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Abstract
Nach stRsp des VwGH ist eine unilaterale Entlastungsmaßnahme gem § 48 Abs 5 BAO bei Vorliegen von juristischer Doppelbesteuerung zulässig. Damit eine solche juristische Doppelbesteuerung vorliegt, muss ein und dieselbe Person in Bezug auf denselben Steuergegenstand sowohl von Österreich als auch von einem anderen Staat besteuert werden. Im gegenständlichen Fall kam es zu einer Doppelbesteuerung, die bei zwei verschiedenen Steuersubjekten (natürliche Person und Stiftung) eingetreten ist, weshalb bloß von einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung auszugehen war. Das BFG hatte daher zu entscheiden, ob eine Entlastung nach § 48 Abs 5 BAO auch bei einer solchen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zu gewähren ist.
BFG 13. 3. 2024, RV/7100082/2022
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) erhielt in den Jahren 2000–2019 Zuwendungen einer durch sie gegründeten Stiftung sowie Anstalt und bezog zusätzlich Pensionseinkünfte in Österreich und Leistungen aus der AHV Liechtenstein. Die abkommensrechtliche Ansässigkeit der Bf wurde sowohl von Österreich als auch von Liechtenstein angenommen. Schließlich rechneten die beiden Staaten das wirtschaftliche Eigentum am Stiftungs- und Anstaltsvermögen unterschiedlichen Steuersubjekten zu. Die Stiftung wurde in Österreich als steuerlich transparent behandelt, weshalb die Einkünfte der Bf zugerechnet wurden. In Liechtenstein wurde diese als intransparent qualifiziert. Dagegen wurde in Österreich die Anstalt als intransparent, in Liechtenstein als transparent eingestuft. In Österreich und Liechtenstein wurde demnach jeweils entweder die Bf oder die Stiftung bzw die Anstalt besteuert. Daraus resultierte eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung, weil unterschiedliche Steuersubjekte im Hinblick auf dasselbe Steuerobjekt doppelt besteuert wurden. Im Zuge des Verständigungsverfahrens hat die Bf nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen (BMF) nicht ausreichend zur Aufklärung des strittigen Sachverhalts beigetragen. So soll die Bf Auskünfte zur Ansässigkeit verweigert haben und ihrer Mitwirkungsverpflichtung wegen Nichtvorlage von Beweismitteln nicht nachgekommen sein. Zudem hat sie nicht gegen sämtliche in den Jahren 2000–2013 erlassenen Einkommensteuerbescheide Rechtsmittel erhoben. Im Jahr 2020 stellte die Bf daraufhin einen Antrag gem § 48 Abs 5 BAO, die liechtensteinische Steuer auf die österreichische Einkommensteuer 2000–2019 anzurechnen. Gegen den dagegen ergangenen abweisenden Bescheid des BMF erhob die Bf Beschwerde.
Entscheidung des BFG
Eine Entlastungsmaßnahme gem § 48 Abs 5 BAO ist zulässig, wenn der Steuerpflichtige der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegt und die Entlastungsmaßnahme zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist. Die Anwendbarkeit von § 48 Abs 5 BAO wegen Erforderlichkeit der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung ist dann zulässig, wenn eine „echte internationale Doppelbesteuerung“ (juristische Doppelbesteuerung) vorliegt. Nach VwGH-Rsp liegt eine solche vor, wenn gleiche oder gleichartige Steuern von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum erhoben werden (VwGH 28. 9. 2004, 2000/14/0172). Nach Ansicht des BFG impliziert dies die Subjektidentität. Ein und dieselbe Person muss bezogen auf denselben Steuergegenstand sowohl von Österreich als auch von einem anderen Staat besteuert werden. Durch die Besteuerung des Stiftungs- und Anstaltsvermögens bei unterschiedlichen Rechtsträgern – also entweder auf Ebene der Bf oder auf Ebene der Stiftung und Anstalt – ist keine Identität des Abgabepflichtigen gegeben. Es handelt sich im vorliegenden Fall sohin um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung und keine juristische Doppelbesteuerung iSd stRsp des VwGH (VwGH 29. 1. 1998, 95/15/43; 28. 9. 2004, 2000/14/0172). Das BFG verweist hierbei auf ein jüngeres Erk des VwGH (30. 6. 2021, Ra 2021/15/0042), in dem der VwGH seine Rsp zur Anwendbarkeit von § 48 Abs 5 BAO nur im Falle einer juristischen Doppelbesteuerung wiederholt.
