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BFG: Ein ehemaliges Stiefkind zählt nach dem Tod des leiblichen Elternteils nicht mehr zum begünstigten Personenkreis des § 26a GGG

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

GGG: § 26a Abs 1 Z 1

Abstract

Bei bestimmten Erwerbsvorgängen von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken ist die Grunderwerbsteuer anstelle des Wertes der Gegenleistung oder des Grundstückswertes anhand des – in der Regel deutlich niedrigeren – Einheitswertes zu berechnen (§ 4 Abs 2 GrEStG). Damit § 4 Abs 2 Z 1 GrEStG zur Anwendung kommen kann, muss der Erwerb des Grundstücks durch den in § 26a Abs 1 Z 1 GGG genannten Personenkreis erfolgen. § 26a Abs 1 Z 1 GGG nennt als begünstigten Erwerbsvorgang auch die Übertragung einer Liegenschaft auf ein Stiefkind. Nach dem Tod des leiblichen Elternteils zählt ein – sodann ehemaliges – Stiefkind aber nicht mehr zum begünstigten Personenkreis des § 26a Abs 1 Z 1 GGG.

BFG 22. 4. 2024, RV/5100063/2024

Sachverhalt

Der Geschenkgeber hat mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 14. 3. 2016 seiner Ehegattin unter anderem ein Grundstück geschenkt. Für den Fall, dass die Geschenknehmerin vor ihrem Ehegatten versterben sollte, tritt der Stiefsohn des Geschenkgebers und zugleich leiblicher Sohn der Geschenknehmerin in die Rechtsposition seiner Mutter ein. Im Jahr 2016 ist die Ehegattin verstorben. Mit Nachtrag vom 27. 7. 2021 haben Geschenkgeber und der Stiefsohn – der auch Beschwerdeführer (Bf) im gegenständlichen Fall ist – hinsichtlich des obigen Schenkungsvertrages vereinbart, dass dieser nicht erst mit dem Ableben des Geschenkgebers, sondern bereits zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Nachtrages wirksam werden soll, sodass das genannte Grundstück sofort in das Eigentum des Bf übergeht. Hinsichtlich der GrESt wird vom Bf die Rechtsmeinung vertreten, dass jene gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen würden, die im Jahr 2016 gegolten haben.

Schließlich hat das Finanzamt für den Nachtrag vom 27. 7. 2021 die GrESt für den Erwerb des Grundstückes durch den Bf in Höhe von 54.627,50 € festgesetzt. Das Verwandtschaftsverhältnis des Geschenkgebers zum Geschenknehmer endete mit dem Tod der Gattin des Geschenkgebers, zugleich Mutter des Geschenknehmers im Jahr 2016. Der Nachtrag zum Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 27. 7. 2021 sei als neue rechtsgeschäftliche Vereinbarung betreffend der Übertragung der Liegenschaften zu qualifizieren.

Dagegen hat der Bf die gegenständliche Beschwerde erhoben, weil das Finanzamt bei der Festsetzung der GrESt das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Geschenkgeber und dem Bf (als seinen Stiefsohn) nicht gem § 26a Abs 1 Z 1 GGG berücksichtigt hat.

Entscheidung des BFG

Streitpunkt im gegenständlichen Verfahren ist die Rechtsfrage, ob der Bf auch noch nach dem Tod seiner Mutter als Stiefkind im Sinne des § 26a Abs 1 Z 1 GGG gilt. Gem § 40 ABGB wird die Verbindung, die zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten entsteht, als Schwägerschaft bezeichnet. Eine Schwägerschaft besteht somit auch zu einem Stiefkind. Bezüglich der Schwägerschaft vertritt der OGH in ständiger Rechtsprechung ganz allgemein den Grundsatz, dass das Schwägerschaftsverhältnis mit der Auflösung der Ehe endet, sofern das Gesetz nichts anderes anordnet (OGH 27. 9. 2021, 5 Ob 55/21f mwN). Aufgrund dieses grundlegenden Verständnisses von Schwägerschaft geht auch die Literatur für den Bereich der GrESt davon aus, dass nach Auflösung der Ehe das ehemalige Stiefkind nicht mehr unter den begünstigten Personenkreis des § 26a Abs 1 Z 1 GGG fällt, weshalb auf dessen Erwerb vom ehemaligen Stiefelternteil die Begünstigung des § 7 Abs 1 Z 1 lit c GrEStG nicht zur Anwendung kommt (N. Arnold in Arnold/Bodis (Hrsg), Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 (17. Lfg, 2020) § 7 GrEStG, Rz 22). Auch das BMF vertritt die Ansicht, dass das Stiefkindverhältnis durch den Tod des leiblichen Elternteiles beendet wird, da die Schwägerschaft nur aus dem aufrechten Bestand einer Ehe zwischen Stiefelternteil und leiblichem Elternteil resultieren kann. Wenn daher nach dem Tod des leiblichen Elternteils der frühere Stiefelternteil ein Grundstück an das frühere Stiefkind überträgt, liegt mangels aufrechter Stiefkindeigenschaft kein Erwerb in der Familie vor (BMF-Information 4. 12. 2017, BMF-010206/0094-IV/9/2017 3.1.3.).

