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BFG: Bekanntgabe der selbstberechneten Glücksspielabgabe zunächst per Post und dann elektronisch – Beginn der Jahresfrist für die Erlassung eines Bescheides nach § 201 Abs 2 Z 1 BAO bereits mit der Postaufgabe

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

BAO: § 108 Abs 4, § 201 Abs 2 Z 1

GSpG: § 59 Abs 3

Abstract

Die Glückspielabgabe ist vom Steuerpflichtigen selbst zu berechnen. Selbstberechnete Abgaben können dabei gem § 201 Abs 2 Z 1 BAO innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages von Amts wegen festgesetzt werden. § 59 Abs 3 GspG sieht vor, dass die Abrechnung über die abzuführenden Beträge zum Fälligkeitstag in elektronischem Weg vorzulegen ist. Der Beginn der Jahresfrist iSd § 201 Abs 2 Z 1 BAO wird nach dem BFG aber auch dann ausgelöst, wenn dem Finanzamt die Bemessungsgrundlage für die Glücksspielabgabe und die Höhe des selbstberechneten Abgabenbetrages entgegen der in § 59 Abs 3 GSpG vorgesehenen Formvorschrift nicht elektronisch, sondern durch ein Schreiben bekannt gegeben wird. Im Fall der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages durch ein schriftliches Anbringen ist außerdem die Bestimmung des § 108 Abs 4 BAO anwendbar. Daher löst nach dem BFG bereits die Postaufgabe des Schreibens mit der selbstberechneten Glückspielabgabe die Jahresfrist aus.

BFG 8. 2. 2024, RV/7105809/2015

Sachverhalt

Das Verfahren behandelte die Errichtung der Glückspielabgabe der Beschwerdeführerin (Bf). Am 20. 1. 2014 überwies die Bf unter Verwendung von FinanzOnline einen Betrag iHv € 58.074,22 ohne Angabe eines Verwendungszweckes auf das Konto des damals zuständigen Finanzamtes. Der Betrag wurde auf dem Abgabenkonto der Bf mit Entrichtungsdatum 21. 1. 2014 als Guthaben verbucht, da keine Verrechnungsanweisung mit der Glückspielabgabe bestand. Am 22. 1. 2014 gab die Bf ein Schreiben zur Post, das am 23. 1. 2014 beim Finanzamt (FA) einlangte. Darin nahm die Bf Bezug auf die Überweisung vom 20. 1. 2014 und erläuterte dem FA die Berechnung der Glücksspielabgabe für 2013 iHv € 58.074,22. Am 24. 1. 2014 führte die Bf zusätzlich eine Selbstberechnung der Glückspielabgabe über FinanzOnline durch und gab dabei einen Abgabenbetrag iHv € 58.074,22 bekannt. Am 30. 1. 2014 wurde das Abgabenkonto der Bf mit der Glücksspielabgabe für 2013 mit Fälligkeitsdatum 20. 1. 2013 entsprechend der Selbstberechnung mit € 58.074,22 belastet. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ das FA am 19. 1. 2015 einen Glücksspielabgabenbescheid, der der Bf am 23. 1. 2015 zugestellt wurde. Das FA stützte die Erlassung des Bescheides auf § 201 Abs 2 Z 1 BAO und setzte die Glücksspielabgabe für Dezember 2013 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage iHv € 436.499.749,16 gem § 58 Abs 3 GSpG unter Anwendung eines Steuersatzes von 5 % mit € 21.834.987,46 fest. Die zu diesem Bescheid ergangene gesonderte Begründung wurde der Bf am 22. 1. 2015 zugestellt. Streitpunkt des Beschwerdeverfahrens war, ob eine Festsetzung gem § 201 Abs 2 Z 1 BAO noch möglich war oder ob diese bereits verfristet war. Im konkreten Fall war dafür der Zeitpunkt der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages von Bedeutung.

Entscheidung des BFG

Das FA stützte die Erlassung des Festsetzungsbescheides ausdrücklich auf § 201 Abs 2 Z 1 BAO. Daher war der Abgabenbescheid vom 19. 1. 2015 nur dann rechtmäßig, wenn im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheides am 23. 1. 2023 (Zustellung) die Jahresfrist des § 201 Abs 2 Z 1 BAO noch nicht abgelaufen war. Für die von der Bf im Jahr 2013 veranstalteten Gewinnspiele ist die Steuerschuld gem § 59 Abs 1 Z 1 GSpG am 31. 12. 2013 entstanden. Die Glücksspielabgabe war bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag), somit bis zum 20. 1. 2014 an das FA zu entrichten. Bis zu diesem Tag (20. 1. 2014) hätte die Bf dem FA auch eine Abrechnung über die abzuführenden Beträge in elektronischem Weg vorzulegen gehabt. Im konkreten Fall hat die Bf zwar am 20. 1. 2014 an das FA eine Überweisung des von ihr selbstberechneten Betrages vorgenommen, durch das Fehlen eines Verwendungszweckes am Zahlungsbeleg wurde dem FA damit aber nicht bekannt gegeben, dass es sich bei dem überwiesenen Betrag um die Glücksspielabgabe für 2013 handeln soll. Erst der Schriftsatz der Bf, der am 22. 1. 2014 zur Post gegeben wurde und am 23. 1. 2014 beim FA einlangte, nennt nicht nur eine mögliche Bemessungsgrundlage der Glücksspielabgabe 2013, sondern auch den mit einem Steuersatz von 5 % selbstberechneten Abgabenbetrag von € 58.074,22. Nach der Rsp des BFG stellt auch die formlose Offenlegung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Bekanntgabe der abzuführenden Abgabe eine Selbstberechnung iSd § 59 Abs 3 GSpG dar, auch wenn die gesetzlich vorgesehene Formvorschrift (elektronische Einbringung) nicht eingehalten wird (BFG 14. 12. 2020, RV/7100709/2020; 31. 5. 2021, RV/7104456/2019). Die Verletzung einer Formvorschrift – hier die in § 59 Abs 3 GSpG vorgesehene elektronische Einbringung – ist vergleichbar mit dem Fehlen einer Unterschrift auf einem Papierformular. Das Fehlen einer Unterschrift macht die Eingabe lediglich mangelhaft, sie berechtigt die Abgabenbehörde jedoch nicht, diese einfach nicht zu beachten (BFG 21. 6. 2016, RV/3100723/2015). Außerdem ist für die Fristenberechnung nach § 201 Abs 2 Z 1 BAO irrelevant, dass am 24. 1. 2014 eine, den Formvorschriften entsprechende elektronische Selbstberechnungserklärung über FinanzOnline übermittelt wurde.

