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KStG: § 9 Abs 8 sechster TS, § 9 Abs 9 dritter und vierter TS, § 24a Abs 3
Abstract
Das BFG hatte über eine Beschwerde gegen einen Körperschaftsteuerbescheid an den Gruppenträger zu entscheiden, in welchem das negative Ergebnis eines (vermeintlichen) Gruppenmitglieds nicht berücksichtigt wurde. Zwar wurde die Aufnahme des neuen Gruppenmitglieds beantragt, ein entsprechender Gruppenfeststellungsbescheid erging jedoch nicht. Das BFG gab der Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid folge, da ein Körperschaftsteuerbescheid für eine Unternehmensgruppe erst ergehen könne, wenn die Voraussetzungen für das Bestehen der Unternehmensgruppe bescheidmäßig festgestellt worden sind (Gruppenfeststellungsbescheid).
BFG 1. 6. 2022, RV/2100720/2020
Sachverhalt
Im März 2017 beantragte die Gruppenträgerin T GmbH (Bf) die Aufnahme eines weiteren unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieds (G GmbH) in die Unternehmensgruppe ab dem Veranlagungsjahr 2017. Dieser Antrag blieb jedoch unerledigt. Es erfolgte daher keine Abänderung des bestehenden Gruppenfeststellungsbescheides (§ 9 Abs 8 sechster TS iVm Abs 9 dritter und vierter TS KStG). Im Körperschaftsteuerbescheid 2017 wurde das Gesamteinkommen der Gruppe somit ohne Berücksichtigung des negativen Einkommens der G GmbH ermittelt. Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde.
Entscheidung des BFG
Zunächst hält das BFG fest, dass der Bescheid gem § 9 Abs 8 sechster TS KStG („Gruppenfeststellungsbescheid“) den Grundlagenbescheid für die folgenden Körperschaftsteuerverfahren darstellt. Er entfaltet Bindungswirkung insb gegenüber dem an den Gruppenträger adressierten Leistungsbescheid. Jedoch dürfen, wenn Feststellungsbescheide zu erlassen sind (zB § 188 BAO), davon abzuleitende Bescheide auch bereits zuvor ergehen (Ritz/Koran, BAO7 § 185 Tz 3, Bibus, ÖStZ 1988, 223; VwGH 14. 12. 1988, 84/13/0063; BMF, SWK 1989, A V 2; Arnold, AnwBl 1994, 912; Watzinger in Koller/Schuh/Woischitzschläger, Betriebsprüfung I [1993] C 3 § 185 Abschnitt 3.3.; aM Breustedt, ÖStZ 1970, 48; VwGH 24. 11. 1987, 87/14/0005, 0006; Zorn, ÖStZ 1988, 50; Stoll, BAO [1994] 1953).
Das BFG weist darauf hin, dass die Behörde den Gruppenfeststellungsantrag bisher unerledigt gelassen hat und der Körperschaftsteuerbescheid 2017 entsprechend ohne Einbeziehung des negativen Einkommens der G GmbH erlassen wurde. Weiters wird festgehalten, dass das Körperschaftsteuerverfahren ein dem Feststellungsverfahren nachgelagertes Verfahren ist, in dem keine bindenden Feststellungen über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit eines Gruppenmitglieds in die Unternehmensgruppe getroffen werden können.
In der Folge beschäftigt sich das BFG mit der Entscheidung VwGH 24. 11. 1987, 87/14/0005, in der der Gerichtshof den Einwand als berechtigt erachtet, gemeinschaftliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien (immer) gem § 188 BAO einheitlich festzustellen: Sind einheitliche und gesonderte Feststellungen vorgesehen, so hat zwingend ein Grundlagenbescheid als Basis für den abgeleiteten Bescheid zu ergehen (Stoll, BAO-Handbuch [1980] 426). Wird dagegen ein Einkommensteuerbescheid erlassen, der anteilig Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erfasst, an denen mehrere Personen beteiligt sind, so ist dieser Bescheid rechtswidrig, wenn er nicht auf einer bescheidmäßigen einheitlichen und gesonderten Feststellung gem § 188 BAO aufbaut.
Den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt erachtete das BFG als vergleichbar zum beschriebenen VwGH-Fall. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid rechnet nämlich die Ergebnisse des Gruppenträgers und der Gruppenmitglieder zusammen; eine derartige Zusammenrechnung ist jedoch nicht möglich, wenn nicht zuvor alle Gruppenmitglieder im betreffenden Veranlagungsjahr bescheidmäßig festgestellt wurden. Wären, so das BFG, im Körperschaftsteuerverfahren des Gruppenträgers eigenständige Beurteilungen vorgesehen, ob eine Körperschaft Mitglied der Gruppe im entsprechenden Steuerjahr ist, so wäre die Erlassung eines Gruppenfeststellungsbescheides iSd § 9 Abs 8 sechster TS KStG überflüssig. Das BFG ging daher davon aus, dass der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid rechtswidrig ergangen ist und gab der Beschwerde folge. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Conclusio
Auffallend an der gegenständlichen Entscheidung ist, dass das BFG zunächst ua auf Ritz/Koran, BAO7 § 185 Tz 3 verweist, wonach abgeleitete Bescheide auch vor Grundlagenbescheiden ergehen dürfen. Gleichzeitig wird auch auf die andere Ansicht in Literatur und Judikatur hingewiesen, die diese Möglichkeit verneint (insb VwGH 24. 11. 1987, 87/14/0005). In der Folge setzt sich das BFG im Detail mit dieser Entscheidung des VwGH auseinander und wendet schließlich die dort vertretene Rechtsansicht auf den vorliegenden Fall an.
Dies überrascht, da in der jüngeren Rsp des VwGH die Frage, ob abgeleitete Bescheide vor Grundlagenbescheiden ergehen dürfen, bejaht wird (s VwGH 14. 12. 1988, 84/13/0063; 18. 8. 1994, 94/16/0176; VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0083; 24. 10. 2013, 2010/15/0090, s auch Stoll, BAO, 2856 oder Ritz/Koran, BAO7 § 295 Tz 10). Auch wenn diese Entscheidungen nicht spezifisch zur Gruppenbesteuerung ergangen sind, ist auffällig, dass sich das BFG mit diesen Erkenntnissen nicht beschäftigt hat. Vielmehr wurde eine Entscheidung des VwGH herangezogen, die vor den genannten Erkenntnissen ergangen ist und von diesen abweicht. Ebenso überraschend ist, dass die Revision nicht zugelassen wurde, obwohl dies im Falle der Uneinheitlichkeit, des Abweichens oder des Fehlens der Rechtsprechung des VwGH geboten wäre (Art 133 Abs 4 B-VG).
Abschließend ist anzumerken, dass das in der BAO vorgesehene System der Grundlagen- und davon abgeleiteten Bescheide grundsätzlich der Verfahrensökonomie dienen soll (Ritz/Koran, BAO7, § 185 Tz 2). Ergeht ein abzuleitender Bescheid trotzdem vor dem Grundlagenbescheid, so ist eine nach späterem Erlass des Grundlagenbescheides ggf notwendige Abänderung oder Aufhebung des abzuleitenden Bescheides mittels § 295 Abs 1 BAO zu erreichen.