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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
FLAG 1967: § 2 Abs 1 lit b, § 26 Abs 1
Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, ob ein Vorbereitungskurs für den verpflichtenden Medizin-Aufnahmetest (MedAT) eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG darstellt. Dies war entscheidend für die Gewährung der Familienbeihilfe. Nach Ansicht des BFG ist die Vorbereitung auf den MedAT, die sowohl allgemeine Kenntnisse als auch spezifische Inhalte des ersten Studienjahres Humanmedizin vermittelt und einen wöchentlichen Lernaufwand von über 30 Stunden aufweist, als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG anzuerkennen. Daher wurde der Bescheid zur Rückforderung der Beihilfe gem § 26 Abs 1 FLAG aufgehoben.
BFG 2. 6. 2025, RV/1100007/2025
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) erhielt Familienbeihilfe für ihre Tochter. Diese strebte das Medizinstudium an und besuchte deswegen im Zeitraum von Ende Oktober 2023 bis Juni 2024 einen Vorbereitungslehrgang für den in Österreich verpflichtenden MedAT. Die Tochter ergänzte diesen durch dokumentierte, eigenständige Lernphasen, aus denen sich lt Bf ein wöchentlicher Gesamtlernaufwand von 25–45 Stunden ergab.
Im Juni 2024 erhielt die Bf einen Bescheid des Finanzamts (FA), mit dem gem § 26 Abs 1 FLAG die Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum von November 2023 bis Mai 2024 verfügt wurde. Das FA begründete dies damit, dass im genannten Zeitraum keine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung gem § 2 Abs 1 lit FLAG vorgelegen habe, diese aber Anspruchsvoraussetzung für den Erhalt der Familienbeihilfe sei.
Hiergegen legte die Bf Beschwerde ein. Dabei verwies sie auf Entscheidungen des BFG und des VwGH, wonach bei einer Vorbereitung auf verpflichtende Aufnahmeprüfungen unter bestimmten Voraussetzungen, insb bei einem wöchentlichen Aufwand von mindestens 30 Stunden, von einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG auszugehen sei (s bspw VwGH 15. 12. 2009, 2007/13/0125). Das FA vertrat jedoch die Ansicht, dass diese Entscheidungen überholt seien. Es ging davon aus, dass der besuchte Vorbereitungskurs nicht die qualitativen Anforderungen einer Berufsausbildung erfülle, da darin nicht die für den angestrebten Beruf erforderliche fachliche Qualifikation vermittelt werde, sondern lediglich schulische Basiskenntnisse wiederholt werden. Da es sich bei der Testvorbereitung, ähnlich wie bei einem Bewerbungsgespräch, um einen der Ausbildung bloß vorangehenden Schritt handle, komme es auf den zeitlichen Umfang der Vorbereitung nicht an. Die Bf widersprach dieser Auffassung und beantragte die Vorlage der Beschwerde an das BFG.
Entscheidung des BFG
Das BFG folgt der Ansicht der Behörde, dass bloß vorangehende Schritte einer Bewerbung, einschließlich eines Tests, keine Ausbildung darstellen. Es teilt aber nicht mehr die Auffassung, dass es sich bei einem Vorbereitungskurs für den MedAT grds nur um einen solchen vorbereitenden Schritt handelt. In einzelnen Entscheidungen wurde eine restriktive Linie vertreten, wonach derartige Vorbereitungskurse generell keine Berufsausbildung darstellen und der zeitliche Umfang unbeachtlich sei (BFG 19. 2. 2020, RV/3100177/2019; 30. 4. 2020, RV/5101372/2019). Diese Ansicht hat der VwGH aber letztlich nicht geteilt. In Übereinstimmung mit der stRsp des VwGH, ist zu prüfen, ob eine solche Vorbereitung eine ausreichende zeitliche Intensität erreicht, um als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG zu gelten (VwGH 15. 12. 2009, 2007/13/0125; 18. 5. 2020, Ra 2020/16/0017; s BFG 15. 11. 2024, RV/7101383/2024). Ein Vorbereitungskurs erfüllt die qualitativen Anforderungen einer Berufsausbildung, wenn dadurch die fachliche Qualifikation für die Ausübung des Berufes erlangt wird, dh, er nicht nur zur Auffrischung schon erworbener Fähigkeiten dient.
Im vorliegenden Fall ist die qualitative Komponente durch den Vorbereitungslehrgang erfüllt, da der Kurs nicht nur allgemeine Kenntnisse vermittelt, sondern auch auf das erste Studienjahr Humanmedizin vorbereitet. Die quantitative Voraussetzung einer Berufsausbildung gilt zudem als gegeben, da durch die genauen Aufzeichnungen der Tochter der Bf von einer wöchentlichen Mindestvorbereitungszeit von 33,5 Stunden (Kurs und Selbststudium) ausgegangen wird.
Daher wurde der Beschwerde stattgegeben. Aufgrund der Kombination aus Kursbesuch und intensivem Selbststudium liegt für den betreffenden Zeitraum eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG vor. Der Rückforderungsbescheid war daher aufzuheben.
Conclusio
Mit der aktuellen Entscheidung setzt das BFG eine Entwicklung fort, die sich bereits 2024 angedeutet hat (BFG 15. 11. 2024, RV/7101383/2024), und verleiht der bisherigen uneinheitlichen Rsp mehr Klarheit. Während das BFG im Jahr 2020 die Auffassung vertrat, dass die Vorbereitung auf den MedAT grds keine Berufsausbildung darstellt (BFG 19. 2. 2020, RV/3100177/2019; 30. 4. 2020, RV/5101372/2019), wurde im Jahr 2019 bei einem täglichen Selbststudium von zehn Stunden sehr wohl eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG angenommen (BFG 2. 12. 2019, RV/7104952/2019). Bemerkenswert ist dabei, dass es sich 2020 um Vorbereitungen mithilfe eines Kurses handelte, während 2019 das Selbststudium im Vordergrund stand. Fraglich erscheint daher, ob und inwieweit diese unterschiedlichen Vorbereitungsformen im Hinblick auf das Verständnis der Berufsausbildung unterschiedlich bewertet werden sollten und ob dem Selbststudium dabei womöglich ein höherer Stellenwert einzuräumen ist. Für die Rechtssicherheit war diese inkonsistente Bewertung jedenfalls problematisch.
Aus den aktuellen Entscheidungen des BFG lassen sich jedoch im Einklang mit der Rsp des VwGH Voraussetzungen ableiten, unter denen die Vorbereitung auf den MedAT als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG anerkannt werden kann: eine qualitative Komponente, bei der über bloßes Schulwissen hinaus prüfungs- und studienrelevanter Stoff, etwa aus dem ersten Studienjahr Humanmedizin, vermittelt wird, eine quantitative Komponente mit einem wöchentlichen Zeitaufwand von zumindest 20–30 Stunden zzgl Hausaufgaben sowie eine glaubhafte Dokumentation der zeitlichen Inanspruchnahme. Es haben sich daher nun gefestigte Beurteilungskriterien herausgebildet, was zu einer erhöhten Rechtssicherheit beiträgt.