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BFG: Anwendungsbereich des § 28 Abs 52 lit a UStG

Bearbeiter: Matthias Zaman

UStG 1994: § 28 Abs 52 lit a

Abstract

Für den Zeitraum vom 30. 6. 2020 bis 31. 12. 2021 sah § 28 Abs 52 lit a UStG einen ermäßigten Steuersatz von 5 % auf die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von Getränken iSd § 111 Abs 1 GewO vor. Das BFG hatte zu beurteilen, ob die Leistungen in den unter die Systemgastronomie fallenden Betrieben der Beschwerdeführerin (Bf) die Anwendung des begünstigten Steuersatzes des § 28 Abs 52 lit a UStG erlauben. Im vorliegenden Fall war nach dem BFG der begünstigte Steuersatz des § 28 Abs 52 lit a UStG nicht anzuwenden, da die erworbenen Speisen von den Kunden überwiegend nicht direkt im Lokal verzehrt, sondern zum späteren Verzehr mitgenommen wurden.

BFG 5. 2. 2025, RV/7100166/2022

Sachverhalt

Die Bf verfügt über verschiedene Gewerbeberechtigungen im Bereich der Gastronomie. Diese betreibt fünf Filialen im Bereich der Systemgastronomie. Im Sortiment befinden sich belegte Weckerl, heiße Snacks, Mehlspeisen, Backwaren und Getränke.

Bei der Bf fand eine Außenprüfung des Finanzamtes (FA) statt, wobei Gegenstand der Prüfung die Umsatzsteuer für den Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 war. Im Prüfungszeitraum hat die Bf sämtliche Umsätze dem ermäßigten Steuersatz von 5 % gem § 28 Abs 52 lit a UStG unterworfen. Im Zuge der Außenprüfung folgte das FA dieser Beurteilung der Bf nicht und wandte im Festsetzungsbescheid auf einige Produkte der Bf den Regelsteuersatz von 20 % oder den ermäßigten Steuersatz von 10 % an.

Das FA begründete seine Auffassung damit, dass es sich bei den Betrieben der Bf um gemischte Betriebe, ähnlich wie Konditoreien oder Fleischhauereien handle. Der begünstigte Steuersatz von 5 % sei jedoch dann nicht anzuwenden, wenn bei den Umsätzen Handelselemente im Vordergrund stehen würden oder die erworbenen Waren nicht zum sofortigen Verzehr an Ort und Stelle ausgerichtet seien. Gegen diese Festsetzungsbescheide erhob die Bf Beschwerde vor dem BFG.

Entscheidung des BFG

Gem § 28 Abs 52 lit a UStG unterliegt die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken iSd § 111 Abs 1 GewO für den Zeitraum von 30. 6. 2020 bis 31. 12. 2021 einem ermäßigten Steuersatz von 5 %. Tätigkeiten, die nicht auf den sofortigen Verzehr an Ort und Stelle ausgerichtet sind, können nicht von der Begünstigung profitieren (vgl Kollmann in Melhardt/Tumpel [Hrsg], UStG3 [2021] § 28 Rz 158). Bei einem Restaurantbetrieb sollen nach dem BFG daher nur die Abholung und Zustellung von Speisen, die normalerweise vor Ort konsumiert werden, unter die Ermäßigung fallen. Erfolgt der Verzehr der abgeholten oder zugestellten Speisen normalerweise nicht vor Ort, ist die Ermäßigung daher nicht anwendbar. Jedoch ist nach dem BFG die Zustellung oder Bereitstellung zur Abholung (Mitnahme) von warmen Speisen, angerichteten kalten Speisen (zB angemachten Salaten) und offenen Getränken für Zwecke der Ermäßigung als eine Verabreichung von Speisen bzw Ausschank von Getränken iSd § 111 Abs 1 GewO anzusehen. Zusammenfassend können daher nur warme Speisen, angerichtete kalte Speisen und offene Getränke dem Steuersatz von 5 % unterliegen.

Die Bf betrieb fünf Filialen, in denen belegte Weckerl, heiße Snacks, Mehlspeisen, Backwaren sowie kalte und warme Getränke zum Verkauf angeboten werden. Die Produkte werden laufend frisch gebacken und zubereitet. Die Zubereitung erfolgt in festgelegten Arbeitsschritten. Die Produkte werden unverpackt in Verkaufsvitrinen angeboten. Die Kunden können sich nach dem Erwerb der Produkte entscheiden, ob sie diese im jeweiligen Lokal am Tisch oder unterwegs verzehren. Die Mitarbeiter säubern die Essbereiche sowie die Tische und räumen diese ab. Die Bf verfügt über keine Aufzeichnungen des Verhältnisses von Takeaway-Geschäft und Lokalkonsumation. Eine Begünstigung ist jedoch dann – wie einleitend ausgeführt – nicht anzuwenden, wenn Handelselemente im Vordergrund stünden oder sie nicht auf den sofortigen Verzehr an Ort und Stelle ausgerichtet seien.

