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Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, ob Aufwendungen für die Sanierung oder den Austausch von gesundheitsgefährdenden Gegenständen als außergewöhnliche Belastung gem § 34 EStG berücksichtigt werden können. Nach Ansicht des FA waren die Aufwendungen für die Sanierung ausschließlich infolge von Baumängeln am Gebäude notwendig gewesen. Zudem hätten die Sanierungskosten bloß der Erhaltung des Wertes des Familienwohnsitzes gedient, weshalb die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nicht anerkannt wurden. Davon abweichend berücksichtigte das BFG die Sanierungskosten für die Behebung des gesundheitsschädlichen Zustandes als außergewöhnliche Belastung.
BFG 27. 9. 2023, RV/6100063/2023
Sachverhalt
Der Bf machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2020 außergewöhnliche Belastungen iHv rund EUR 266.000 geltend. Diese Kosten entstanden durch die Sanierung des mit gesundheitsschädlichem Hausschwamm (Serpula Lacrymans) befallen Familienwohnsitzes. Mangels Außergewöhnlichkeit erkannte das FA die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Vielmehr hätten die betreffenden Sanierungsaufwendungen der bloßen Erhaltung des Familienwohnsitzes gedient, zumal die entstandenen Kosten aufgrund von Baumängeln ohnehin notwendig gewesen wären. Der Bf erhob gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 Beschwerde und führte aus, dass die Sanierungsaufwendungen nicht der Erhaltung des Gebäudewertes dienten. Die Sanierungsarbeiten seien vielmehr durch den Hausschwammbefall notwendig gewesen, um eine Zerstörung der Gebäudesubstanz zu verhindern. Andernfalls wäre das Gebäude aufgrund der unkontrollierten Ausbreitung des Hausschwammes innerhalb kurzer Zeit aus bautechnischen und gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewohnbar gewesen. In der Beschwerdevorentscheidung verwies das FA im Wesentlichen auf die Bescheidbegründung und wies die Beschwerde ab. Gegen die Beschwerdevorentscheidung beantragte der Bf die Vorlage an das BFG.
Entscheidung des BFG
Im beschwerdegegenständlichen Fall ist strittig, ob Aufwendungen für die Sanierung des mit echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastung gem § 34 EStG erfüllen. Nach § 34 Abs 1 EStG können bei der Einkommensermittlung unbeschränkt Steuerpflichtiger nach Abzug der Sonderausgaben iSd § 18 EStG außergewöhnliche Belastungen nur berücksichtigt werden, soweit diese (Z 1) außergewöhnlich sind, (Z 2) zwangsläufig erwachsen und (Z 3) die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen. § 34 EStG räumt den Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf Abzug außergewöhnlicher Belastungen ein, sofern die Merkmale des § 34 Abs 1 EStG kumulativ vorliegen (Peyerl, Jakom EStG16 [2023] § 34 Rz 4).
Im Rahmen der Beweiswürdigung ist zunächst festzustellen, ob es sich bei den betreffenden Sanierungsaufwendungen, wie vom FA vorgebracht, bloß um die Behebung eines Baumangels handelte oder ob die getätigten Aufwände des Bf tatsächlich anlässlich der Beseitigung des Hausschwammbefalls erfolgten. Aufgrund der vorliegenden Dokumente ist davon auszugehen, dass die beschwerdegegenständlichen Sanierungsaufwendungen rein der Bekämpfung des Hausschwammes dienten.
Nachdem im Beschwerdefall aufgrund des Hausschwammbefalls die unmittelbare Unbewohnbarkeit und der Verfall des einzigen Wohngebäudes des Bf und seiner Familie bevorstanden, sind die zur Beseitigung des Hausschwammes erforderlichen Aufwendungen als außergewöhnlich und zwangsläufig iSd § 34 Abs 1 Z 1 und Z 2 anzusehen. Die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gem § 34 Abs 1 EStG ist ebenfalls gegeben, weil diese durch den Selbstbehalt iSd § 34 Abs 4 EStG berücksichtigt wird. Überdies ist auf den BFH zu verweisen, der bei vergleichbarer Rechtslage Aufwendungen für die Sanierung eines mit echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hat (vgl BFH 29. 3. 2012, VI R 7010).
