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BFG: Aufwendungen für in Österreich verbotene Leihmutterschaft sind keine außergewöhnliche Belastung – auch nicht bei einem männlichen Ehepaar

Bearbeiter: Michael Gleiss

EStG 1988: § 34

Abstract

Das BFG hatte über eine Beschwerde iZm einer außergewöhnlichen Belastung zu entscheiden. Fraglich war, ob der in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebende Bf Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend machen kann, die ihm erwachsen waren, da sein Sohn infolge einer Leihmutterschaft in den USA geboren wurde. Nach Ansicht des BFG liegt keine außergewöhnliche Belastung vor, da einerseits der Entschluss der Erfüllung des Kinderwunsches durch Leihmutterschaft eine freiwillige Entscheidung des Bf sei und andererseits die Leihmutterschaft in Österreich verboten ist. Die Revision ließ das BFG zu.

BFG 14. 11. 2023, RV/7100692/2021

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) ist mit einem Mann verheiratet und Vater eines Sohnes. Der Sohn wurde infolge einer Leihmutterschaft von einer in den USA lebenden Frau geboren. Die Leihmutterschaft entsprach US-amerikanischem Recht und auch die Elternschaft des Bf wurde nach US-Recht festgestellt. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Bf mit der Leihmutterschaft zusammenhängende Kosten (Eizellenspende, künstliche Befruchtung, Entgelt für Leihmutter, Rechtsberatung, nicht von Krankenversicherung gedeckte Behandlungskosten der Eizellenspenderin und Leihmutter, Reisekosten Eizellenspenderin und Leihmutter, Krankenversicherung) iHv etwa € 100.000 als außergewöhnliche Belastung geltend. Das FA erkannte die Aufwendungen nicht an und wies auf das in Österreich bestehende Verbot der Leihmutterschaft hin. Nach abweisender BVE erhob der Bf einen Vorlageantrag, sodass das BFG über die Beschwerde zu entscheiden hatte.

Entscheidung des BFG

Das BFG wies die Beschwerde mit folgender Begründung ab:

Strittig ist, ob die im Rahmen der Leihmutterschaft angefallenen Kosten eine außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG darstellen. Eine Berücksichtigung der Aufwendungen iSd § 34 EStG setzt voraus, dass diese außergewöhnlich sind (Abs 2), zwangsläufig erwachsen (Abs 3) und sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Zwangsläufig ist eine Belastung dann, wenn sich der Steuerpflichtige aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen ihr nicht entziehen kann (§ 34 Abs 3 EStG). Die Aufwendungen für die Leihmutterschaft beruhen weder auf rechtlichen noch auf sittlichen Gründen. Tatsächliche Gründe sind demgegenüber solche, die den Steuerpflichtigen unmittelbar selbst betreffen. Beispiele dafür sind Katastrophenschäden, unverschuldete Unfälle oder Krankheit. Die im vorliegenden Fall aus der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft resultierende Unmöglichkeit, gemeinsam Kinder zu zeugen, ist weder als Krankheit iSd § 34 EStG zu sehen noch stellt sie einen regelwidrigen Zustand eines oder beider Partner dar. Vielmehr beruht die ungewollte Kinderlosigkeit auf den biologischen Grenzen der Fortpflanzung (Hinweis auf BFH 10. 8. 2023, VI R 29/21).

Nicht einschlägig sind im vorliegenden Fall, so das BFG, die Entscheidungen des VwGH zur in jüngerer Rsp bejahten Frage, ob Aufwendungen iZm einer In-Vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung infrage kommen (Hinweis auf zB VwGH 24. 9. 2007, 2005/15/0138). Dies deshalb, da sich diese Erkenntnisse ausschließlich auf Fälle beziehen, in denen Frauen aufgrund Krankheit auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen konnten.

Zur Frage, ob Kosten iZm einer Leihmutterschaft als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können, existiert bislang in Österreich noch keine hg Rsp. Nach der Rsp des BFG stellen derartige Aufwendungen keine außergewöhnliche Belastung dar, da nicht anzunehmen ist, dass Kosten für ein in Österreich verbotenes Vorgehen in Folge der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung durch die Allgemeinheit getragen werden sollen (Hinweis auf BFG 30. 11. 2017, RV/7106459/2016).

