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BFG: Die Zwischenbankbefreiung nach § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG als unionsrechtswidrige Beihilfe?

Bearbeiter: Benjamin Beer

UStG 1994: § 6 Abs 1 Z 28

Abstract

Das BFG hatte anlässlich der Beschwerde einer Bank gegen USt-Bescheide über die Anwendung des Befreiungstatbestands des § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG (Zwischenbankbefreiung) zu entscheiden. Aufgrund unionsrechtlicher Bedenken zu dieser Bestimmung leitet das BFG ein Vorabentscheidungsverfahren ein und richtet die Vorlagefrage an den EuGH, ob eine Regelung wie die Zwischenbankbefreiung des § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG eine unionsrechtswidrige Beihilfe iSd Art 107 Abs 1 AEUV ist.

BFG 28. 6. 2024, RE/7100001/2024

Sachverhalt

Die Bf, eine österreichische Bank, wandte in den Jahren 2013-2017 die Zwischenbankbefreiung des § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG an. Hiernach sind sämtliche Dienstleistungen zwischen Unternehmen, die überwiegend Bank-, Versicherungs- oder Pensionskassenumsätze ausführen, umsatzsteuerfrei, wenn sie nicht bereits unter einen anderen Befreiungstatbestand fallen. Das gilt auch für Umsätze, die nicht nach Art 132 ff MwStSyst-RL befreit wären.

Gegen die USt-Bescheide des FA für Großbetriebe für die Jahre 2013-2017 erhob die Bf aus im Vorlagebeschluss nicht näher angeführten Gründen Beschwerde. Aufgrund aufgekommener unionsrechtlicher Zweifel in Bezug auf das Beihilfeverbot des Art 107 AEUV setzte das BFG das Verfahren aus und richtete an den EuGH die Vorlagefrage, ob eine Bestimmung wie die Zwischenbankbefreiung nach § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG eine staatliche Beihilfe iSd Art 107 Abs 1 AEUV ist.

Entscheidung des BFG

Das BFG stellt zunächst fest, dass nach der stRsp des EuGH eine Beihilfe gem Art 107 Abs 1 AEUV dann vorliegt, wenn es sich bei einer Bestimmung „(1) um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handelt, (2) die geeignet ist den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, (3) die der Begünstigten (…) einen Vorteil gewährt und (4) den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.“ Anhand dieser Kriterien untersucht das BFG den Beihilfecharakter des § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG:

Staatliche Maßnahme: Nicht nur positive Maßnahmen selbst können Beihilfen darstellen, sondern auch Maßnahmen, die Belastungen eines Unternehmens vermindern. Eine staatliche Maßnahme liegt bei der verpflichtenden Umsetzung einer Richtlinie nicht vor. § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG entbehrt jedoch einer Grundlage in der MwStSyst-RL und kommt daher als staatliche Maßnahme in Betracht.

Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und zur Verfälschung bzw Drohung der Verfälschung des Wettbewerbs: Aufgrund der Zwischenbankbefreiung können österreichische Banken und andere begünstigte Unternehmer ihre Leistungen steuerfrei und somit um bis zu 20 % günstiger als andere Unternehmer erbringen. Zusätzlich werden Leistungsempfänger begünstigt, denn für sie wird die USt trotz fehlender Möglichkeit zum Vorsteuerabzug bei Erbringung unecht befreiter Leistungen nicht zum Kostenfaktor, da die Eingangsleistungen ohne USt fakturiert werden können. Da außerdem Konkurrenz der österreichischen zu anderen europäischen Banken besteht, geht das BFG daher von der Beeinträchtigung des Handels und der Bedrohung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten aus.

Selektivität: Für Zwecke der Selektivität ermittelt das BFG erst das allgemein geltende Steuersystem und in weiterer Folge, wie die Zwischenbankbefreiung hiervon abweicht. Als allgemein geltendes Steuersystem zieht das BFG die MwStSyst-RL heran. Anderenfalls kommt nach Ansicht des BFG das UStG als allgemeines Steuersystem in Betracht, welches die MwStSyst-RL umsetzt. Zu vergleichen ist nach Ansicht des BFG die Leistungserbringung an einen durch die Zwischenbankbefreiung begünstigten Unternehmer durch einen ebenfalls begünstigten Unternehmer mit der Erbringung an einen begünstigten Unternehmer durch einen nicht begünstigten Unternehmer. Da nur die begünstigten Unternehmer die Leistung steuerfrei erbringen können, findet in diesem Vergleichspaar eine Ungleichbehandlung statt. Eine Ungleichbehandlung besteht auch im Verhältnis zu anderen Unternehmern, deren Umsätze steuerbefreit sind. So müssen etwa Ärzte – im Gegensatz zu Banken – die Verrechnung von IT-Dienstleistungen untereinander der USt unterwerfen. Da Ärzte aber unecht steuerbefreite Leistungen erbringen, fallen nicht abzugsfähige Vorsteuern an. Diese Unterscheidungen sind nach Ansicht des BFG nicht gerechtfertigt, da nach Ansicht des BFG bereits unklar ist, welchen Zweck die Zwischenbankbefreiung verfolgt.