Entscheidend ist daher die Frage, ob im Fall der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages durch ein formloses Schreiben für den Beginn der Jahresfirst die Zeit des Postenlaufes einzurechnen ist oder nicht. Durch die Rsp des VwGH ist geklärt, dass die Fristbestimmungen der §§ 108110 BAO sowohl für die Fristen des Verfahrensrechtes als auch für die des materiellen Rechtes gelten (VwGH 22. 1. 1987, 86/16/0023). § 108 Abs 4 BAO legt für das gesamte Abgabenrecht eine einheitliche Regelung des Postlaufs fest (Stoll, BAO [1994] 1181). Mit der Übergabe eines Schriftstückes an die Post zur Beförderung gilt das Schriftstück als der Behörde übergeben, auch wenn die Behörde die Sendung erst später, unter Umständen nach Ablauf der vorgesehenen Frist, erhält. § 108 Abs 4 BAO gilt nur nicht in jenen Fällen, in denen die Abgabenvorschrift ausdrücklich auf das „Einlangen“ bei der Behörde abstellt (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 108 Rz 18). § 108 Abs 4 BAO gilt außerdem nicht, wenn die Behörde Fristen zu wahren hat (Stoll, BAO [1994] 1181). Ein Bescheid muss also vor Fristablauf zugestellt werden. Die Bekanntgabe der selbstberechneten Glückspielabgabe erfolgte durch ein schriftliches Anbringen iSd § 85 BAO (und nicht erst durch die spätere Eingabe über FinanzOnline). Auf ein derartiges schriftliches Anbringen ist grundsätzlich die Bestimmung des § 108 Abs 4 BAO über die Nichteinrechnung des Postenlaufes anzuwenden. Der Schriftsatz der Bf gilt daher als am 22. 1. 2014 eingebracht. Die Zustellung des Festsetzungsbescheides erfolgte erst am 23. 1. 2015, sodass die Jahresfrist nicht gewahrt wurde. Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.

Zu der Frage, ob der Beginn der Jahresfrist iSd § 201 Abs 2 Z 1 BAO auch ausgelöst wird, wenn dem FA die Bemessungsgrundlage für die Glücksspielabgabe und die Höhe des selbstberechneten Abgabenbetrages entgegen der in § 59 Abs 3 GSpG vorgesehenen Formvorschrift nicht elektronisch, sondern durch ein Schreiben bekannt gegeben wird, besteht keine Rsp des VwGH. Ebenso wenig besteht zu der Frage, ob bei der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages durch ein schriftliches Anbringen die Bestimmung des § 108 Abs 4 BAO anwendbar ist und daher bereits die Postaufgabe des Anbringens die Jahresfrist auslöst, hgRsp. Aus diesen Gründen wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Es wurde auch Amtsrevision eingebracht.

Conclusio

Nach dem konkreten Erk des BFG darf die Verletzung einer Formvorschrift nicht dazu führen, dass ein Schreiben an die Behörde einfach nicht zu beachten ist. Die Einbringung der Erklärung über die Glückspielabgabe war daher auch schriftlich – unter Verletzung der in § 59 Abs 3 GSpG vorgesehenen elektronischen Einbringung – wirksam. Das BFG begründet dies durch einen Vergleich mit dem Fehlen einer Unterschrift auf einem Papierformular, was auch nicht zur Unbeachtlichkeit seitens der Abgabenbehörde führt. Nach der Ansicht von Ellinger/Sutter/Urtz (BAO3 § 86a Rz 9) gelten aber Anbringen, die auf einem für sie nicht zugelassenen Weg der Abgabenbehörde zugeleitet werden, als nicht eingebracht. Diese Kommentierung bezieht sich zwar insb auf unzulässige Anbringen per E-Mail, doch könnte hieraus auch der Schluss gezogen werden, dass entgegen einer Formvorschrift nicht elektronisch, sondern schriftlich eingebrachte Anbringen unbeachtlich sind.

Weiters geht das BFG davon aus, dass der Bf trotz der Verletzung einer Formvorschrift in den Genuss des Postlaufprivilegs gem § 108 Abs 4 BAO kommt. Es gibt aber bereits jetzt Fallgruppen in der Rsp des VwGH, wo § 108 Abs 4 BAO nicht zur Anwendung kommt. Solche Fälle sind etwa, wenn das Schriftstück an eine unzuständige Behörde gerichtet ist (VwGH 23. 10. 1986, 86/02/0135) oder falsch adressiert ist (VwGH 29. 5. 1985, 84/13/0079; 22. 3. 1995, 94/12/0313). Wenn man die Verletzung von Formvorschriften über die Einbringung als mit diesem Fällen vergleichbar erachtet, kann auch im konkreten Fall die Anwendbarkeit des Postlaufprivilegs verneint werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35629 vom 05.07.2024