Auch nach Rsp des BFH kommt eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht. Dies deshalb, da die Kosten iZm der Leihmutterschaft nicht aus einer rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Zwangslage erwachsen sind. Vielmehr beruht der Entschluss, eine Ersatzmutterschaft zu begründen, dem BFH zufolge auf einer freiwilligen Entscheidung ein Kind zu haben. Darüber hinaus weist der BFH darauf hin, dass ein Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 dEStG nur dann infrage kommt, wenn die Aufwendungen mit dem innerstaatlichen Recht im Einklang stehen. Da dies in Deutschland – ähnlich wie in Österreich – nicht der Fall ist, kommt eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nach Ansicht des BFH auch deshalb nicht in Betracht. Auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Unzulässigkeit der Leihmutterschaft hegte der BFH ausdrücklich nicht.

Die Rsp des BFG und des BFH berücksichtigend, kommt das BFG zum Schluss, dass der Geltendmachung der Aufwendungen für die Leihmutterschaft eine Absage zu erteilen ist. „Vordergründig“ beruht dies dem BFG zufolge auf der Überlegung, dass ein Verstoß gegen ein innerstaatliches Verbot die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen per se ausschließt. Die Revision ließ das BFG zu, da für die zugrundeliegende Rechtsfrage bislang keine hg Rsp existiert.

Conclusio

Das BFG begründet die Abweisung zweifach. Einerseits erachtet das BFG die Kosten für die Leihmutterschaft nicht als zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG, da diese nicht auf einer tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Zwangslage beruhen, sondern auf einer freiwillig getroffenen Entscheidung, Vater eines Kindes zu werden. Dem könnte wohl die – auch vom BFG angeführte – Rsp des VwGH entgegnet werden, in der die für eine künstliche Befruchtung angefallenen Kosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurden (siehe zB VwGH 24. 9. 2007, 2005/15/0138). Begründend hat der VwGH ausgeführt, dass aufgrund des öffentlichen Interesses der Gesellschaft an Kindern Zwangsläufigkeit iSd § 34 Abs 3 EStG vorliegt, obwohl auch im damaligen Verfahren der umgesetzte Kinderwunsch letztlich eine freiwillig getroffene Entscheidung war. Legt man diesen Maßstab nun auf den vorliegenden Fall um, wären wohl auch die Kosten iZm der Leihmutterschaft als zwangsläufig anzusehen. Das BFG zog diese Rsp jedoch deshalb nicht heran, da der Grund für die künstliche Befruchtung im vom VwGH entschiedenen Fall – anders als im vorliegenden Fall – in einer Krankheit lag. Dennoch könnte man diese Rsp mE durchaus übertragen, da letztendlich in beiden Fällen eine Unmöglichkeit bestand, den Kinderwunsch auf natürlichem Wege zu erfüllen.

Fraglich ist jedoch, ob eine außergewöhnliche Belastung auch dann vorliegen kann, wenn die Aufwendungen iZm einer Behandlung erwachsen sind, die nach innerstaatlichem Recht nicht zulässig wäre (vgl §§ 2 und 3 FMedG [Fortpflanzungsmedizingesetz]). Diese vom Gesetzgeber getroffene Wertungsentscheidung könnte nämlich torpediert werden, wenn die im Ausland angefallenen Aufwendungen für eine Leihmutterschaft insofern ins Inland geholt werden, als diese als außergewöhnliche Belastung (teilweise) von der Allgemeinheit getragen werden würden. Dem könnten jedoch wiederum gleichheitsrechtliche Argumente oder das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK entgegnet werden, da dem Bf wohl kein anderer Weg in die Elternschaft zustand. Sollte die für zulässig erklärte Revision erhoben werden, darf die Entscheidung des VwGH mit Spannung erwartet werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35067 vom 13.02.2024