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BFG: Auflösung des Gewinnfreibetrages gem § 10 Abs 5 EStG bei einer Betriebsaufgabe

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

EStG: § 10 Abs 5

Abstract

Um einen investitionsbedingten Gewinnfreibetrag zu erhalten, müssen Wirtschaftsgüter gem § 10 Abs 5 EStG mindestens vier Jahre dem Betriebsvermögen angehören. Im konkreten Fall war umstritten, was gilt, wenn der Betrieb innerhalb dieser vierjährigen Frist eingestellt wird. Nach dem BFG ist § 10 Abs 5 EStG ein „nachträgliches Betriebsvermögen“ nicht zu entnehmen. Die Behaltefrist bezieht sich auf die Betriebsvermögenseigenschaft der Wertpapiere und nicht auf die das Wirtschaftsgut haltende natürliche Person. Da mit der Betriebsaufgabe die betriebliche Sphäre erloschen ist, kann das fortgesetzte Halten der Wertpapiere im Privatvermögen nicht dazu führen, dass die Wertpapiere für die Dauer der gesetzlichen Behaltefrist dem Betriebsvermögen zuordenbar gewertet werden.

BFG 29. 2. 2024, RV/6100183/2022

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat mit 31. 3. 2018 seinen Betrieb als Arzt aufgegeben. Im Betriebsvermögen befanden sich zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe unter anderem von 2014 bis 2017 erworbene Wertpapiere, für welche investitionsbedingte Gewinnfreibeträge gem § 10 EStG geltend gemacht worden waren. Die Betriebsaufgabe erfolgte nicht wegen höherer Gewalt oder wegen eines behördlichen Eingriffs gem § 10 Abs 5 letzter Satz EStG.

Entscheidung des BFG

Strittig war die Rechtsfrage, ob im Zuge einer Betriebsaufgabe, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht zumindest vier Jahre im Betriebsvermögen gehaltenen Wertpapiere, für die ein Gewinnfreibetrag in Anspruch genommen wurde, zwingend nachzuversteuern sind oder die Behaltefrist auch nach der Betriebsaufgabe durch weiteres Halten der Wertpapiere erfüllt werden kann. Wie das BFG zu dieser Frage bereits in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, müssen Wertpapiere, für die eine Inanspruchnahme des Gewinnfreibetrages nach § 10 EStG begehrt wurde, ab dem Anschaffungszeitpunkt mindestens vier Jahre dem Anlagevermögen des Betriebes angehören (BFG 14. 5. 2018, RV/7100382/2013; 1. 2. 2021, RV/5100968/2018; 3. 2. 2023, RV/6100182/2022). Eine Betriebsaufgabe führt hinsichtlich der nicht veräußerten Wertpapiere dazu, dass diese aus dem Betriebsvermögen ausscheiden und dem Privatvermögen des ehemaligen Betriebsinhabers zuzurechnen sind. Ob die Wertpapiere in der Folge weiterhin von der gleichen natürlichen Person gehalten werden oder nicht, ist belanglos.

Die Betriebsaufgabe bewirkt zwangsläufig das Ausscheiden der Wertpapiere aus dem Betriebsvermögen, welche im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe ins Privatvermögen des Beschwerdeführers übergehen. Für die Annahme eines „nachträglichen Betriebsvermögens“ besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Behaltefrist bezieht sich nicht auf die natürliche Person des Beschwerdeführers, sondern auf die Betriebsvermögenseigenschaft der Wertpapiere. Da zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe die betriebliche Sphäre erloschen ist, kann das fortgesetzte Halten im Privatvermögen nicht dazu führen, dass der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag nicht gewinnerhöhend anzusetzen ist.

Es besteht keine Notwendigkeit, vom Wortlaut des Gesetzes im Sinne einer teleologischen Interpretation abzuweichen. Der Zweck von § 10 Abs 5 EStG besteht nicht in der Gleichbehandlung von betrieblichen und nichtbetrieblichen Einkünften, sondern vielmehr in der Stärkung von Eigenkapital im Betriebsvermögen. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 10 Abs 5 EStG, weil diese Zielsetzung und deren Umsetzung im Gestaltungsspielraum des einfachen Bundesgesetzgebers liegt.

Zur Frage der Nachversteuerung von mit Wertpapieren gedeckten Gewinnfreibeträgen bei einer Betriebsaufgabe existiert zwar eine einheitliche Rechtsprechung des BFG und eine zustimmende herrschende Ansicht in der Lehre, es existiert jedoch keine Rechtsprechung des VwGH. Die Revision war daher aus diesem Grund zuzulassen.

Conclusio

Der Fall der Betriebsaufgabe wird in § 10 Abs 5 EStG nicht geregelt. § 10 Abs 5 letzter Satz EStG regelt nur, dass der gewinnerhöhende Ansatz im Fall des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes infolge höherer Gewalt oder eines behördlichen Eingriffs zu unterbleiben hat. Nach Beiser (Der Gewinnfreibetrag im Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe, SWK 2017, 498) bleibt auch im Fall der Betreibsaufgabe der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag erhalten, da die Wertpapiere nach der Betriebsaufgabe bis zum Ende der Behaltefrist in einem notwendigen „nachträglichen Betriebsvermögen“ gehalten werden würden. Diese Ansicht wird aber von der überwiegenden Literatur abgelehnt. Nach Atzmüller (Nochmals: Der Gewinnfreibetrag im Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe, SWK 2017, 655) führt die Betreibsaufgabe zur Nachversteuerung, da die Wertpapiere nach Erlöschen des Betriebes keine betrieblichen Investitionen mehr finanzieren können. Auch nach M. Mayer (Nachversteuerung bei Betriebsaufgabe innerhalb der Behaltefrist von Gewinnfreibetragswertpapieren, BFGjournal 2020, 240) hat eine entsprechende Nachversteuerung zu erfolgen. Dieser Ansicht, die auch ständige Rechtsprechung des BFG ist (BFG 14. 5. 2018, RV/7100382/2013; 1. 2. 2021, RV/5100968/2018; 3. 2. 2023, RV/6100182/2022), ist zuzustimmen, da sich auch aus dem Wortlaut von § 10 Abs 5 EStG nichts anderes ergibt. Rechtsprechung des VwGH besteht zur Frage der Nachversteuerung von mit Wertpapieren gedeckten Gewinnfreibeträgen noch nicht, aber im konkreten Fall wurde – soweit ersichtlich – keine Revision erhoben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35849 vom 12.09.2024