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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Damit es zur Anrechnung der bereits geleisteten Grunderwerbsteuer gem § 1 Abs 4 GrEStG für einen Erwerbsvorgang iSd § 1 Abs 1 GrEStG kommt, muss dem ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs 2 oder Abs 3 GrEStG vorangegangen sein („Differenzbesteuerung“). Im vorliegenden Fall hatte sich das BFG mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Anrechnung ebenso möglich ist, wenn Abs 3 abstrakt anwendbar ist, im konkreten Fall jedoch durch Abs 2a verdrängt wird.
BFG 20. 3. 2025, RV/7102097/2024
Sachverhalt
Eine GmbH & Co OG („OG“) war im vorliegenden Fall grundbücherliche Eigentümerin einer Liegenschaft. Der Grundstückswert betrug 19.835.030,01 €. Die Anteile der bisherigen Gesellschafterinnen wurden im Rahmen eines Share Deals am 23. 5. 2023 um 29.320.495,49 € an die Bf übertragen, wobei die OG weiterhin grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaften blieb. Eine logische Sekunde vor Austritt der bisherigen Arbeitsgesellschafterin trat die B GmbH in die OG ein, sodass der Austritt der bisherigen Gesellschafterinnen nicht zu einer Anwachsung führte.
Am 10. 7. 2023 schloss die Bf einen Verschmelzungsvertrag, bei dem unter Inanspruchnahme des Art I UmgrStG die B GmbH rückwirkend zum 31. 5. 2023 auf die Bf verschmolzen wurde. Dadurch verblieb die Bf als einzige Gesellschafterin in der OG, wodurch es zu einer Anwachsung iSd § 142 UGB kam und das Vermögen – inkl der Grundstücke – ex lege auf die Bf überging. Die Bf war der Ansicht, dass der Share Deal die Voraussetzungen des § 1 Abs 3 GrEStG erfüllt und damit eine Anrechnung der geleisteten Grunderwerbsteuer auf die – auf die Anwachsung entfallende – Grunderwerbsteuer gem § 1 Abs 4 GrEStG stattfindet.
Entscheidung des BFG
Nach stRsp des VwGH (vgl ua VwGH 26. 1. 1995, 94/16/0139) löst jeder Erwerbsvorgang selbstständig die Grunderwerbsteuerpflicht aus. Bei einer Anwachsung iSd § 142 UGB handelt es sich – wie der VwGH (4. 5. 2023, Ro 2020/16/0013) bereits festgestellt hat – um einen Erwerb von der Personengesellschaft und nicht nur vom zuletzt ausgeschiedenen Gesellschafter. Damit ist die Mindestbemessungsgrundlage der gesamte Grundstückswert und nicht bloß ein der Beteiligungsquote entsprechender Anteil. Die Anwachsung stellt dabei einen Erwerbsvorgang iSd § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG dar. Aufgrund der Verschmelzung ist der begünstigte Steuersatz von 0,5 % (§ 7 Abs 1 Z 2 lit c GrEStG) anzuwenden.
Die Differenzbesteuerung gem § 1 Abs 4 GrEStG erfolgt bei Personengesellschaften nur dann, wenn bestimmte Erwerbsvorgänge in einer bestimmten Reihenfolge auftreten. Bei der Besteuerung nach § 1 Abs 1 GrEStG – wie sie bei der Anwachsung vorliegt – ist sie dem Wortlaut nach nur vorgesehen, wenn dem ein Rechtsvorgang iSd § 1 Abs 2 oder Abs 3 GrEStG vorausgegangen ist.
Damit muss qualifiziert werden, ob der Share Deal einen Rechtsvorgang iSd § 1 Abs 3 GrEStG darstellt. Der VwGH (13. 12. 2022, Ra 2021/16/0082) hat hierzu bereits festgestellt, dass § 1 Abs 3 GrEStG nur subsidiär zu § 1 Abs 2a GrEStG zur Anwendung kommt. Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen von beiden Bestimmungen erfüllt, weil einerseits mehr als 95 % aller Gesellschaftsanteile auf die Bf als neue Gesellschafterin übertragen worden sind und andererseits das Rechtsgeschäft der Bf einen Anspruch auf Übertragung von 100 % der Anteile begründet hat. Aufgrund des Vorranges von § 1 Abs 2a GrEStG war damit gem § 9 Abs 3 lit a GrEStG nur die Personengesellschaft die Steuerschuldnerin.
§ 1 Abs 4 GrEStG sieht keine Möglichkeit der Anrechnung von Anteilsübertragungen iSd § 1 Abs 2a GrEStG vor. Ob in solchen Fällen der Anwendungsbereich des § 1 Abs 4 GrEStG ausgeweitet werden kann, ist nach der Lit fraglich (vgl Allram/Pinetz/Klokar in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner [Hrsg], GrEStG2 [2024] § 1 Rz 988).