Entgegen dem Vorbringen der Bf ist für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht entscheidend, dass diese als Gastronomiebetrieb anzusehen sei und auch über die nötigen gewerberechtlichen Berechtigungen verfüge. Entscheidend ist die Art des Konsums. Auch sprechen für das BFG die Erfahrungen des täglichen Lebens bei einem Unternehmen wie das der Bf dafür, dass ein Großteil der Gäste die Speisen nicht an Ort und Stelle verzehrt, sondern mitnimmt. Dementsprechend sind auch die für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgestellten Vorrichtungen (Tische) dimensioniert.

Darüber hinaus hatte das BFG zu beantworten, ob die von der Bf angebotenen kalten Snacks und Jausenweckerl als angerichtete kalte Speisen zu qualifizieren sind, die unter die Begünstigung fallen. Das BFG verweist zunächst auf die Lit und Rsp zu § 111 Abs 1 GewO, nach der angemachte Salate, kalte Platten oder kalte Buffets Beispiele für angerichtete kalte Speisen sind. Auf Basis der Prozessbeschreibungen zur Zubereitung der kalten Snacks und Jausenweckerl der Bf ist das BFG jedoch davon ausgegangen, dass diese eine deutlich weniger aufwändige Zubereitung bedingen. Damit sind dem BFG folgend die kalten Snacks und Jausenweckerl nicht als angerichtete kalte Speisen einzuordnen. Auch die Rsp des EuGH (22. 4. 2021, C-703/19, J.K.) zur Auslegung des Begriffs der Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen erfordert keine davon abweichende Beurteilung.

Vor diesem Hintergrund ist dem BFG zufolge dem FA nicht entgegenzutreten, wenn dieses nur die Umsätze aus dem Verkauf warmer Snacks und warmer und offener Getränke als zum Verzehr vor Ort bestimmt angesehen hat und damit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 5 % unterworfen hat. Auf andere Umsätze ist mangels Bestimmung zum sofortigen Verzehr der Normalsteuersatz von 20 % oder der ermäßigte Steuersatz von 10 % zu anzuwenden. Daher war die Beschwerde abzuweisen.

Conclusio

Das hier besprochene Erkenntnis ist die zweite Entscheidung des BFG zur Vorschrift des § 28 Abs 52 lit a UStG. Im diesem vorangegangen Erkenntnis des BFG (20. 6. 2024, RV/6100392/2023) sprach das BFG aus, dass die Bestimmung des § 28 Abs 52 lit a UStG den Vorgaben der MwStSyst-RL widerspricht: Die MwStSyst-RL erlaubt den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht mehr als zwei ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Daher ist § 28 Abs 52 lit a UStG in richtlinienkonformer Interpretation möglichst eng auszulegen (siehe bereits Mayr, Der befristete ermäßigte Umsatzsteuersatz von 5%, SWK 2020, 1146). Eine unmittelbare Anwendung der MwStSyst-RL scheitert jedoch, da der Vorrang des Unionsrechts nicht zulasten des Abgabepflichtigen gehen darf (VwGH 5. 9. 2012, 2009/15/0213). Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung hat nach dem BFG zur Folge, dass unter einer Verabreichung von Speisen und unter einem Ausschank von Getränken nicht auch ein Verkauf von Speisen und Getränken zur Mitnahme zu verstehen ist, auch wenn es sich dabei um warme Speisen und angerichtete kalte Speisen handelt. Auch legt das BFG den Verweis des § 111 Abs 1 GewO dahin gehend aus, dass die in § 111 Abs 2 GewO genannten Betriebsarten, für die kein Befähigungsnachweis für das Gastgewerbe erforderlich ist, nicht von der Begünstigung erfasst sind.

Vor diesem Hintergrund überrascht, dass das BFG in der hier besprochenen Entscheidung sich nicht mit der Unionsrechtskonformität des § 28 Abs 52 lit a UStG auseinandergesetzt hat. Die volle Kognitionsbefugnis des BFG (Sutter in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht [2014] 271 f; Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 [2023] § 269 BAO Rz 5) hätte auch ohne Vorbringen der Parteien eine nähere Befassung damit zugelassen. Dies ist einerseits bedeutend, da der Entscheidung nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob die Bf tatsächlich als Gastronomiebetrieb iSd § 111 Abs 1 GewO einzustufen ist, oder bloß unter eine der Betriebsarten des § 111 Abs 2 GewO fällt, auf die nach der älteren Rsp des BFG die Begünstigung nicht anzuwenden ist. Dies ist hervorzuheben, da der ersten Entscheidung des BFG zu § 28 Abs 52 lit a UStG auch ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag: In diesem hatte das BFG ebenso über eine Selbstbedienungsbäckerei der Systemgastronomie abgesprochen. Andererseits hat das BFG im vorliegenden Erkenntnis die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des FA auf warme Speisen zur Mitnahme nicht infrage gestellt, obwohl das BFG in der früheren Entscheidung die Begünstigung auch für diese warmen Speisen ausdrücklich abgelehnt hat. Mangels Auseinandersetzung mit der unionsrechtlichen Dimension des § 28 Abs 52 lit a UStG hat das BFG im Ergebnis eine für den Steuerpflichtigen günstige Entscheidung getroffen, weil dieses die Anwendung der Begünstigung zumindest teilweise zugelassen hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36704 vom 07.05.2025