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COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung: §§ 1-4
Abstract
Das BFG hatte über eine Beschwerde gegen einen Abänderungsbescheid nach § 295a BAO zu entscheiden. Das FA hatte den gegenständlichen Bescheid erlassen, um die im Jahr 2019 geltend gemachte COVID-19-Rücklage an den Verlust anzupassen, der im Jahr 2020 tatsächlich erzielt wurde. Das BFG wies die Beschwerde ab.
BFG 24. 3. 2023, RV/7102950/2022
Sachverhalt
In der Einkommensteuererklärung 2019 machte der Bf eine COVID-19-Rücklage gem COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung (BGBl II 2020/405) iHv etwa EUR 42.000,– geltend. Dies entsprach 60 % des (positiven) Gesamtbetrags der betrieblichen Einkünfte des Jahres 2019 und somit dem gem § 1 Abs 1 Z 3 lit b der VO zulässigen Höchstbetrag der COVID-19-Rücklage. Der sodann erlassene ESt-Bescheid 2019 erging im August 2021 erklärungsgemäß.
Der im März 2022 eingereichten Einkommensteuererklärung 2020 zufolge betrug der tatsächliche Verlust des Jahres 2020 lediglich etwa EUR 23.000,–. In der Folge erließ das FA einen Abänderungsbescheid nach § 295a BAO, wodurch die Höhe der COVID-19-Rücklage im ESt-Bescheid 2019 auf den tatsächlich erlittenen Verlust angepasst wurde. Dies hatte eine entsprechende Abgabennachzahlung zur Folge. Gegen den Abänderungsbescheid nach § 295a BAO erhob der Bf Beschwerde. Nach abweisender BVE beantragte der Bf die Vorlage an das BFG.
Entscheidung des BFG
Nach § 295a BAO können Bescheide „insoweit“ abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das eine abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat. Ereignisse iSd § 295a BAO sind nach der Rsp des VwGH sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, aus denen sich – gemäß den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften – eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (Hinweis etwa auf VwGH 15. 1. 2008, 2006/15/0219). § 295a BAO kann (nur) im Falle von sich nachträglich ereignenden Umständen ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Erledigungen sein.
Im vorliegenden Fall liegt das nachträglich eingetretene Ereignis in der Ermittlung und der steuerlichen Erklärung des Betriebsergebnisses des Jahres 2020. Dieses ist unstrittig wesentlich geringer ausgefallen, als in der für das Veranlagungsjahr 2019 gebildeten COVID-19-Rücklage ursprünglich prognostiziert worden war.
Wurde das Jahr, für das die COVID-19-Rücklage gebildet werden soll, bereits rechtskräftig veranlagt, so gilt der Antrag auf Bildung einer COVID-19-Rücklage als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO (§ 4 letzter Satz COVID-19-VerlustberücksichtigungsVO [BGBl II 2020/405]). Fraglich ist nun, ob der Umstand, dass der tatsächliche Verlust des Jahres 2020 geringer war als in der Prognose 2020 angenommen, auch ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO ist und deshalb die vom FA vorgenommene Anpassung zulässig war.
Nach Ansicht des BFG ist das zu bejahen, da auch der Antrag auf einen Verlustrücktrag als rückwirkendes Ereignis gilt (§ 124b Z 355 lit a zweiter TS EStG). Im Ergebnis sei, so das BFG, „analog“ davon auszugehen, dass bei einer erhöhten COVID-19-Rücklage eine Korrektur auf den tatsächlichen (niedrigeren) Verlust erforderlich sei. Dem Gesetzgeber könne nämlich nicht unterstellt werden, er habe steuerliche Anreize für das Geltendmachen einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen: Ließe man nämlich zu, dass der ursprünglich prognostizierte (und letztlich zu hohe) Betrag im Jahr 2019 bestehen bliebe, so käme es im Jahr 2020 zu einer korrespondierenden Zurechnung. Dies würde insb dazu führen, dass die erste Progressionsstufe (Nullsteuersatz) nochmals ausgenutzt werden könnte. Die durch die Anwendung des § 295a BAO erfolgte Kürzung sei auch deshalb korrekt, da einerseits die beabsichtigten Liquiditätseffekte gewahrt bleiben und andererseits die Bildung einer überhöhten COVID-19-Rücklage vermieden werde.
Der Spruch des bekämpften Bescheides war nach Ansicht des BFG somit inhaltlich richtig, weshalb die Beschwerde abgewiesen wurde. Die Revision ließ das BFG zu.
Conclusio
Aktuell ist das BFG häufig mit Beschwerden gegen Bescheidanpassungen nach § 295a BAO iZm „überhöhten“ COVID-19-Rücklagen beschäftigt (siehe BFG 4. 1. 2023, RV/7103717/2022, BFG 26. 4. 2023, RV/5100379/2022, BFG 9. 5. 2023, RV/3100193/2023 oder BFG 16. 5. 2023, RV/5100305/2023). Überwiegend hat das BFG derartige Beschwerden abgewiesen und somit die „Eignung“ des § 295a BAO zur Anpassung von „überhöhten“ COVID-19-Rücklagen bestätigt. Von dieser Ansicht ist das BFG jedoch in der Entscheidung BFG 9. 5. 2023, RV/3100193/2023 abgewichen (siehe dazu etwa Pacher, Rechtsnews 34234, der sich auch mit der Frage beschäftigt, inwiefern „überhöhte“ COVID-19-Rücklagen überhaupt einer Korrektur bedürfen). Besonders bemerkenswert erscheint, dass die Revision in einigen genannten Fällen zugelassen wurde, in anderen jedoch nicht.
Im vorliegenden Fall weist das BFG zutreffend darauf hin, dass es in einem progressiv ausgestalteten Steuersystem vorteilhaft sein kann, „überhöhte“ COVID-19-Rücklage geltend zu machen (siehe dazu auch Klokar/Postlmayr, Zweifelsfragen zum Verlustrücktrag und zur COVID-19-Rücklage, SWK 2021, 399). Dieses Ergebnis scheint vom Gesetzgeber nicht – zumindest nicht ausdrücklich – beabsichtigt gewesen zu sein. In den Erläuterungen zum Entwurf der COVID-19-VerlustberücksichtigungsVO wird die Möglichkeit der Anpassung der COVID-19-Rücklage durch Bescheid nach § 295a BAO nicht thematisiert (vgl jedoch EStR 2000 Rz 3920). Vielmehr findet sich in den Erläuterungen die Aussage, dass (nur) eine „sorgfaltswidrig durchgeführte grob falsche Schätzung“ zur Wiederaufnahme nach § 303 Abs 1 lit a BAO (Erschleichungstatbestand) führen kann (siehe Erl zum Begutachtungsentwurf der COVID-19-VerlustberücksichtigungsVO, 2). Ob die Bescheidänderung gem § 295a BAO eine geeignete Maßnahme zur Anpassung „überhöhter“ COVID-19-Rücklagen ist, hat nun – sofern gegen eine der genannten BFG-Entscheidungen Revision erhoben wird – der VwGH zu entscheiden.