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Abstract
Die Abgabenbehörde erteilte in einem Auskunftsbescheid nach § 118 BAO eine über den grunderwerbsteuerlichen Antrag hinausgehende Auskunft zu einer ertragsteuerlichen Thematik. Das BFG sprach zunächst aus, dass ein Verfahren nach § 118 BAO streng antraggebunden und daher jede über den Antrag hinausgehende Auskunft rechtswidrig sei. Darüber hinaus stellte die Bf in ihrer Beschwerde den Antrag an das BFG, selbst meritorisch über die ertragsteuerlichen Folgen der geplanten Umwandlung abzusprechen. Das BFG sah hierin eine unzulässige Erweiterung des verfahrenseinleitenden Antrags im Beschwerdeverfahren. Für eine solche im ursprünglichen Antrag nicht enthaltene, im Rechtsmittelverfahren gestellte Erweiterung des Antrags könne das BFG funktionell nicht zuständig sein.
BFG 6. 8. 2024, RV/7102764/2023
Sachverhalt
Die Bf, eine niederländische GmbH, war Eigentümerin einer in Österreich gelegenen Immobilie und plante einen Wechsel der Gesellschaftsform. Die GmbH sollte zu einer Genossenschaft mit Haftungsausschluss gemäß den einschlägigen niederländischen Vorschriften umgegründet werden. Um die grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen der geplanten Umgründung auf die österreichische Liegenschaft zu beurteilen, stellte die Bf einen Antrag auf Erteilung eines Auskunftsbescheides nach § 118 BAO. Die Abgabenbehörde erteilte daraufhin Auskunft zu den beantragten grunderwerbsteuerlichen Fragen. Ebenfalls erteilte sie Auskunft zu allfälligen ertragsteuerlichen Folgen, nach denen im Antrag jedoch gar nicht gefragt wurde. Konkret sprach die Abgabenbehörde in einem zweiten Spruchpunkt des Auskunftsbescheides aus, dass die geplante Umgründung für österreichische ertragsteuerliche Zwecke als nicht rein rechtsformwechselnd angesehen werden kann. Gegen diesen Spruchpunkt des Bescheids erhob die GmbH Beschwerde an das BFG mit dem Begehren, den Auskunftsbescheid dahin gehend abzuändern, dass die geplante Umwandlung als rein formwechselnd anzusehen sei. Hilfsweise sollte Punkt zwei aufgehoben werden, da er eine nicht im Antrag enthaltene Rechtsfrage behandelte. In diesem Fall begehrte die Bf zudem eine Ausdehnung ihres ursprünglichen Antrags auf die ertragsteuerlichen Fragen: das BFG sollte nach der Aufhebung erstmals selbst über die ertragsteuerliche Einordnung der geplanten Umwandlung in der Sache entscheiden.
Entscheidung des BFG
Zunächst widmet sich das BFG der Frage, ob die nicht beantragte Aussprache der Abgabenbehörde über ertragsteuerliche Angelegenheiten zulässig ist. Hierzu verweist das BFG auf bisherige Rsp des VwGH (VwGH 14. 12. 1995, 95/07/0192), die Gesetzesmaterialien zu § 118 BAO (ErlRV 662 BlgNR 24. GP 18) und eine gleichläufige Literaturmeinung (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 118 Rz 26 [Stand 1. 6. 2013, rdb.at]). Demnach ist der Auskunftsbescheid ein antragsgebundener Verwaltungsakt. Daraus folgt, dass die Behörde nur über den schriftlichen Antrag absprechen und den Verwaltungsakt nicht amtswegig erlassen darf. Handelt die Behörde ohne entsprechenden Antrag, ist der Verwaltungsakt insofern rechtswidrig. Das gilt auch für einzelne Spruchpunkte. Der Teil des Spruchs im Auskunftsbescheid, der nicht beantragte ertragsteuerliche Folgen zum Inhalt hatte, war daher rechtswidrig und wurde vom BFG aufgehoben.
