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Abstract
Im vorliegenden Fall war zu entscheiden, ob eine gegen einen Nichtbescheid gerichtete Beschwerde in Bezug auf den darauffolgenden inhaltsgleichen, rechtswirksamen Bescheid Bestand hat. Das BFG verneinte dies und verwies auf den Wortlaut des § 253 BAO, wonach ein Bescheid nur an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen anderen Bescheids treten kann. In weiterer Folge entschied das BFG mangels Beschwerde gegen den wirksamen Bescheid mit einem im Abgabenrecht strittigen Einstellungsbeschluss.
BFG 9. 5. 2023, RV/3100405/2020
Sachverhalt
Der steuerliche Vertreter einer verstorbenen Person reichte die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 im Namen der Verlassenschaft ein, woraufhin die zuständige Behörde den Einkommensteuerbescheid an die Verlassenschaft nach dem Erblasser adressierte. Diese existiert jedoch inzwischen nicht mehr, da sie den Erben eingeantwortet worden war. Dennoch erhob der steuerliche Vertreter Bescheidbeschwerde im Namen der Verlassenschaft, welche zunächst in der Beschwerdevorentscheidung (BVE) als unbegründet abgewiesen wurde und schließlich zu einem Vorlageantrag führte. Noch bevor über den Vorlageantrag entschieden wurde, erkannte das Finanzamt den vermeintlichen Einkommensteuerbescheid als Nichtbescheid an und hob diesen sowie die dazu erlassene BVE, gem § 299 BAO mit Bescheid auf. In dem den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid entschied die Abgabenbehörde inhaltsgleich zum Nichtbescheid, diesmal jedoch richtigerweise an die Erben gerichtet. Obwohl gegen den nunmehr gültigen Bescheid kein Rechtsmittel eingelegt wurde, erließ die Behörde eine an die Erben gerichtete Beschwerdevorentscheidung (BVE), da sie offenbar annahm, dass die damalige Beschwerde gegen den Nichtbescheid durch die Aufhebung der dazu ergangenen Beschwerdevorentscheidung (BVE) wieder unerledigt war und automatisch gegen den „neuen“ Bescheid wirken würde. Über den Vorlageantrag gegen die erneute BVE hatte nun das BFG zu entscheiden.
Entscheidung des BFG
Das BFG befasste sich in seiner Entscheidung zunächst mit dem aufgehobenen Bescheid und der ersten Beschwerdevorentscheidung. Da die Verlassenschaft zum Zeitpunkt der Erledigung nicht mehr existierte, stellt dieser mangels tauglichem Adressaten nach stRsp des VwGH einen Nichtbescheid dar (vgl VwGH 30. 3. 2006, 2004/15/0005). Diesbezüglich entfaltet auch der von der Behörde erlassene Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO wegen des fehlenden aufzuhebenden Bescheids keine Wirkung. Die BVE hätte dem BFG zufolge jedoch richtigerweise in eine Zurückweisung abgeändert werden müssen, anstatt diese ersatzlos aufzuheben, da sie mangels zugrundeliegenden Bescheids unzulässig war. Weil gegen den Aufhebungsbescheid keine Beschwerde erhoben wurde, bleibt dieser allerdings im Rechtsbestand.
Die zentrale Frage für das BFG bestand nun darin, ob die Beschwerde gegen den Nichtbescheid gegenüber dem wirksamen Bescheid anzuerkennen ist. § 253 BAO normiert, dass eine Bescheidbeschwerde auch als gegen einen späteren Bescheid gerichtet gilt, wenn dieser an die Stelle des angefochtenen Bescheids tritt. Nachdem aber in casu nur ein wirksamer Bescheid ergangen ist, ist es nach Ansicht des BFG schon allein begrifflich nicht möglich, dass die Beschwerde gegen den Nichtbescheid auch als gegen den gültigen Erstbescheid gerichtet gilt. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 253 BAO sind nicht erfüllt, weshalb auch dessen Rechtsfolgen nicht eintreten können. Die Beschwerde, die aufgrund der Aufhebung der BVE unerledigt war, wurde daher vom BFG mit Beschluss wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.