Auch wenn der reine Wortsinn des § 26a GGG auch ehemalige Stiefkinder umfassen könnte, gilt zu bedenken, dass diese Bestimmung die Begünstigung nur während aufrechter Ehe gewährt. Dies legt nahe, dass auch von diesen Bindungen abgeleitete familiäre Beziehungen, wie die Schwägerschaft, gleich zu beurteilen sind. Durch die Aufnahme der Stiefkinder in den begünstigten Personenkreis gem § 26a Abs 1 Z 1 GGG sollte nur der zum Stichtag tatsächlich bestehende Familienverband erweitert werden. Eine Rechtsauslegung, wonach auch ehemalige Stiefkinder stets die Begünstigung erhalten sollen, wäre systemwidrig.

Außerdem meint der Bf, der Übereignungsanspruch sei bereits mit Schenkung auf den Todesfall entstanden, bei der eine Liegenschaftsübertragung im Familienverband des § 26a GGG erfolgt sei. Der Nachtrag vom 27. 7. 2021 ändere daran nichts: Was bereits geschenkt sei, könne nicht nochmals geschenkt werden, der Nachtrag setze den seinerzeitigen Schenkungsvertrag lediglich vorzeitig – daher vor dem Ableben des Geschenkgebers – in Kraft. Das BFG teilt diese Rechtsansicht nicht, sondern folgt dem Finanzamt, welches einen Grundstückserwerb unter Lebenden verwirklicht sieht, weil die Vertragsteile mit dem Nachtrag vom 27. 7. 2021 ein neues Rechtsgeschäft abgeschlossen haben. Für die Verwirklichung des GrESt-Tatbestandes ist die zivilrechtliche Betrachtung entscheidend. Durch die Änderung des Rechtsgrundes des Anspruchs liegt eine Novation nach § 1376 ABGB vor (BFG 18. 8. 2023, RV/7105511/2019). Eine Änderung des Rechtsgrundes ist dann gegeben, wenn der primäre Leistungsinhalt und nicht bloß eine Nebenbestimmung geändert wird (OGH 3. 12. 2003, 7 Ob 214/03). Im vorliegenden Fall wurde durch die Vorverlegung der Fälligkeit der primäre Leistungsinhalt geändert.

Da Rsp des VwGH zu der Frage fehlt, ob unter Stiefkind im Sinne des § 26a Abs 1 Z 1 GGG auch ein ehemaliges Stiefkind nach dem Tod des leiblichen Elternteils zu verstehen ist, ist die ordentliche Revision zuzulassen.

Conclusio

Die konkrete Entscheidung des BFG steht mit der Rsp des OGH im Einklang, die davon ausgeht, dass ein Stiefkindverhältnis endet, wenn der leibliche Elternteil des Stiefkindes stirbt (OGH 27. 9. 2021, 5 Ob 55/21f). Nach der Ansicht von Dokalik/Schuster, Gerichtsgebühren14 § 26a GGG Rz 4 (Stand 1. 7. 2022, rdb.at) kann die Stiefkindbegünstigung nach § 26a Abs 1 Z 1 GGG zwar noch in Anspruch genommen werden, wenn das Stiefkindverhältnis im Zeitpunkt der Transaktion nicht mehr besteht, dies ist hier aber nicht der Fall. Im konkreten Fall wurde nämlich der primäre Leistungsinhalt der Vereinbarung durch eine Novation geändert, so dass die neue Vereinbarung erst nach dem Tod des leiblichen Elternteils und somit nach dem Ende des Stiefkindverhältnisses abgeschlossen wurde. Insofern ist der Entscheidung des BFG im konkreten Fall zuzustimmen, da nach der Rsp des OGH (27. 9. 2021, 5 Ob 55/21f) zum relevanten Zeitpunkt kein Stiefkindverhältnis mehr bestanden hat. Da aber zum Zeitpunkt der Entscheidung des BFG Rsp des VwGH zu der Frage fehlte, ob auch ein ehemaliges Stiefkind unter § 26a Abs 1 Z 1 GGG fallen kann, wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Der Bf hat auch Revision eingebracht. Wegen eines kürzlich ergangenen Erkenntnisses des VwGH (17. 6. 2024, Ra 2021/16/0098) zur Auslegung der Begriffe „Stief-, Wahl- oder Pflegekind“ in § 26a Abs 1 Z 1 GGG, in dem der VwGH mit der eben zitierten Rsp des OGH übereinstimmt, wird die Revision aber kaum Aussichten auf Erfolg haben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35804 vom 02.09.2024