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EStG 1988: § 33 Abs 3, Abs 4 und Abs 8, § 39 Abs 1, § 40 und § 106 Abs 1
FLAG 1967: § 2 Abs 1 und Abs 2
Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, ob einer Alleinerziehenden der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, obwohl die Familienbeihilfe weiterhin an den ehemaligen Ehegatten ausbezahlt wurde, der in einem getrennten Haushalt von ihr und den Kindern lebte. Das BFG kam zu dem Ergebnis, dass für die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages nicht entscheidend ist, wer die Familienbeihilfe tatsächlich bezieht, sondern wer Anspruch darauf hatte.
BFG 21. 10. 2022, RV/7102611/2022
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) bezog im Jahr 2021 Einkünfte vom Arbeitsmarktservice Österreich und von der Österreichischen Gesundheitskasse. Daneben erhielt sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten Familienbeihilfe für zwei Kinder. Die Ehe wurde am 12. 5. 2021 geschieden, wobei die Familienbeihilfe sowohl vor als auch nach der Scheidung an den (ehemaligen) Ehegatten ausbezahlt wurde. Im Zuge der Scheidung verlegte der ehemalige Ehegatte seinen Hauptwohnsitz. Die beiden Kinder waren weiterhin am Wohnort der Bf gemeldet.
In ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 machte die Bf den Alleinerzieherabsetzbetrag sowie den Familienbonus Plus für beide Kinder geltend. Mangels steuerpflichtiger Bezüge wies das Finanzamt (FA) den Antrag zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung mittels Bescheid ab, wodurch es zu keiner Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages kam. Gegen den Bescheid erhob die Bf Beschwerde. Mittels Beschwerdevorentscheidung wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass es Voraussetzung für die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages sei, dass Alleinerziehende für mehr als sechs Monate Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag haben, der gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird. Da im gesamten Jahr 2021 der ehemalige Ehegatte und nicht die Bf die Familienbeihilfe bezog, sei der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu berücksichtigen. Die Bf brachte daraufhin einen Vorlageantrag ein.
Entscheidung des BFG
Eingangs hält das BFG fest, dass bei Fehlen lohnsteuerpflichtiger Einkünfte gem § 40 EStG dennoch eine Veranlagung nach § 39 EStG zu erfolgen hat, wenn kein Einkommen erzielt wird, aber ein Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag besteht und die Erstattung des Alleinerzieherabsetzbetrages vom Steuerpflichtigen beantragt wird. Ein Alleinerzieherabsetzbetrag steht gem § 33 Abs 3 EStG zu, wenn Anspruch auf Auszahlung einer Familienbeihilfe besteht und der Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt. Anspruch auf Familienbeihilfe haben gem § 2 Abs 1 lit a FLAG Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, insofern zu deren Haushalt minderjährige Kinder gehören. Ist die Einkommensteuer der alleinerziehenden Person unter null, ist der Alleinerzieherabsetzbetrag gem § 33 Abs 8 EStG zu erstatten, wobei die Erstattung im Wege der Veranlagung gem § 41 EStG zu erfolgen hat.
Die Bf erzielte im Jahr 2021 ausschließlich steuerfreie Einkünfte. Sie lebte im Jahr 2021 mit den beiden minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt, weshalb Anspruch auf Familienbeihilfe bestand. Da sie ab Mai 2021 vom früheren Ehegatten getrennt lebte, ist sie als Alleinerzieherin anzusehen. Fraglich ist, ob die Bf den Alleinerzieherabsetzbetrag geltend machen konnte, wenn die Familienbeihilfe nicht von der Alleinerzieherin selbst, sondern vom früheren Ehegatten bezogen wurde.
Das BFG führte dazu aus, dass der tatsächliche Bezug der Familienbeihilfe ein Indiz dafür ist, wer Anspruch auf die Leistung hatte. Im gegenständlichen Fall weisen die Ausführungen der Bf lt BFG jedoch darauf hin, dass der ehemalige Ehegatte ab Mai 2021 zu Unrecht die Familienbeihilfe bezog. Die Familienbeihilfe wäre vielmehr der Bf zugestanden, weil die Kinder in ihrem Haushalt lebten. Das BFG kam daher zu dem Ergebnis, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag schon bei Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht, unabhängig davon, wem die Familienbeihilfe tatsächlich gewährt wurde. Der Alleinerzieherabsetzbetrag war der Bf daher zu erstatten. Gegen das Erkenntnis des BFG wurde die Revision für zulässig erklärt, weil die Frage, ob für die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages nicht der tatsächliche Familienbeihilfenbezug, sondern der Anspruch auf die Familienbeihilfe entscheidend ist, bisher noch nicht höchstgerichtlich beantwortet wurde. Soweit ersichtlich wurde jedoch keine Revision erhoben.
Conclusio
Das BFG folgt mit diesem Erkenntnis seiner bisherigen Rsp, wonach für den Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag der Anspruch auf Familienbeihilfe und nicht die tatsächliche Gewährung entscheidend ist (vgl BFG 13. 3. 2014, RV/6100058/2014; 28. 4. 2014, RV/6100267/2013; 25. 10. 2018, RV/6100165/2013; 28. 5. 2021, RV/7101141/2021). Eine hgRsp dazu fehlt bisher noch. Anspruch auf Familienbeihilfe hat gem § 2 Abs 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Scheidet eine Person aus dem Haushalt aus, kann nur jene Person einen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, die weiterhin mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt.
Für die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages in der Arbeitnehmerveranlagung ist es nicht entscheidend, ob eine Berichtigung des unrichtigen Familienbeihilfenbezuges erfolgen wird (vgl so auch BFG 13. 3. 2014, RV/6100058/2014).