Des Weiteren war über den Vorlageantrag in Hinsicht auf den wirksamen Bescheid zu entscheiden. Das BFG sprach aus, dass Verfahren, welchen keine Beschwerde zugrunde liegt, nach hA mit Beschluss einzustellen sind, auch wenn dies in der BAO nicht ausdrücklich vorgesehen ist (mit Verweis auf Ritz/Koran, BAO7 § 278 Rz 1a mwN). Da im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung und eine Entscheidung durch den Senat beantragt worden war, führte das Gericht ferner aus, dass die fehlende verfahrensrechtliche Regelung des Einstellungsbeschlusses eine planwidrige Lücke darstellt, die wegen der Ähnlichkeit zu den anderen Formalbeschlüssen nach der BAO per analogiam geschlossen werden kann. Dementsprechend kommen nach Ansicht des BFG etwa auch § 272 Abs 4 und § 274 Abs 3 BAO auf die Einstellung zur Anwendung, weshalb das anhängige Verfahren mit Beschluss vom Berichterstatter als Einzelrichter gem § 272 Abs 4 BAO und ohne vorangehende mündliche Verhandlung (vgl § 274 Abs 3 Z 1 BAO) eingestellt wurde. Da sich die Zulässigkeit des Einstellungsbeschlusses nach Ansicht des BFG auch aus dem Erkenntnis des VwGH vom 28. 10. 2014, Ro 2014/13/0035 implizit ergibt, wurde die Revision nicht zugelassen.
Conclusio
Der vorliegende Fall fördert Praxisprobleme zu Tage, welche durch eine Vermengung von Nichtbescheid und darauffolgendem Erstbescheid entstehen können: Während in casu bei Ersterem der Bescheid zur Beschwerde fehlte, verhielt es sich bei Letzterem genau umgekehrt. Um eine materielle Überprüfung der behördlichen Erledigung zu erwirken, ist daher unbedingt auf eine fristgerechte Beschwerdeeinreichung gegen den wirksamen Bescheid zu achten, auch wenn davor ein inhaltsgleiches Rechtsmittel gegen den vermeintlichen Bescheid eingebracht wurde. Der stRsp des VwGH zufolge sind Beschwerden über Nichtbescheide nämlich gem § 260 Abs 1 lit a BAO zurückzuweisen (vgl VwGH 1. 10. 2008, 2006/13/0123).
Strittiger ist die Entscheidung des BFG bezüglich der Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des gültigen Bescheids. Das vom BFG zitierte Erkenntnis des VwGH (VwGH 28. 10. 2014, Ro 2014/13/0035), welches nach Ansicht des BFG implizit die Zulässigkeit von Einstellungsbeschlüssen im Abgabenverfahren ausspreche, bezieht sich wiederum auf eine Entscheidung, die die analoge Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG auf Beschwerden nach Wegfall der Rechtspersönlichkeit des Bf (Rw) im Verwaltungsverfahrensrecht bejaht, ohne jedoch auf die BAO einzugehen (vgl VwGH 26. 2. 2003, 98/17/0185). Das vom BFG herangezogene Erkenntnis verweist zwar auf dieses Erkenntnis, vermeidet dabei aber eine direkte Stellungnahme zur Zulässigkeit der Einstellung im Abgabenverfahren. Vielmehr hob der VwGH einen Einstellungsbeschluss mit der Begründung nicht auf, dass im besagten Fall kein Unterschied zur Erklärung der Gegenstandslosigkeit besteht (vgl VwGH 28. 10. 2014, Ro 2014/13/0035). Der VwGH hatte dort außerdem über eine Einstellung nach dem Wegfall der Rechtspersönlichkeit des Bf abzusprechen, während das BFG im hier vorgestellten Fall das Verfahren mangels Beschwerde einstellte. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich der VwGH in zukünftigen Fällen ausdrücklich zur Frage des Einstellungsbeschlusses im Anwendungsbereich der BAO äußern wird.