News

BFG: Einbezug ausländischer Einkünfte beim Progressionsvorbehalt – Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit?

Bearbeiter: Valentin Bendlinger

DBA Deutschland: Art 6, Art 23 Abs 2 lit a, Art 24 Abs 1

OECD MA: Art 23A Abs 2, Art 24

EStG 1988: §§ 1, 2 und 33

Abstract

Der Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) ist deutscher Staatsbürger aber in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Neben Einkünften aus in Österreich ausgeübter nichtselbständiger Arbeit erzielt er Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung einer in Deutschland gelegenen Immobilie. Strittig war, ob die nach dem DBA Deutschland in Deutschland steuerbaren Vermietungseinkünfte bei der Berechnung des österreichischen Durchschnittssteuersatzes berücksichtigt werden dürfen. Der Bf führte unter anderem aus, der Einbezug der deutschen Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts verstoße gegen das Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbot des Art 24 Abs 1 DBA Deutschland. Der Fall gab dem BFG also nicht nur Anlass, sich mit der Anwendung des Methodenartikels zu befassen, sondern bot dem Gericht auch eine seltene Gelegenheit, den Anwendungsbereich der abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote abzustecken.

BFG 4. 5. 2022, RV/6100191/2022

Sachverhalt

Der Bf ist deutscher Staatsbürger, ist in Österreich beschäftigt und unbeschränkt steuerpflichtig. Die Abgabenbehörde setzte die Einkommensteuer 2019 nach erfolgter Bescheidaufhebung im Jahr 2021 erneut fest. Dabei wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Wohnungen in Deutschland zur Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes (Progressionsvorbehalt) in den Bescheid aufgenommen. Dagegen brachte der Bf Beschwerde ein, in der er im Wesentlichen ausführte, dass der positive und negative Progressionsvorbehalt bei Mieteinkünften aus EU-Staaten ausgeschlossen sei. Darüber hinaus wurde eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art 24 Abs 1 DBA Deutschland behauptet. Mit Beschwerdevorentscheidung wies die Abgabenbehörde die Beschwerde ab und begründete insoweit, dass aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht des Beschwerdeführers das Welteinkommen zu besteuern sei. Der Steuersatz bemesse sich nach dem weltweiten Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage finde. Eine Ungleichbehandlung iSd Art 24 Abs 1 DBA Deutschland liege mangels gesetzlicher Anknüpfung an das diskriminierende Element Staatsangehörigkeit nicht vor. Im Vorlageantrag wiederholte der Bf seine Vorbringen.

Erkenntnis des BFG

Gem § 1 Abs 2 EStG erstreckt sich die unbeschränkte Steuerpflicht – unabhängig von der Staatsangehörigkeit – auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Demzufolge unterliegen die Einkünfte einer in Österreich ansässigen, unbeschränkt steuerpflichtigen Person aus der Vermietung von in Deutschland belegenen Wohnungen in Österreich der Einkommensteuerpflicht. Nach § 2 Abs 8 EStG sind ausländische Einkünfte bei der Berücksichtigung in Österreich stets nach österreichischem Steuerrecht zu ermitteln. Deshalb bleiben beispielsweise nur im ausländischen Steuerrecht vorgesehene Steuerbefreiungen unbeachtlich. Nach Art 6 DBA Deutschland dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen, das im anderen Vertragsstaat gelegen ist, bezieht, im anderen Staat besteuert werden. Österreich hat solche Einkünfte nach Art 23 Abs 2 lit a DBA Deutschland von der Besteuerung auszunehmen. Jedoch darf Österreich nach lit d leg cit diese Einkünfte gleichwohl bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbeziehen. Die im innerstaatlichen Recht normierte Verpflichtung, die Auslandseinkünfte für die Steuersatzermittlung heranzuziehen, wird daher durch das DBA nicht derogiert. Zwar ist der Progressionsvorbehalt nicht explizit im österreichischen Gesetz verankert, ergibt sich nach ständiger Rsp des VwGH aber zwangsläufig aus den §§ 1, 2 und 33 EStG und dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Grundsatzerkenntnis VwGH 21. 10. 1960, 0162/60; VwGH 30. 4. 1964, 0880/62; VwGH 21. 5. 1985, 85/14/0001). Die Rechtsgrundlage für die Berechnung des Progressionsvorbehaltes erfließt sohin nicht aus dem Abkommensrecht, sondern aus der Anordnung des EStG, dass der Steuersatz nach dem gesamten Einkommen des unbeschränkt Steuerpflichtigen zu bemessen ist (VwGH 29. 7. 2010, 2010/15/0021).

