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BFG: Auswahlermessen und Verbindungsgebot bei KESt-Haftung im Rahmen einer verdeckten Ausschüttung

Bearbeiter: Annina Schwärzli

EStG 1988: § 95

BAO: § 299 Abs 1, Abs 2

Abstract

Das BFG hatte sich im vorliegenden Fall nach Aufhebung seiner ursprünglichen Entscheidung durch den VwGH im fortgesetzten Verfahren im Rahmen der Ermittlung der KESt mit dem Verbindungsgebot des § 299 Abs 2 BAO auseinanderzusetzen. Diesem zufolge sind der Aufhebungsbescheid und der diesen ersetzende Bescheid grundsätzlich miteinander zu verbinden. Darüber hinaus hatte das BFG erneut zu beurteilen, ob es zur Haftung der ausschüttenden Gesellschaft oder des unmittelbaren Empfängers für die KESt kommt.

BFG 27. 7. 2023, RV/3100144/2023

Sachverhalt

Bei der beschwerdeführenden GmbH wurden im Rahmen einer die Jahre 2006 bis 2008 betreffenden Außenprüfung mehrere Vorgänge als verdeckte Ausschüttungen qualifiziert. Im Rahmen der Außenprüfung wurde auch von der steuerlichen Vertretung der GmbH beantragt, die KESt direkt dem Gesellschaftergeschäftsführer vorzuschreiben. Das Finanzamt erlies die Haftungs- und Abgabenbescheide jedoch trotzdem gegenüber der GmbH selbst. Diese erhob dagegen – die zu diesem Zeitpunkt noch vorgesehene – Berufung, woraufhin das Finanzamt die angefochtenen Haftungs- und Abgabenbescheide gem § 299 Abs 1 BAO aufhob und die Berufung folglich als unzulässig zurückwies. Das Finanzamt erließ erst rund zweieinhalb Monate später neue Haftungsbescheide, gegen die wiederum Berufung erhoben wurde. Nach anschließend erfolgtem Vorlageantrag hat das BFG der Beschwerde stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, weil durch die ersatzlose Aufhebung bereits eine Sachentscheidung vorlag. Darüber hinaus hat das BFG festgehalten, dass eine Inanspruchnahme des Gesellschaftergeschäftsführers und nicht der GmbH zu erfolgen hat. Das Finanzamt hat folglich gegen das Erkenntnis des BFG teilweise – hinsichtlich der Zeiträume September bis Dezember 2007 und 2008 – Revision erhoben und unter anderem vorgebracht, dass das BFG in seiner Ermessensentscheidung hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme nicht alle Umstände vollständig berücksichtigt hätte. Der VwGH hat infolgedessen die Entscheidung des BFG im angefochtenen Umfang aufgehoben, da der Aufhebungsbescheid keine abschließende Sachentscheidung darstellt. Durch die Aufhebung der ersten Bescheide gem § 299 Abs 1 BAO konnte keine Sperrwirkung eintreten. Der VwGH äußerte auch hinsichtlich des Auswahlermessens für die Inanspruchnahme der Haftung, dass das BFG fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass primär der Empfänger der Kapitalerträge und lediglich nachrangig die ausschüttende Körperschaft in Anspruch zu nehmen ist. Die beschwerdeführende GmbH forderte nun im fortgesetzten Verfahren vor dem BFG die ersatzlose Aufhebung der Haftungsbescheide und verwies dabei mitunter auf den Vorlageantrag.

Entscheidung des BFG

Eine Aufhebung gem § 299 Abs 1 BAO ist nur infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit eines Bescheides zulässig. Die Aufhebung setzt somit die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus und erfordert daher die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes. Im vorliegenden Fall stand dieser entscheidungsrelevante Sachverhalt im Zeitpunkt des Ergehens des Aufhebungsbescheides jedoch noch nicht endgültig fest. Die neuerlichen Sachbescheide ergingen daher erst ungefähr zweieinhalb Monate nach Erlassen des Aufhebungsbescheides, wodurch eine Verletzung des Verbindungsgebots seitens des Finanzamts vorliegt. Gem § 299 Abs 2 BAO sind der Aufhebungsbescheid und der diesen ersetzende Bescheid nämlich miteinander zu verbinden, sofern die Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist. Das BFG hält diesbezüglich jedoch fest, dass § 299 Abs 2 BAO nicht dahingehend zu verstehen sei, dass die hier vorliegende Verletzung des Verbindungsgebots und damit einhergehende verspätete Erlassung der Ersatzbescheide allein aus diesem Grund bereits zur ersatzlosen Aufhebung dieser Ersatzbescheide führen kann.

