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Abstract
Das BFG hatte über eine Beschwerde gegen einen Berichtigungsbescheid gem § 293 BAO zu entscheiden. Berichtigt werden sollte ein Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO, in dem sich ursprünglich keine Begründung der Ermessensübung fand. Da der Bf jedoch bereits vor Erlassen des Berichtigungsbescheides die Direktvorlage der Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid beantragt hatte, war bereits die Entscheidungssperre des § 300 Abs 1 erster Satz BAO eingetreten. Im Ergebnis erachtete das BFG den ergangenen Berichtigungsbescheid daher als Nichtbescheid und wies die dagegen gerichtete Beschwerde zurück.
BFG 24. 6. 2022, RV/7100860/2022
Sachverhalt
Im Dezember 2021 hob die belangte Behörde den erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheid 2019 des Bf gem § 299 BAO auf. In der Begründung wurde nur der Gesetzestext wiedergegeben, demzufolge Aufhebungen nach § 299 BAO möglich sind, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist. Die Ermessensübung wurde nicht begründet.
Zeitgleich erließ das FA einen neuen Einkommensteuerbescheid 2019, der gegenüber der bisherigen Festsetzung zu einer Nachforderung führte. Sowohl gegen den Aufhebungsbescheid als auch gegen den neuen Sachbescheid erhob der Bf fristgerecht Beschwerde und beantragte gem § 262 Abs 2 BAO das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung. Nach Eingang der Beschwerde bei der belangten Behörde erging schließlich ein Berichtigungsbescheid gem § 293 BAO, der die Begründung des Aufhebungsbescheides nach § 299 BAO ergänzen sollte. § 293 sei anwendbar, so die Behörde, da unter Einsatz einer automationsunterstützen Datenverarbeitung die Textfelder für die Begründungen vertauscht worden waren, sodass sich die für die Aufhebung erforderliche Ermessensübung am neuen Sachbescheid fand. Gegen den Berichtigungsbescheid erhob der Bf die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Auch in diesem Fall wurde die Direktvorlage der Beschwerde beantragt, der das FA auch entsprach.
Entscheidung des BFG
§ 300 Abs 1 BAO Satz 1 lautet: „Ab Vorlage der Beschwerde (§ 265) bzw. ab Einbringung einer Vorlageerinnerung (§ 264 Abs 6) bzw. in den Fällen des § 262 Abs 2 bis 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde können Abgabenbehörden beim Verwaltungsgericht mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide und allfällige Beschwerdevorentscheidungen bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben.“
Der Rsp des VwGH zufolge soll diese sog „Entscheidungssperre“ die gleichzeitige Zuständigkeit der Abgabenbehörde und des Verwaltungsgerichts verhindern (VwGH 22. 10. 2015, Ro 2015/15/0035). Die Bestimmung bewirkt insbesondere, dass die Abgabenbehörde in der vom BFG zu entscheidenden Sache ab dem genannten Zeitpunkt keine Beschwerdevorentscheidung mehr erlassen kann: Beginnt die Behörde etwa während eines beim BFG anhängigen Beschwerdeverfahrens eine Außenprüfung, so sind die getroffenen Feststellungen nur im Erkenntnis des BFG zu verwerten (vgl Lenneis in FS Tanzer [2014], 86). Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass die Entscheidungsbefugnis des BFG nur die Sache des Beschwerdeverfahrens umfasst; über diese Sache hinaus darf das BFG nicht entscheiden.
Im Erkenntnis BFG 15. 4. 2019, RV/6100508/2018 knüpfte das BFG an diese Aussagen des VwGH an und erachtete die Aufhebung (§ 299 BAO) eines Bescheides als zulässig, obwohl im Zeitpunkt der Aufhebung bereits eine Beschwerde gegen einen Bescheid anhängig war, der den nun aufgehobenen Sachbescheid gem § 293b BAO berichtigt hatte. Begründend führte das BFG aus, dass es im Rahmen des zweitgenannten Beschwerdeverfahrens nur über die Berichtigung abzusprechen hatte, nicht jedoch über die Aufhebung des berichtigten Bescheides. Im Ergebnis konnte es durch die Aufhebung des Sachbescheides nicht zu einer Zuständigkeitskonkurrenz iSd § 300 BAO kommen.
Im vorliegenden Sachverhalt sah das BFG den umgekehrten Fall verwirklicht: Ein Aufhebungsbescheid sollte gem § 293 BAO berichtigt werden, obwohl die Entscheidungssperre des § 300 BAO aufgrund einer Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid bereits eingetreten war. Das BFG hat in letzterem Verfahren zu klären, ob die Aufhebung rechtmäßig erfolgte. Dafür ist die Begründung des Aufhebungsbescheides entscheidend, da sich dort die Gründe für die Aufhebung finden, wodurch der Prozessgegenstand festgelegt wird (Hinweis auf VwGH 26. 4. 2012, 2009/15/0119). Wird diese Begründung durch eine Berichtigung gem § 293 BAO geändert, greift die Behörde in das Verfahren vor dem BFG ein, was durch § 300 BAO verhindert werden soll.
Der verfahrensgegenständliche Berichtigungsbescheid stellt somit, wie das BFG festhält, einen rechtswidrigen Eingriff der Abgabenbehörde in die Kompetenz des Verwaltungsgerichts dar; dies führt zur Nichtigkeit des Berichtigungsbescheides. Die vorliegende Beschwerde bezieht sich somit auf eine behördliche Erledigung, der keine Bescheidqualität zukommt. Das Rechtsmittel ist daher nicht zulässig und gem § 260 Abs 1 lit a BAO mit Beschluss zurückzuweisen (VwGH 15. 2. 2006, 2005/13/0179). Die Revision ließ das BFG nicht zu.
Conclusio
Die vorliegende Entscheidung des BFG ist ein anschauliches Praxisbeispiel für die Entscheidungssperre nach § 300 Abs 1 erster Satz BAO, die Zuständigkeitskonkurrenzen verhindern soll. Wie das BFG zutreffend ausführt, ist für die Reichweite dieser Bestimmung wesentlich, was der Entscheidungsgegenstand der vor dem BFG anhängigen Beschwerde ist. Ist, wie beim Erkenntnis BFG 15. 4. 2019, RV/6100508/2018 lediglich die Berichtigung eines Sachbescheides gem § 293 BAO angefochten, so steht die Entscheidungssperre einer Aufhebung des berichtigten Sachbescheides (§ 299 BAO) nicht im Wege. Dagegen kann im Fall der Beschwerde gegen einen Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO dieser nicht mehr gem § 293 BAO berichtigt werden. Andernfalls läge eine Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Abgabenbehörde und Verwaltungsgericht vor. Missachtet die Behörde die Entscheidungssperre, so liegt ein Nichtbescheid vor. Dagegen gerichtete Beschwerden sind – wie im vorliegenden Fall – zurückzuweisen.