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Abstract
Im vorliegenden Fall erklärten die Gesellschafter, ihre Gesellschafterdarlehen angesichts der prekären Situation ihrer GmbH in eine ungebundene Kapitalrücklage umzuwandeln. Ua aufgrund der sozietären Veranlassung wollten diese darin keinen Verzicht auf nicht mehr werthaltige Forderungen iSd § 8 Abs 1 KStG erkennen. Das BFG schloss sich jedoch der Ansicht des Finanzamts an und sprach aus, dass § 8 Abs 1 letzter Satz den Wegfall der Verbindlichkeit der Gesellschaft als nicht mehr gesellschaftsrechtlich, sondern als betrieblich veranlasst verankert.
BFG 22. 3. 2024, RV/2101134/2020
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine GmbH, die von ihren Gesellschaftern 2012 verzinsliche Gesellschafterdarlehen nahm, um damit neue Investitionen zu tätigen. 2013 gaben die Gesellschafter in Bezug auf die Darlehen zudem Rückstehungserklärungen ab. Aufgrund der fehlgeschlagenen Investitionen kam die GmbH in finanzielle Schwierigkeiten: Um in der Bilanz 2014 positives Eigenkapital ausweisen zu können, beschlossen die Gesellschafter, ihre Gesellschafterdarlehen in nicht gebundene Kapitalrücklagen umzuwandeln. Das Finanzamt wertete die Umwandlungen als Forderungsverzicht und sah die Forderungen selbst angesichts des fehlenden Gesellschaftsvermögens als nicht mehr werthaltig an, weshalb diese gem § 8 Abs 1 letzter Satz KStG zu versteuern seien. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Bf, die ua dagegen vorbringt, dass die Darlehensgewährung aufgrund der sozietären Veranlassung von vornherein als verdeckte Einlage zu qualifizieren gewesen sei. Die Umwandlung könne daher auch keinen Forderungsverzicht iSd § 8 Abs 1 KStG darstellen. Darüber hinaus hat sich die Bf nach der Kapitalzufuhr wieder erholt, weshalb die Forderung nie ihre Werthaltigkeit verloren hätte, da letztere nicht zeitpunktbezogen, sondern zeitraumbezogen zu beurteilen sei.
Entscheidung des BFG
Das BFG hält zunächst fest, dass § 8 Abs 1 KStG im Sinne der Finanzierungsfreiheit auszulegen ist. Eine verdeckte Einlage kann nur dann vorliegen, wenn nach Art der Vereinbarung die Rechtsqualität einer Mittelzufuhr unklar oder sonst unangemessen wäre (vgl Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr, KStG [2015] § 8 Rz 76). Aufgrund der Verzinslichkeit und der Beurkundung können im vorliegenden Fall aber keine Bedenken an der Wirksamkeit der Darlehen bestehen. Auch die Rückstehungserklärungen bestätigen den Rechtsbestand der Darlehen, anstatt ihn in Zweifel zu ziehen, da der Rückforderungsanspruch zwar an positives Eigenkapital geknüpft, aber weiter aufrechterhalten wurde. Die Gesellschafterdarlehen sind daher nicht als gesellschaftsrechtlich veranlasst und als Einlagengewähr zu sehen.
Hingegen stimmt das BFG mit der Bf darin überein, dass die Umwandlung der Darlehen in nicht gebundene Kapitalrücklagen gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass zwischen einander fremd gegenüberstehenden Geschäftspartnern bereits deshalb auf eine Forderung verzichtet wird, weil die Einbringung der Forderung aussichtslos erscheint (vgl VwGH 23. 9. 2005, 2003/15/0078). Jedoch ergibt sich aus den Gesetzeserläuterungen zu § 8 KStG, dass der letzte Satz des § 8 Abs 1 KStG einen Forderungsverzicht als nicht mehr gesellschaftsrechtlich, sondern als betrieblich veranlasst verankert und demnach steuerlich wirksam werden lässt (vgl ErläutRV 43 BlgNR 23. GP). § 8 Abs 1 KStG unterscheidet dabei nicht, ob es sich um einen Verzicht von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder um Darlehen handle, weshalb die Umwandlung in eine Kapitalzufuhr als Forderungsverzicht iSd § 8 Abs 1 letzter Satz KStG zu werten ist. Dass die GmbH nach der Einlage sich wieder erholte, ändert nichts an der fehlenden Werthaltigkeit der Forderungen, da diese zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts, also zum Zeitpunkt der Umwandlungserklärung der Gesellschafter, in einem beträchtlichen Ausmaß nicht werthaltig waren. Der Beschwerde der Bf ist daher nicht stattzugeben, die Revision ist zulässig.
Conclusio
Nach dem durch stRsp (zB VwGH 19. 9. 1990, 89/13/0112) verankerten Grundsatz der Finanzierungsfreiheit steht es grundsätzlich jedem Abgabepflichtigen frei, Ausgaben fremdzufinanzieren oder dafür Eigenkapital aufzuwenden, auch wenn genügend Eigenmittel für die Finanzierung zur Verfügung stehen (vgl Moser, Finanzierungszusammenhang und steuerrechtliche Grenzen der Finanzierungsfreiheit, SWK 2019, 678). Das BFG hat deshalb – und aufgrund des Trennungsprinzips – die Darlehensverträge zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sowie die Rückstehungserklärungen richtigerweise als solche anerkannt. Auch der Einwand der Bf, dass die anschließende Umwandlung in Kapitalrücklagen gesellschaftsrechtlich veranlasst war und deshalb nicht die Steuerwirksamkeit nach § 8 Abs 1 letzter Satz auslösen könne, verfängt nicht. Zwar sind Einlagen und Ausschüttungen grundsätzlich nicht ergebniswirksam, doch ist kaum ein Forderungsverzicht zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vorstellbar, der rein betrieblich veranlasst wäre. Wie das BFG in seinem vierten Rechtssatz festhält, wäre der letzte Satz des § 8 Abs 1 KStG in der Tat beinahe inhaltsleer, wenn ein sozietär veranlasster Forderungsverzicht nicht zur Steuerwirksamkeit des nicht werthaltigen Teils führte.
Ohne Begründung legt das BFG seinem Erkenntnis die Ansicht zugrunde, dass nicht ein Betrachtungszeitraum, sondern der Zeitpunkt des Forderungsverzichts zur Bemessung der Werthaltigkeit der Forderung maßgeblich ist. Auch dieser Beurteilung ist zuzustimmen. Die Bewertung von Forderungen unterliegt gem § 207 UGB iVm § 5 Abs 1 EStG dem strengen Niederstwertprinzip zum Bilanzstichtag. § 8 Abs 1 KStG schreibt zwar den Besteuerungstatbestand vor, doch ändert das nichts an den grundsätzlichen Bewertungsprinzipien, weshalb bis zur Bewertung nicht auf eine vielleicht eintretende bessere Lage gewartet werden kann. Nach dem endgültigen Verzicht kann sich der Wert der Forderung auch nicht mehr ändern, da diese schlichtweg erloschen ist. Der Zeitpunkt des Forderungsverzichts kann daher der einzig relevante sein.