Das BFG erkannte somit die Aufwendungen für die Bekämpfung des Hausschwammes als außergewöhnliche Belastungen an, weshalb der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid gem § 279 Abs 1 BAO abgeändert wurde. Überdies wurde die Revision zugelassen, weil zur Rechtsfrage, ob Aufwendungen für die Sanierung oder den Austausch von gesundheitsgefährdenden Gegenständen des existenznotwendigen Bedarfs als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind, keine Rsp des VwGH vorliegt. Soweit ersichtlich wurde die Revision jedoch nicht erhoben.
Conclusio
Das BFG hat in der vorliegenden E ausgesprochen, dass Aufwendungen für die Sanierung oder den Austausch von existenznotwendigen Gegenständen als zwangsläufig iSd § 34 Abs 1 Z 2 EStG angesehen werden können, sofern diese auf einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Demgegenüber hat das BFG in einem anderen Erk entschieden, dass Aufwendungen zur Reparatur, Sanierung oder Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern an einem Nebenwohnsitz nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. Dabei verwies das BFG auf die Rsp des VwGH (VwGH 5. 5. 2003, 99/15/0111 und VwGH 12. 2. 1989, 88/14/0164), wonach das Merkmal der Zwangsläufigkeit nur erfüllt ist, wenn dem Steuerpflichtigen die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung des zerstörten Wirtschaftsgutes nicht zumutbar ist (vgl BFG 20. 6. 2023, RV/3100142/2023). Nachdem der Hausschwammbefall den einzigen Familienwohnsitz der Familie des Bf betroffen hatte und die notwendigen Sanierungsschritte alternativlos waren, um die Bewohnbarkeit des Objektes zu gewährleisten, hat das BFG das Merkmal der Zwangsläufigkeit wohl zurecht bejaht. Unter Berücksichtigung der gegenständlichen E ist somit davon auszugehen, dass das Merkmal der Zwangsläufigkeit iSd § 34 Abs 1 Z 2 EStG idR erfüllt ist, wenn es sich um die Sanierung oder den Austausch eines existenznotwendigen Gegenstandes handelt (vgl Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 34 Rz 20 ff [Stand 1. 1. 2020, rdb.at]).
Das Merkmal der Außergewöhnlichkeit hat das BFG im gegenständlichen Fall ohne weitere Begründung als erfüllt angesehen. Nach dem Schrifttum ist eine Belastung außergewöhnlich, wenn sie höher ist als die, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst (vgl Peyerl, Jakom EStG16 [2023] § 34 Rz 36 mwN). Durch dieses Kriterium sollen außergewöhnliche Belastungen von typischerweise wiederkehrenden Aufwendungen der Lebensführung abgegrenzt werden (vgl Pülzl, ÖStZ 2001, 233 ff). Ausdrückliche Feststellungen diesbezüglich enthält die vorliegende Entscheidung nicht. Jedoch wird wohl davon auszugehen sein, dass Aufwendungen für die Sanierung eines mit Hausschwamm befallenen Gebäudes nicht der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen, weshalb die Außergewöhnlichkeit im Ergebnis bejaht werden kann.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Aufwendungen für die Sanierung oder Wiederherstellung von existenznotwendigen Wirtschaftsgütern (zB des einzigen Wohngebäudes) dem BFG zufolge als zwangsläufig iSd § 34 EStG einzustufen sind und somit – bei zusätzlichem Vorliegen der anderen Voraussetzungen nach § 34 EStG – als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Damit im Einklang stehen auch die Ausführungen des BFH, wonach „Voraussetzung [für die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung] ist, dass der Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen eine existentiell wichtige Bedeutung hat, keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind und die zerstörten oder beschädigten Vermögensgegenstände in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgehen“ (vgl BFH 29. 3. 2012, VI R 7010).