Nach Auffassung des BFG ist außerdem „[d]em Wesen der GrESt als Rechtverkehrsteuer immanent“, dass nur auf die formale Rechtsträgeridentität abzustellen ist. Damit bildet Differenzsteuer nach § 1 Abs 4 GrEStG die Ausnahme, wobei es eine Grundvoraussetzung darstellt, dass beide Rechtsvorgänge zwischen den gleichen Vertragspartnern stattfinden (VwGH 19. 11. 1962, 2270/60; 19. 5. 1983, 16/2527/80 uvm). Abweichungen davon ergäben sich nur aus § 1 Abs 5 GrEStG, der allerdings nur bei Übertragungen innerhalb der gleichen Unternehmensgruppe Anwendung findet (vgl N. Arnold in Arnold/Bodis [Hrsg], Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 [17. Lfg 2020] zu § 1 GrEStG, Rz 431). Das BFG spricht sich hierbei gegen das Vorliegen einer echten Lücke aus, weil mit dem JStG 2018 (BGBl I 2018/62) nur der § 1 Abs 5 GrEStG, nicht aber der § 1 Abs 4 GrEStG angepasst worden ist. Im vorliegenden Fall hingegen liegt die für die Differenzbesteuerung notwendige Personenidentität nicht vor.
Insgesamt kommt das BFG zum Ergebnis, dass beim 2. Erwerbsvorgang keine Differenzbesteuerung iSd § 1 Abs 4 GrEStG vorzunehmen ist.
Die Revision hat das BFG für zulässig erklärt.
Conclusio
Der vorliegende Fall setzt sich mit der Frage auseinander, ob für die Anwendung der Differenzbesteuerung iSd § 1 Abs 4 GrEStG die abstrakte Anwendbarkeit des § 1 Abs 3 GrEStG ausreicht, oder, ob dieser auch konkret anwendbar sein muss. Das Problem ergibt sich insb mit Hinblick darauf, dass § 1 Abs 2a GrEStG und § 1 Abs 3 GrEStG zeitgleich erfüllt sein können, wobei hierbei § 1 Abs 2a GrEStG der Vorrang zukommt. § 1 Abs 2a GrEStG erfüllt allerdings die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung nicht. Für eben diesen Fall hat das BFG nun entschieden, dass § 1 Abs 3 GrEStG konkret anwendbar sein muss. Während das Ergebnis des BFG überzeugend ist, kann hierbei die Grundsatzfrage gestellt werden, aus welchem Grund keine Aufnahme des Abs 2a in die Differenzbesteuerung erfolgt ist. Die Grundüberlegung des Abs 2a ist, dass „die sachenrechtliche Verfügung über ein Grundstück der wesentlichen Änderung des Gesellschafterbestands an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbar ist“ (Allram/Pinetz/Klokar in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner [Hrsg], GrEStG2 [2024] § 1 Rz 794). Warum damit eine Ungleichbehandlung zwischen Fällen, in denen 95 % aller Anteile in der Hand des Erwerbers vereint werden (Abs 3), und Fällen des § 1 Abs 2a GrEStG stattfindet, leuchtet nicht ein, geht es hierbei doch in beiden Fällen um das Übertragen der faktischen Verfügungsmacht an den Grundstücken. Eine Aufnahme von Abs 2a in die Differenzbesteuerung schiene aus dieser Perspektive wünschenswert.
Ein weiterer spannender Aspekt betrifft die Rechtsträgeridentität. Der VwGH hat für die Differenzbesteuerung in stRsp festgestellt, dass beide Vertragsparteien ident sein müssen (vgl VwGH 27. 5. 1999, 98/16/0304; 20. 2. 2003, 2001/16/0477). Die Schwierigkeit liegt darin, festzustellen, wann besagte Identität vorliegt – die UmgrStR 2002 (Rz 346) sehen hier bei Anteilsvereinigungen iSd § 1 Abs 3 GrEStG und darauffolgenden Umgründungen in einer gewissen Konstellation Personenidentität vor. Folgt man einer engen Auslegung, so könnte es bei einer Anwachsung iSd § 142 UGB wohl nie zur Anwendung der Differenzbesteuerung kommen, weil die Personengesellschaft untergeht und daher bei darauffolgenden Erwerbsvorgängen keine Rechtsträgeridentität vorliegen kann.
Für die Praxis bedeutet das vorerst allerdings insb, dass man aktiv darauf achten muss, die Anwendbarkeit des § 1 Abs 2a GrEStG zu vermeiden. Die bloß abstrakte Erfüllung der Voraussetzungen des Abs 3 führt hier nicht zu einer Anrechnung und damit zu einer vergleichsweise wesentlich höheren Steuerbelastung.