Außerdem stützt das BFG seine Entscheidung auf das dem BMF durch § 48 Abs 5 BAO eingeräumte Ermessen. Die Kriterien der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung und der Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung fungieren als Leitlinien für die Ermessensentscheidung (VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043). Der BMF hat seine Entscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die gegenständliche Doppelbesteuerung ist nach Feststellung des BFG zwar als unbillig zu qualifizieren. Gegen eine positive Ermessensentscheidung spricht jedoch die fehlende Zweckmäßigkeit im Hinblick auf die konkreten Umstände des Sachverhalts. Eine Beseitigung der Doppelbesteuerung gem § 48 Abs 5 BAO soll nur subsidiär möglich sein, wenn die Entlastungsmaßnahme erforderlich ist. Die Bf hat jedoch durch mangelnde Mitwirkung in den Verfahren und durch die Nichterhebung von Rechtsmitteln zur Entstehung der Doppelbesteuerung beigetragen. Die Ermessensentscheidung hatte somit, unabhängig vom Vorliegen einer juristischen oder wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, negativ auszufallen.
Die Beschwerde wurde aus den dargelegten Gründen als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde zugelassen.
Conclusio
Die vorliegende Entscheidung steht im Einklang mit der stRsp des VwGH, wonach die Anwendung des § 48 Abs 5 BAO zum Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung bei juristischer Doppelbesteuerung zulässig ist (vgl VwGH 29. 1. 1998, 95/15/43; 28. 9. 2004, 2000/14/0172). Ob der Besteuerungsausgleich daneben auch bei bloß wirtschaftlicher Doppelbesteuerung zulässig ist, hat der VwGH bisher nicht ausdrücklich beantwortet. Tatsächlich wurde die Rechtsfrage in VwGH 30. 6. 2021, Ra 2021/15/0042 gerade nicht beantwortet, da sie nicht Gegenstand der Revision war. Da der VwGH die Frage jedoch in diesem Erk trotz abweichendem Revisionsgegenstand aufwirft und auf seine stRsp zur juristischen Doppelbesteuerung verweist, ist wohl davon auszugehen, dass er § 48 Abs 5 BAO nur bei juristischer und nicht bei wirtschaftlicher Doppelbesteuerung heranzieht. Nach einem Teil der Literatur (Weninger, SWI 1999, 207; Loukota in FS Stoll 411) soll die Entlastung nach § 48 Abs 5 BAO auch bei bloß wirtschaftlicher Doppelbesteuerung möglich sein. Der Wortlaut der Norm schließt die Entlastung bei wirtschaftlicher Doppelbesteuerung jedenfalls nicht aus und auch der Normzweck, eine bestehende Doppelbelastung aufzuheben, spricht grds für die Zulässigkeit der Entlastungsmaßnahme. Im gegenständlichen Fall begründet das BFG seine abweisende Entscheidung mit der fehlenden Zweckmäßigkeit der Steuerentlastung und trifft daher eine Ermessensentscheidung. Dieses Ergebnis ist aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Bf in den Verfahren auch naheliegend. Eine Beantwortung der Rechtsfrage zur Anwendbarkeit von § 48 Abs 5 BAO bei bloß wirtschaftlicher Doppelbesteuerung durch den VwGH ist mangels Revision jedoch nicht zu erwarten.