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BFG: Entgelte für den Erwerb einer Programmkopie einer Software als Lizenzgebühren iSd Art 12 DBA China?

Bearbeiter: Benjamin Beer

DBA China: Art 7, 12, 24

Abstract

Das BFG hatte zu beurteilen, ob Entgelte für den Erwerb einer Programmkopie einer Software als Lizenzgebühren iSd Art 12 DBA China oder Unternehmensgewinne iSd Art 7 DBA China zu subsumieren sind. Nach Ansicht des BFG fallen diese Entgelte unter Art 7 DBA China, da keine Urheberrechte an der Software übertragen werden.

BFG 22. 7. 2024, RV/5100103/2022

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) war in der Entwicklung von Individualsoftware tätig. Ua vertrieb sie diese entwickelte Software mithilfe eines Vertriebspartners, zu dem kein Beteiligungsverhältnis bestand, an Kunden in China. Der Vertrieb funktionierte so, dass die Bf Softwarepakete an ihren Partner veräußerte, der diese dann durch den Abschluss von Softwareüberlassungsverträgen weiter an die Endkunden vertrieb. Kein Gegenstand der jeweiligen Verträge zwischen der Bf und ihrem Vertriebspartner war die Überlassung von Urheberrechten, wie etwa das Recht auf Vervielfältigung der Software.

Der chinesische Vertriebspartner führte bei den Entgeltzahlungen für die Softwarepakete an die Bf chinesische Quellensteuer ab. Mit der Begründung, die Software sei eine „Ausrüstung“ iSd Art 12 Abs 3 DBA China und die vorliegenden Entgeltzahlungen des Vertriebspartners seien Lizenzgebühren, beantragte die Bf die Anrechnung der entrichteten Quellensteuern auf die österreichische KöSt. Im KöSt-Bescheid 2019 versagte das FA jedoch deren Anrechnung. Begründend führte das FA aus, Software sei keine „Ausrüstung“ iSd Art 12 Abs 3 DBA China, weswegen die Entgelte nicht unter den Lizenzgebührenbegriff fallen würden. Außerdem läge ein Verkauf der Software vor, der zu Unternehmensgewinnen iSd Art 7 DBA China führen würde. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf Beschwerde. Infolge einer abweisenden BVE hatte das BFG über diesen Sachverhalt zu entscheiden.

Entscheidung des BFG

Das BFG stellt zunächst fest, dass für die Interpretation eines DBA, das einem Musterabkommen nachgebildet ist, nur diejenige Fassung des MA und des Kommentars hierzu herangezogen werden kann, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA bereits vorgelegen ist. Da das DBA China dem Lizenzgebührenbegriff des OECD-MA 1977 und des UN-MA 1980 folgt, ist es nach Ansicht des BFG irrelevant, dass mit dem OECD-MA 1992 die Wortfolge „die Benutzung oder das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen“ entfernt wurde.

In weiterer Folge stellt das BFG fest, dass der Begriff „Ausrüstungen“ iSd Art 12 Abs 3 DBA China weder im OECD-MA noch im UN-MA definiert ist. Bis zur EAS 3436 vom 1. 6. 2022 vertrat die FinVw hierzu die Ansicht, dass sowohl körperliche als auch unkörperliche Gegenstände „Ausrüstungen“ darstellen können. Infolge dieser EAS können jedoch nur mehr körperliche Wirtschaftsgüter unter den Begriff „Ausrüstungen“ fallen.

Für das BFG ist es jedoch unerheblich, ob der Begriff „Ausrüstungen“ auch unkörperliche Wirtschaftsgüter erfasst. Denn nach dessen Ansicht führen Entgelte für den Erwerb einer Programmkopie einer Software für Zwecke des persönlichen oder betrieblichen Gebrauchs zu Unternehmensgewinnen iSd Art 7 DBA-China. Nur dann, wenn die Software vervielfältigt, verwertet, verändert oder veröffentlicht werden darf, können Lizenzgebühren iSd Art 12 DBA China vorliegen. Im vorliegenden Fall werden aber keine solchen Urheberrechte, sondern die urheberrechtlich geschützte Software übertragen.

Im Ergebnis subsumiert das BFG die Zahlungen daher unter Art 7 DBA China und weist die Beschwerde ab. Da der VwGH sich noch nicht mit der Frage zu befassen hatte, ob Entgelte für den Erwerb einer Programmkopie einer Software für Zwecke des betrieblichen Gebrauchs zu Unternehmensgewinnen iSd Art 7 DBA China oder Lizenzgebühren iSd Art 12 DBA China führen, erklärt das BFG die Revision für zulässig. Außerdem weist das BFG auf die Möglichkeit der Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art 26 DBA China hin.

