrücklich den entgeltlichen Erwerb, ohne Verweis auf eine Anschaffungsfiktion (zitiert auch bei Lenhardt, Anschaffungs- und Entgeltlichkeitsfiktion für Zuwendungen von Privatstiftungen, BFGjournal 2024, 274 [276]). Das vom BFG referierte VwGH-Erk erwähnt nur beiläufig in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Herstellung und Anschaffung, dass beim Anschaffungsvorgang „ein Wirtschaftsgut entgeltlich von einer fremden Verfügungsmacht in die Verfügungsmacht des Erwerbers überführt“ wird. Selbst wenn man dies quasi als obiter dictum erkennen wollte, ist damit nicht geklärt, ob auch die Fiktion der Anschaffung die Fiktion der Entgeltlichkeit verlangt.

Diese Rechtsfrage hat nicht nur für den Altbestand von Kapitalvermögen Relevanz, sondern auch für Altgrundstücke und generell für die Zuwendung vermieteter Liegenschaften, denn bei Annahme der Entgeltlichkeit können offene Zehntel- oder Fünfzehntelbeträge iSd § 28 Abs 2 und Abs 3 EStG vom Begünstigten nicht fortgeführt werden (Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19 [2017] § 15 Rz 163). Aus diesen Gründen darf die Entscheidung des VwGH im Revisionsfall mit Spannung erwartet werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35975 vom 16.10.2024