Im Ergebnis tendiert das BFG daher zu der Ansicht, dass die Zwischenbankbefreiung des § 8 Abs 1 Z 28 UStG eine staatliche Beihilfe iSd Art 107 AEUV darstellt.

Conclusio

Die im vorliegenden Fall als Beihilfe in Betracht kommende Zwischenbankbefreiung des § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG (Satz 1 setzt die Zusammenschlussbefreiung des Art 132 Abs 1 lit f MwStSyst-RL um) wurde trotz fehlender unionsrechtlicher Grundlage mit dem UStG 1994 eingeführt. Die Materialien (ErläutRV 1715 BlgNR XVIII. GP 55) erwähnen die Zwischenbankbefreiung nicht. Mit dem AbgÄG 2024 (BGBl I 2024/113) wurde die Zwischenbankbefreiung abgeschafft, ab dem 1. 1. 2025 soll sie nicht mehr zur Anwendung kommen. Die Materialien (ErläutRV 2610 BlgNR XXVII. GP 16) führen hierzu aus: „Zur Schaffung von Rechtssicherheit auf Basis der unionsrechtlichen Vorgaben soll § 6 Abs. 1 Z 28 letzter Satz gestrichen werden. Die Änderung soll ab 1. 1. 2025 in Kraft treten.“ Nach Ansicht des BFG lässt sich aus dieser Aussage ein Zweifeln des Gesetzgebers an der Unionsrechtskonformität der Bestimmung ableiten, das zusätzlich gegen die Rechtfertigung der Bestimmung spricht.

Sollte der EuGH im vorliegenden Fall den Verstoß der Zwischenbankbefreiung gegen das Beihilfeverbot bejahen, hätte das zunächst die Nichtanwendbarkeit der Zwischenbankbefreiung im Ausgangsfall zu Folge (Sutter in Mayer/Stöger, EUV/AEUV Art 108 AEUV Rz 73). Auch in allfälligen anderen noch offenen Fällen wäre die Zwischenbankbefreiung nicht anzuwenden (Pfeiffer, SWK 2024, 966 [968]). Zudem können nach Maßgabe der Art 16 f VO (EU) 2015/1589 die bereits rechtswidrig gewährten Beihilfen mittels Rückforderungsbeschlusses der Europäischen Kommission zurückgefordert werden.

Die Tendenz des BFG zur Bejahung des Beihilfecharakters der Zwischenbankbefreiung des § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG findet Bestätigung in der Literatur (ausführlich bereits Siller, Outsourcing in der Umsatzsteuer [2022] 492 ff; vgl außerdem zust Pfeiffer, SWK 2024, 966 [968]). Außerdem werden weitreichende Konsequenzen erwartet, sollte der EuGH die Auffassung des BFG bestätigen. So kann nach im vorliegenden Erkenntnis geäußerter Ansicht des BFG ein mit dem Beihilferecht in Einklang stehender Zustand nicht hergestellt werden, da die MwStSyst-RL nicht gegen den Willen des Stpfl unmittelbar angewendet werden könne und auch eine RL-konforme Auslegung des § 6 Abs 1 Z 28 Satz 2 UStG contra legem nicht möglich sei. Das hat „eine beihilferechtliche Verfangenheit sämtlicher umsatzsteuerrechtlicher Normen, die für die Abgabepflichtigen vorteilhaft sind, aber entweder keine unionsrechtliche Basis haben oder falsch umgesetzt wurden“, zur Folge (ausführlich und mit Beispielen weiterer nach dieser Argumentation unionsrechtswidriger Bestimmungen im UStG Pfeiffer, SWK 2024, 966 [969 f]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35871 vom 18.09.2024