Zur beantragten Ausdehnung des Antrags im Beschwerdeverfahren stellt das BFG fest, dass der ursprüngliche Antrag weder geändert noch erweitert werden kann. Gegenstand einer Bescheidbeschwerde ist die Sache des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Sache bestimmt sich nicht generell, sondern nach den konkreten Verwaltungsvorschriften, die durch den Bescheid angewandt werden. Bei antragsgebundenen Verfahren ist die Sache durch den Antrag determiniert. Eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren würde dazu führen, dass andere Verwaltungsvorschriften als im verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Anwendung kämen, wodurch die Sache des erstinstanzlichen Verfahrens geändert würde. Eine Ausweitung des Antrags auf ertragsteuerliche Folgen würde daher zu einer Änderung der Sache des verwaltungsbehördlichen Verfahrens führen, wofür das BFG funktionell nicht zuständig ist. Über ertragsteuerliche Folgen sprach das BFG daher nicht ab. Da höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Antragsausdehnung im Zusammenhang mit § 118 BAO fehlt, ist die ordentliche Revision an den VwGH zulässig.
Conclusio
Mit der Entscheidung, Antragsänderungen im Rechtsmittelverfahren nicht zuzulassen, folgt das BFG der Rsp des VwGH, wonach der erstinstanzliche Antrag die Verfahrenssache festlegt und eine Änderung im Beschwerdeverfahren einen Wechsel des Prozessgegenstandes bedeuten würde (VwGH 1. 2. 2021, Ra 2018/16/0121, Rn 17). Im Zentrum steht die prozessuale Frage, nach welchen Kriterien sich der Verfahrensgegenstand des Rechtsmittelverfahrens bestimmt. Diese Beurteilung ist dafür ausschlaggebend, wie weit die sachliche Prüfkompetenz des Rechtsmittelgerichts reicht. Die Thematik findet sich neben dem Abgabenverfahren auch im allgemeinen Verwaltungsverfahren und im Rechtsmittelverfahren vor den VwG (vgl § 13 Abs 8 AVG iVm § 17 VwGVG; VwGH 27. 8. 2014, Ro 2014/05/0062). Auch in diesen verwaltungsgerichtlichen Verfahren beschränkt sich der Prüfumfang des Rechtsmittelgerichts auf die unterinstanzliche Sache, die jedenfalls durch eine Antragsänderung verlassen wird, da hierdurch andere Normen zur Anwendung kämen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 47 [Stand 1. 1. 2014, rdb.at]). Der VwGH hat jedoch auch ausgesprochen, dass Projektänderungen in Baubewilligungsverfahren grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren zulässig sind, solange hierdurch nicht der Prozessgegenstand, also der Spruch des verwaltungsbehördlichen Bescheides, geändert wird (VwGH 27. 8. 2014, Ro 2014/05/0062; vgl VwGH 26. 5. 2021, Ra 2019/04/0071, ZTR 2021, 137 [138]; Wiederin, Der Umfang der Bescheidprüfung durch das Verwaltungsgericht im Parteibeschwerdeverfahren, ÖJZ 2014, 149 [154]; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 279 BAO Rz 2 [Stand 1. 2. 2021, rdb.at]). Da hgRsp zur Änderung des Prozessgegenstandes in einem Verfahren nach § 118 BAO fehlt, wurde die Möglichkeit zur ordentlichen Revision eröffnet. Denkbar wäre auch ein ähnlich gelagertes Rechtsverständnis wie in VwGH 27. 8. 2014, Ro 2014/05/0062, wonach durch Vergleich des Änderungsvorhabens mit dem ursprünglichen Antrag beurteilt wird, ob ein neuer Verfahrensgegenstand vorliegt. Demnach wäre ein Abweichen vom ursprünglichen Antrag möglich, solange die Änderung nicht so gravierend ist, dass eine Änderung des Prozessgegenstandes begründet wird.
Auffällig ist außerdem, dass sowohl auf behördlicher als auch auf gerichtlicher Ebene die Frage der funktionellen Zuständigkeit im Mittelpunkt steht. Die Abgabenbehörde ist laut BFG nämlich nicht befugt, über Rechtsfragen abzusprechen, die den Parteiantrag überschreiten. Gleichzeitig ist auch eine Antragsausdehnung im Beschwerdeverfahren unzulässig. Das BFG stellt hiermit klar, dass der erstinstanzliche Antrag sowohl das behördliche Verfahren als auch das Rechtsmittelverfahren in seiner Entscheidungsreichweite determiniert.