Conclusio

Zentral ist im vorliegenden Fall die Abgrenzung der beiden Verteilungsnormen Art 7 und Art 12 DBA China. Da Art 7 DBA China als geschlossene Verteilungsnorm konzipiert ist, würde Österreich das ausschließliche Besteuerungsrecht an den Einkünften erhalten, sollten die Einkünfte tatsächlich unter Art 7 DBA China fallen und die Bf ihre wirtschaftliche Tätigkeit nicht durch eine chinesische Betriebsstätte entfalten. Umgekehrt würde die Subsumtion der Einkünfte unter die offene Verteilungsnorm des Art 12 DBA China zu einer Besteuerungsmöglichkeit sowohl im Quellenstaat (China) als auch im Ansässigkeitsstaat (Österreich) führen. Die Doppelbesteuerung würde dann dadurch vermieden werden, dass die in China erhobene Quellensteuer in Österreich nach Maßgabe des Art 24 Abs 2 DBA China angerechnet wird. Zu beachten wäre dann auch die reduzierte Bemessungsgrundlage nach Abs 4 des Protokolls zum DBA China.

Im vorliegenden Fall war man in China wohl von einer Subsumtion der Einkünfte unter Art 12 DBA China ausgegangen, denn in China wurde eine Quellensteuer abgeführt. Da in Österreich die Einkünfte aber unter Art 7 DBA China subsumiert werden, der – mangels Vorliegens einer Betriebsstätte in China – kein chinesisches Quellenbesteuerungsrecht vorsieht, werden im vorliegenden Fall die Einkünfte doppelt besteuert. Diese Doppelbesteuerung ist auf einen Interpretationskonflikt zurückzuführen. Ein Interpretationskonflikt meint nach Diktion des OECD-Kommentars (Rz 32.5 zu Art 23A und 23B) eine Situation, in der Doppelbesteuerung dadurch entsteht, dass der Quellenstaat Einkünfte unter eine andere Verteilungsnorm subsumiert als der Ansässigkeitsstaat und dies nicht auf Unterschiede im innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten (dann würde ein Qualifikationskonflikt iSd Rz 32.3 des OECD-Kommentars zu Art 23A und 23B vorliegen), sondern eine unterschiedliche Interpretation des Abkommens in den Vertragsstaaten, zurückzuführen ist. So war wohl Art 12 DBA China in China so ausgelegt worden, dass die vorliegenden Entgelte darunterfallen. Umgekehrt war in Österreich Art 12 DBA China so ausgelegt worden, dass die vorliegenden Einkünfte nicht darunter, sondern vielmehr unter Art 7 DBA China, fallen.

Zur Lösung eines solchen Interpretationskonfliktes kann der sog „New Approach“ der OECD, der im Zuge des Partnership-Reports entwickelt wurde und mit dem Update des OECD-Kommentars im Jahr 2000 Einzug in denselben gefunden hat (Rz 32.1-32-7 zu Art 23A und 23B), nicht herangezogen werden (ungeachtet dessen, dass nach auch vorliegend vom BFG vertretener statischer Auslegung diese neuere Version des OECD-Kommentars ohnehin nicht für die Interpretation des DBA China aus dem Jahr 1992 verwendet werden kann). Denn dieser ist in seinem Anwendungsbereich auf Qualifikationskonflikte beschränkt (Rz 32.3 zu Art 23A und 23B). Der „New Approach“ führt im Wesentlichen dazu, dass die im Quellenstaat vorgenommene Qualifikation im Ansässigkeitsstaat „durchschlägt“, dass also auf Basis dieser Qualifikation der Ansässigkeitsstaat unter Verwendung des Methodenartikels die Doppelbesteuerung vermeidet (Rz 32.3 zu Art 23A und 23B). Der vorliegende Fall zeigt also einerseits die Problematik der Abgrenzung zwischen Qualifikations- und Interpretationskonflikten und gleichzeitig die beschränkte Eignung des „New Approach“, Doppelbesteuerung bei Interpretationsdivergenzen zu vermeiden.

Interpretationskonflikte können durch eine abkommensautonome Auslegung der relevanten Bestimmungen eines DBA aufgelöst werden, die im Rahmen eines Verständigungsverfahrens iSd Art 26 DBA China, insb dessen Abs 3 Satz 1, gefunden werden kann (so auch Rz 32.5 des OECD-Kommentars zu Art 23A und 23B). Darauf weist auch das BFG in der vorliegenden Entscheidung hin. Im Ergebnis stellt sich daher die Frage, ob nach einer abkommensautonomen Auslegung die vorliegenden Entgelte unter Art 7 DBA China oder Art 12 DBA China zu subsumieren sind. In der Literatur wurde idZ Folgendes festgestellt: „Bei Vergütungen für Anwenderprogramme (Standardsoftware) zum persönlichen oder betrieblichen Gebrauch, bei der diese Benutzung bloß die bestimmungsgemäße Verwendung der Software umfasst und bei denen der Urheber nur das Recht einräumt, das Programm etwa auf die Festplatte des Nutzers zu kopieren, um es verwenden zu können (Erwerb einer Programmkopie), ist nicht Art 12, sondern regelmäßig Art 7 anzuwenden“ (Aigner/Aigner/Buzanich in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 [2019] Art 12 Rz 53 mwN). Auf diese Ausführungen nahm auch das BFG in seiner vorliegenden Entscheidung Bezug.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35949 vom 08.10.2024