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BFG: Eine Veranlagung 14 Monate nach Einreichen der Steuererklärung rechtfertigt keinen Antrag nach § 299 BAO auf Aufhebung des Bescheides betreffend Anspruchszinsen

Bearbeiter: Matthias Zaman

BAO: §§ 299, 205

Abstract

Das BFG hatte über einen Antrag gem § 299 BAO auf Aufhebung eines Anspruchszinsenbescheides zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin sah den Anspruchszinsenbescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, da die Behörde nicht wie von § 85a BAO vorgesehen ohne unnötigen Aufschub entschieden hatte. Das BFG wies die Beschwerde ab, da nicht nur ohne Bedeutung ist aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgt, sondern auch die Gründe, weshalb Differenzbeträge entstanden sind, unerheblich sind.

BFG 16. 1. 2025, RV/7103757/2024

Sachverhalt

Die Einkommensteuererklärung der Beschwerdeführerin (Bf) für das Jahr 2021 wurde über FinanzOnline am 20. 3. 2023 eingereicht. Am 23. 5. 2024 erfolgte die erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer 2021 mit einer Festsetzung von 109.253,00 €. Unter Anrechnung einer Vorauszahlung von 26.330,00 € hatte die Bf 82.923,00 € nachzuzahlen. Daraus resultierend wurden am selben Tag Anspruchszinsen iHv 6.835,58 € festgesetzt. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Antrag vom 22. 7. 2024 begehrte die Bf die Aufhebung des Anspruchszinsenbescheides gem § 299 BAO. Die Rechtswidrigkeit wurde darin gesehen, dass die Behörde nicht gem § 85a BAO ohne unnötigen Aufschub die ESt für 2021 festgesetzt habe.

Entscheidung des BFG

Gem § 299 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus (VwGH 24. 6. 2010, 2010/15/0059; 20. 1. 2016, 2012/13/0059). Der Inhalt eines Bescheides ist rechtswidrig, wenn der Spruch des Bescheides rechtswidrig ist. Der Bescheidspruch ist nicht nur bei unzutreffender Auslegung von Rechtsvorschriften inhaltlich rechtswidrig, sondern auch rechtswidrig, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden. Aus § 205 Abs 1 BAO ergibt sich, dass für Differenzbeträge, die sich aus Abgabenbescheiden nach Gegenüberstellung mit geleisteten Vorauszahlungen ergeben, für aus ESt-Bescheiden resultierende Abgabennachforderungen und -gutschriften, Anspruchszinsen festzusetzen sind. Nach den Gesetzesmaterialien sollen Anspruchszinsen Zinsvorteile bzw -nachteile ausgleichen, die sich für den Abgabepflichtigen dadurch ergeben, dass der Abgabenanspruch für eine bestimmte Abgabe mit Ablauf des Jahres entsteht, Abgabenfestsetzungen aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen (siehe ErlRV 311 BlgNR 21. GP 196).

Die Bf vertritt die Ansicht, dass die Festsetzung von Anspruchszinsen zur Einkommensteuernachforderung 2021 zu Unrecht erfolgt sei, da das Finanzamt erst 14 Monate nach dem Einreichen der Erklärung die ESt veranlagte. Damit habe die Behörde das Anbringen, nicht wie von § 85a BAO gefordert, ohne unnötigen Aufschub erledigt. Jedoch sind Anspruchszinsen der Intention des Gesetzgebers nach eine objektive Rechtsfolge, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben. § 205 BAO knüpft allein an die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw -nachteilen an. Damit sind im Anwendungsbereich des § 205 BAO die Gründe und ein allfälliges Verschulden am Zustandekommen einer Einkommensteuernachforderung unbeachtlich. Dem Willen des Gesetzgebers folgend löst allein der Umstand, dass sich aus der zeitlichen Diskrepanz zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Einkommensteuerschuld mit Ende des Veranlagungszeitraumes und der bescheidmäßigen Festsetzung die Möglichkeit ergibt, daraus Zinsvor- und -nachteile zu erzielen, die Festsetzung von Anspruchszinsen aus. Somit ist nicht nur ohne Bedeutung aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgt, sondern es sind auch die Gründe, weshalb Differenzbeträge entstanden sind, unerheblich.