Das BFG hält weiters fest, dass die KESt grundsätzlich vom Schuldner und nur in Ausnahmefällen gem § 95 Abs 5 EStG vom Empfänger abzuführen ist. Es sei eine Ermessensfrage, ob hinsichtlich verdeckter Ausschüttungen die Geltendmachung der Haftung für die KESt gegenüber der ausschüttenden Körperschaft oder dem unmittelbaren Empfänger erfolgt. Im vorliegenden Fall wird das Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Bf für die Haftung der dem Ges-GF zugeflossenen Kapitalerträge in Anspruch genommen wird. Dabei wird der Erwägung Rechnung getragen, dass eine Haftung seitens des Ges-GF infolge Verjährung ausscheidet.

Im Ergebnis wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die verdeckten Ausschüttungen sowie die dafür anfallende KESt wurden neu berechnet. Die Revision wurde aufgrund des Fehlens einschlägiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den verfahrensrechtlichen Auswirkungen einer Verletzung des Verbindungsgebotes iSd § 299 Abs 2 BAO zugelassen, jedoch – soweit ersichtlich – nicht erhoben.

Conclusio

§ 299 BAO dient der Aufhebung von rechtswidrigen Bescheiden durch die Abgabenbehörde. Gemäß dem Verbindungsgebot des § 299 Abs 2 BAO sind der Aufhebungsbescheid und der diesen ersetzende Bescheid grundsätzlich miteinander zu verbinden. Der VwGH selbst hat sich in seiner Entscheidung vom 15. 3. 2023, Ra 2021/15/0093, mit dem die ursprüngliche Entscheidung des BFG aufgehoben wurde, überhaupt nicht mit dem Verbindungsgebot des § 299 Abs 2 BAO auseinandergesetzt. Der VwGH hat vielmehr eine Sperrwirkung der Aufhebungsbescheide für spätere Haftungsvorschreibungen aufgrund der völligen Unbestimmtheit der ursprünglichen Bescheide verneint. Es stellt sich insofern die Frage, welche Rechtsfolgen eine Verletzung des § 299 Abs 2 BAO auslöst und ob die Annahme des BFG, dass eine Verletzung keine Rechtsfolgen nach sich zieht, schlüssig erscheint: § 299 Abs 2 BAO folgt nämlich der Bestimmung des § 307 Abs 1 BAO (vgl AB1128 BlgNR 21. GP 16) und bezweckt insoweit, einen bescheidlosen Zeitraum zwischen dem Aufhebungsbescheid und nicht zeitgleich erlassenem neuen Sachbescheid zu verhindern (vgl Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar2.06 § 307 Rz 10).

In der ursprünglichen Entscheidung vom 18. 6. 2021, RV/3100686/2012, ist das BFG überdies von der Rsp des VwGH insofern abgewichen, als dass es fälschlicherweise eine nachrangige Inanspruchnahme der Gesellschaft angenommen hat. In der nun ergangenen Entscheidung hat das BFG im Rahmen seiner vollen Ermessenskognition eigenständiges Ermessen geübt und die im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegende fehlende Durchsetzbarkeit der KESt infolge Verjährung berücksichtigt. Damit übt das BFG das Ermessen dahingehend aus, dass die Bf für die Haftung der dem Ges-GF zugeflossenen Kapitalerträge in Anspruch genommen wird und entspricht in dieser Hinsicht den vom VwGH vorgegebenen Grundsätzen – nämlich, dass die KESt grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist (vgl VwGH 28. 5. 2015, Ra 2014/15/0046; ebenso VwGH 30. 6. 2015, 2012/15/0165).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34659 vom 24.10.2023