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BFG: Entfall des Rechts auf Vorsteuerabzug

Bearbeiter: Matthias Zaman

UStG 1994: § 11 Abs 1 Z 1; § 12 Abs 1 Z 1, § 12 Abs 14

Abstract

Nach § 12 Abs 14 UStG entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz iZm Umsatzsteuerhinterziehungen steht. Verdachtsmomente für eine Umsatzsteuerhinterziehung, die eine erhöhte Sorgfaltspflicht zur Folge haben, liegen vor, wenn Zweifel an der Identität eines Geschäftspartners bestehen oder Zahlungen in unüblicher Weise abgewickelt werden. In diesen Fällen treffen den Unternehmer weitergehende Überprüfungspflichten, da widrigenfalls ein Entfall des Vorsteuerabzugs nach § 12 Abs 14 UStG droht.

BFG 27. 6. 2024, RV/7101450/2022

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) nahm eine Sanierung seiner Liegenschaft vor und beauftragte dafür ein Bauunternehmen, mit dem er bereits in einer Geschäftsbeziehung stand. Dabei waren verschiedene Arbeiter auf der Baustelle tätig, die mehrmals gewechselt haben. Im Mai 2020 teilte das Bauunternehmen dem Bf mit, dass die Rechnungslegung über eine andere Gesellschaft („Gesellschaft 1“) durchgeführt werden soll. Mit der Gesellschaft 1 unterhielt der Bf bis dato keinerlei Geschäftsbeziehungen. Diese Gesellschaft hatte dem Bf kein Angebot erstellt. Es wurden auch keine vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft 1 und dem Bf geschlossen. Auch sonstigen Schriftverkehr gab es nicht.

Die Gesellschaft 1 wurde gem § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) mit Feststellungsbescheid vom 4. 1. 2021 rückwirkend vom 1. 1. 2020 an als Scheinunternehmen geführt, da keine Geschäftstätigkeit an der Rechnungsadresse ausgeübt und die Umsatzsteuer und arbeitnehmer- sowie arbeitgeberbezogene Abgaben nicht erklärt und abgeführt wurden. Zudem sind im Beschwerdezeitraum dieselben Arbeiter für Gesellschaft 1 und für das Bauunternehmen tätig geworden.

Der Bf hatte im Jahr 2020 zur Überprüfung der Gesellschaft durch seinen steuerlichen Vertreter einen Firmenbuchauszug, eine UID-Abfrage und eine Listenabfrage der Scheinunternehmen durchführen lassen. Die Ergebnisse zeigten, dass bei der Gesellschaft eine Änderung des Geschäftszweiges und des Geschäftsführers vorgenommen wurden. Weitere Überprüfungen hat der Bf nicht durchgeführt und auch die Gesellschaft nicht kontaktiert.

Mit Bescheid vom 10. 1. 2022 setzte das FA zunächst die Umsatzsteuer für den Monat 11/2020 fest. Darin erkannte es die geltend gemachten Vorsteuern iHv 6.400,62 € mit der Begründung, es liege ein Scheinunternehmen vor, nicht an. Zudem setzte das FA mit Bescheid vom 29. 6. 2022 die Umsatzsteuer für das Jahr 2020 fest und veranlagte das Jahr 2020 unter Kürzung der Vorsteuern iHv 6.400,62 €. Dagegen erhob der Bf Beschwerde vor dem BFG.

Entscheidung des BFG

Nach § 12 Abs 14 UStG entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz iZm Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht. Der Vorsteuerabzug kann unter Berücksichtigung der Rsp des EuGH nach § 12 Abs 14 UStG auch bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen entfallen. Den Ausführungen des BFG folgend hat der Bf seine Sorgfaltspflichten nicht eingehalten, da im vorliegenden Fall mehrere Verdachtsmomente für eine Umsatzsteuerhinterziehung zusammentrafen: Die ungewöhnliche Zahlungsabwicklung durch die Durchführung von Bargeschäften/Überweisungen an andere als dem unmittelbaren Geschäftspartner, die plötzliche Fortführung/Fakturierung der Geschäftsvorfälle durch ein anderes Unternehmen, das Tätigwerden von identischen Personen, die für mehrere Unternehmen handeln bzw vermitteln sowie die kurzfristige Änderung des Geschäftsführers und des Geschäftszweiges sowie der Adresse lt Fimenbuchauszug. Diese Verdachtsmomente einer Umsatzsteuerhinterziehung haben zur Folge, dass der Bf zu weiteren Überprüfungen verpflichtet gewesen wäre. Damit geht das BFG in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Bf vom Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen.

Aus der Rechtsfolge des § 12 Abs 14 UStG ergibt sich daher dem BFG zufolge, dass trotz tatsächlicher Erbringung der Bauleistungen der Vorsteuerabzug zu verweigern ist, denn der Bf hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war. Damit hat der Bf den Vorsteuerabzug in missbräuchlicher Art und Weise geltend gemacht (VwGH 19. 5. 2020, Ro 2019/13/0030; EuGH 4. 6. 2020, SC C.F., C-430/19, Rn 43). Zudem sind nach den Ausführungen des BFG auch die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges gem § 12 Abs 1 Z 1 UStG nicht gegeben, da der fakturierenden Gesellschaft die Steuerpflichtigeneigenschaft nicht zukommt. Somit sind ebenso die allgemeinen Voraussetzungen der Vorsteuerabzugsberechtigung des § 11 Abs 1 Z 1 UStG nicht erfüllt.

Vor diesem Hintergrund hat das FA – abweichend vom zunächst erlassenen Bescheid vom 10. 1. 2022 für den Monat 11/2020 – in der mündlichen Verhandlung beantragt, die gesamten auf die Gesellschaft 1 entfallenden Vorsteuern iHv 19.986,96 € für das Jahr 2020 nicht anzuerkennen. Das BFG hat diesem Antrag stattgegeben und die Umsatzsteuer für das Jahr 2020 mit 19.293,34 € festgesetzt. Die Beschwerde war daher vom BFG als unbegründet abzuweisen.

Conclusio

Das vorliegende Erk des BFG kann nahtlos in die Rsp des UFS/BFG zum erforderlichen Sorgfaltsmaßstab von Unternehmern bei Verdachtsmomenten auf Umsatzsteuerbetrug eingereiht werden (siehe dazu insb UFS 13. 7. 2007, RV/1820-W/04; 1. 12. 2010, RV/1633-W/10; BFG 18. 2. 2020, RV/7102457/2015; 18. 4. 2023, RV/5100588/2013 sowie auch Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, UStG6 [2024] § 12 UStG Rz 92 ff). Konkret stellt die plötzliche Verrechnung der Bauleistungen durch eine andere Gesellschaft ohne nähere Begründung eine Unregelmäßigkeit in der Abrechnung dar, die eine Pflicht zur weitergehenden Überprüfung nach sich zieht. Die vorgenommenen Maßnahmen des Bf genügen bei einer derart auffällig ungewöhnlichen Abwicklung des Geschäfts nicht. Hervorzuheben ist, dass auch insb die Änderung des Geschäftsführers und des Geschäftszweiges sowie der Adresse im Firmenbuch Indizien für einen Umsatzsteuerbetrug sein können. Unternehmer sind daher bei ungewöhnlicher Zahlungsabwicklung und Zweifel an der Identität des Geschäftspartners angehalten, weitere Überprüfungsmaßnahmen vorzunehmen. Als ultima ratio können Unternehmer auch zur Beendigung der Geschäftsbeziehung verpflichtet sein, um einen Entfall des Vorsteuerabzugs zu vermeiden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36057 vom 05.11.2024