Im Ergebnis hat daher das BFG die Beschwerde abgewiesen, da der Bescheid über die Anspruchszinsen aus dem Veranlagungsjahr 2021 nicht unrichtig war. Die Bf hat dagegen ao Revision vor dem VwGH erhoben.

Conclusio

Das BFG hat sich in seinem Erkenntnis nicht damit auseinandergesetzt, ob die Behörde bei der Veranlagung 14 Monate nach Einreichung der Einkommensteuererklärung dem Gebot des § 85a BAO zur Erledigung ohne unnötigen Aufschub nachgekommen ist. Diese Frage war nach den Ausführungen des BFG nicht entscheidungserheblich, da die Verzinsung nicht davon abhängt, ob die Steuerfestsetzung aufgrund einer Verletzung der Pflicht der Behörde zur Entscheidung ohne unnötigen Aufschub verspätet erfolgt (siehe mwN Ritz/Koran, BAO8 [2025] § 205 BAO Rz 3).

Die Bf bringt dagegen jedoch – wie dem Verfahrensgang des Erkenntnisses zu entnehmen ist – vor, dass dies der Finanzverwaltung die Möglichkeit einräume, durch bloße Untätigkeit Zinsvorteile zu lukrieren. Diese Sichtweise widerspreche nach der Bf einerseits dem im Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG verankerten Grundsatz der Vorhersehbarkeit verwaltungsbehördlicher Entscheidungen und andererseits auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 7 B-VG. Es ist der Bf zuzustimmen, dass die Untätigkeit der Finanzverwaltung die Höhe der Verzinsung beeinflussen kann. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben könnte dies problematisch sein, da Art 7 B-VG willkürliches Verhalten verbietet. Subjektiv willkürliches Verhalten könnte ein absichtliches Hinauszögern der Steuerfestsetzung sein, wenn aus der Steuererklärung bereits ersichtlich ist, dass Anspruchszinsen einzuheben sind (vgl Grabenwarter/Frank, B-VG Art 7 Rz 10 [Stand 20. 6. 2020, rdb.at]; Khakzadeh in Kahl/Khakzadeh/Schmid, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B-VG und Grundrechte Art 7 B-VG Rz 110 [Stand 1. 1. 2021, rdb.at]). Der Wortlaut des § 205 BAO verbietet eine solche Vorgehensweise nicht. Dennoch ist § 205 Abs 1 BAO in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen so zu interpretieren, dass ein solches Vorgehen gegen das Willkürverbot des Art 7 B-VG verstoßen könnte. Damit wäre auch das BFG verpflichtet, diese Verfassungswidrigkeit in der Beschwerde aufzugreifen.

In Anlehnung an die Ausführungen des BFG ist der Bf jedoch entgegenzuhalten, dass für eine Festsetzung von Anspruchszinsen gem § 205 BAO allein die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw -nachteilen entscheidend ist (ErlRV 311 BlgNR 21. GP 196). Zinsen stellen keine Strafe da, sondern sollen Zinsvorteile bzw -nachteile ausgleichen (vgl mwN Ritz/Koran, BAO8 [2025] § 205 BAO Rz 2). Der Begriff „ausgleichen“ verdeutlicht den Zweck des § 205 BAO: Die Bestimmung sorgt dafür, dass der Zeitwert des Geldes berücksichtigt wird, womit sowohl Differenzbeträge, die zu Gutschriften als auch solche die zu Belastungen für den Steuerpflichtigen führen, verzinst werden. Aus wirtschaftlicher Sicht erfährt die Bf durch die Verzinsung der Nachzahlung keinen Nachteil, sondern die Verzinsung soll nur Effekte aus dem Zeitwert des Geldes ausgleichen. Solange zumindest die gem § 205 Abs 2 BAO zu berechnenden Anspruchszinsen den am Markt erzielbaren Zins nicht übersteigen, würde nach dieser Auffassung auch eine verspätete Steuerfestsetzung, die gegen § 85a BAO verstößt, den Steuerpflichtigen nicht benachteiligen.

Zurückkommend auf das Erkenntnis des BFG hat sich dieses jedoch nicht mit den von der Bf vorgebrachten verfassungsrechtlichen Argumenten auseinandergesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob der VwGH die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bf in der ao Revision aufgreifen wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36665 vom 29.04.2025