In Bezug auf den Einwand des Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbots nach Art 24 Abs 1 DBA Deutschland hält das BFG fest, dass nach dieser Bestimmung Staatsangehörige eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden dürfen, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden können. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art 24 Abs 1 DBA Deutschland ist – so das BFG –, dass der Staatsbürger des anderen Vertragsstaates unter genau denselben Bedingungen tätig wird, unter denen ein österreichischer Staatsbürger eine günstigere Behandlung erfährt, sodass das einzige Kriterium zur unterschiedlichen Behandlung im Merkmal der Staatsbürgerschaft begründet ist. Nachdem das österreichische Steuerrecht – abgesehen von Ausnahmen im Landes- und Gemeindeabgabenrecht – nicht nach dem Merkmal der Staatsangehörigkeit unterscheidet, erkennt das BFG keinen Verstoß gegen das Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbot. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Conclusio

Die Entscheidung des BFG ist im Ergebnis korrekt und wirft keine neuen Rechtsfragen auf. Der Einbezug von Auslandseinkünften für die Zwecke der Ermittlung des Durchschnittsteuersatzes ergibt sich – wie auch die vom BFG zitierte ständige höchstgerichtliche Rsp bestätigt (VwGH 21. 10. 1960, 0162/60; VwGH 30. 4. 1964, 0880/62; VwGH 21. 5. 1985, 85/14/0001) – aus dem in § 1 Abs 2 EStG verankerten Welteinkommensprinzip, der in § 2 EStG geregelten Einkommensermittlung und letztlich auch aus der Tarifbestimmung des § 33 EStG. Dass die Berücksichtigung von abkommensrechtlich befreiten Einkünften im Zuge der Berechnung der Progression dem DBA nicht entgegensteht, entspricht nicht nur gängiger DBA Praxis (schließlich wird der Progressionsvorbehalt auch in Art 23A Abs 3 OECD MA geregelt), sondern wurde auch im konkret anwendbaren DBA Deutschland in Art 23 Abs 2 lit d explizit verankert. Schon alleine aus diesen Gründen war der Argumentation des Bf von vornherein der Boden entzogen. Das Erkenntnis bietet aber insofern Anlass zur Diskussion, als es sich um eines der wenigen österreichischen Gerichtsentscheidungen zum abkommensrechtlichen Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbot iSd Art 24 Abs 1 OECD MA handelt (siehe etwa nur VwGH 30. 3. 2011, 2007/13/0105 und BFG 22. 6. 2017, RV/5101017/2016). Freilich war das Vorbringen des Bf aber auch hier zum Scheitern verurteilt, schließlich fehlt es schon am Vorliegen einer Diskriminierung: Ob eine Diskriminierung iSd DBA-rechtlichen Diskriminierungsverbote vorliegt, ist anhand der Gegenprobe festzustellen (umfassend zur Gegenprobe in der jüngeren österreichischen Literatur, siehe Rust, Australische Backpacker Tax verstößt gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot, SWI 2020, 14). Die Gegenprobe erfordert, dass bei Entfall des diskriminierenden Elementes – im Fall von Art 24 Abs 1 DBA Deutschland (deckungsgleich mit Art 24 Abs 1 OECD MA) ist das die Staatsangehörigkeit – die behauptete „andere oder belastendere Besteuerung“ (so der Wortlaut von Art 24 DBA Deutschland wie auch Art 24 OECD MA) im Vergleich zu einem ansässigen Staatsangehörigen „unter gleichen Verhältnissen“ entfiele (zur komplexen Auslegung der Wortfolge „unter gleichen Verhältnissen“, siehe Rn 7 des OECD MK zu Art 24). Nimmt man die Gegenprobe für den hier gegenständlichen Sachverhalt vor, so kommt man zu dem Ergebnis, dass der in Österreich ansässige Bf die Nachteile (also die „belastendere Besteuerung“) des Progressionsvorbehaltes auch dann erlitten hätte, wenn er nicht deutscher, sondern österreichischer Staatsbürger gewesen wäre. Schließlich wendet Österreich den Progressionsvorbehalt für unbeschränkt Steuerpflichtige unabhängig von deren Staatsangehörigkeit und sohin auch auf Ansässige mit österreichischer Staatsangehörigkeit an. Wenn auch die Entscheidung sohin keine Neuigkeiten bringt, spricht das Erkenntnis des BFG grundsätzliche Fragen der Anwendung des DBA-Methodenartikels an und bereichert den österreichischen Rechtsbestand um eine rare gerichtliche Stellungnahme zur Auslegung des DBA-rechtlichen Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbots (siehe allerdings in diesem Zusammenhang schon BFG 22. 6. 2017, RV/5101017/2016, wo die Bf ebenfalls die Anwendung des Progressionsvorbehaltes auf ausländische Vermietungseinkünfte durch Behauptung einer Diskriminierung nach Art 24 Abs 1 DBA Deutschland erfolglos zu bekämpfen versuchte; zu dieser Entscheidung siehe Haslehner in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 [2018] Art 24 Rn 16).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32972 vom 29.08.2022