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BFG: Geschäftsführerhaftung bei Insolvenz und fehlendem Entlastungsnachweis

Bearbeiter: Lea Glöer

BAO: §§ 9, 80

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, ob und für welche Abgaben der Geschäftsführer (GF) einer insolventen GmbH zur Haftung herangezogen werden kann. Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer (Bf) auch für Abgabenschulden haftet, die bereits vor der Insolvenz entstanden sind, jedoch erst später bescheidmäßig festgesetzt wurden. Da der Bf keine ausreichenden Nachweise vorlegte, um die gesetzlichen Vermutungen zu entkräften, entschied sich das BFG, den Bf zur Haftung heranzuziehen. Zudem lagen keine Gründe vor, die eine Ermessensübung zugunsten des Bf rechtfertigen würden. Die Entscheidung verdeutlicht die zentrale Rolle der Mitwirkungspflicht, um eine differenzierte Beurteilung der Haftung zu ermöglichen.

BFG 24. 9. 2024, RV/4100160/2020

Sachverhalt

Der Bf war GF der Primärschuldnerin (PS), einer GmbH, über die ein Sanierungsverfahren eröffnet wurde. Dieses wurde mit rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans aufgehoben, wodurch sich die Schuld gegenüber sämtlichen Gläubigern gemäß der vereinbarten Quote um 20 % reduzierte. Das Finanzamt (FA) setzte den Bf mit einem Schreiben im September 2016 von der Absicht in Kenntnis, ihn gem § 9 iVm §§ 80 ff BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten heranzuziehen. Darüber hinaus ersuchte das FA den Bf unter ausführlicher Darlegung der Rechtslage um Darstellung der finanziellen Mittel. Im November 2016 übermittelte der Bf eine Gegenüberstellung verschiedener Konten der Jahre 2012–2015. Ergänzend führte der Bf aus, dass der Forderungsstand des FA und der Gebietskrankenkasse (GKK) verringert wurde, während die Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten im Wesentlichen gleich blieben und die Bankverbindlichkeiten in dem Zeitraum gestiegen seien.

Kurz darauf zog das FA den Bf mittels Bescheid gem § 9 iVm §§ 80 ff BAO als Haftungspflichtigen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten iHv 110.652,11 € (ua USt, LSt, KöSt, DB und DZ) heran. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf im Mai 2017 Beschwerde und beantragte den Betrag auf 82.050,14 € abzuändern. Begründend führte er aus, dass sich die Schuld gegenüber sämtlichen Gläubigern durch den Sanierungsplan um 20 % reduziert habe und dieser Umstand nicht berücksichtigt worden sei. Weiters seien Nachzahlungen von LSt, DB und DZ, die auf einer Festsetzung nach Konkurseröffnung aufgrund von Prüfungsfeststellungen beruhen, nicht in den Haftungsbescheid aufzunehmen. Auch wenn diese Steueransprüche schon vor der Eröffnung des Konkurses entstanden waren.

Mit Beschwerdevorentscheidung reduzierte das FA die Haftungssumme um die vereinbarte Quotenhöhe und setzte die Haftungssumme iHv 88.521,66 € fest. Daraufhin brachte der Bf einen Vorlageantrag ein und führte ergänzend aus, dass eine Gutschrift aus der Umsatzsteuerjahreserklärung 2015 iHv 18.308,36 € Berücksichtigung finden müsse. Im September 2020 legte das FA die Beschwerde dem BFG vor.

Entscheidung des BFG

Das BFG stellte zunächst fest, dass der Bf als GF der PS dem in § 80 Abs 1 BAO angeführten Personenkreis angehört und damit subsidiär und akzessorisch gem § 9 BAO haftbar gemacht werden kann. Durch die Aufhebung des Sanierungsverfahrens bei der PS ergibt sich die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenforderung. Gem § 1298 ABGB ist es Sache des Bf, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten gem § 9 und § 80 BAO unmöglich war, widrigenfalls ist die Behörde zu der Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist (mVa VwGH 18. 3. 2013, 2011/16/0184). Zu den Pflichten des Bf als GF der PS gehören insb die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der PS sowie die Verpflichtung, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (mVa VwGH 25. 4. 2016, Ra 2015/16/0139).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (mVa VwGH 24. 2. 2004, 99/14/0278; 22. 4. 2015, 2013/16/0208) – also der Zeitpunkt der Fälligkeit. Die im Zuge der Außenprüfung aufgedeckten Verkürzungen, die anschließend bescheidmäßig vorgeschrieben wurden, jedoch ursprünglich bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewesen wären, ändern nichts daran, dass die Abgaben nicht fristgerecht entrichtet wurden. Dies stellt eine Verletzung abgabenrechtlicher (Melde- und) Zahlungspflichten dar.

Das BFG führt aus, dass der Bf unbeschränkt haftet, weil er die geforderten Konkretisierungen und notwendigen Behauptungen, die eine Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten als unmöglich dargestellt hätten, nicht vorbrachte. Insb wurde weder behauptet, dass ihm keine Mittel zur Begleichung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung standen, noch dass sämtliche Gläubiger gleichbehandelt wurden. Aus der Aktenlage ergeben sich zudem keine Anhaltspunkte für eine völlige Vermögenslosigkeit zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten. Eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger wäre vom Bf substantiiert zu behaupten und nachzuweisen gewesen. Die vorgelegten monatlichen Saldoübersichten der Kontostände, der Verbindlichkeiten gegenüber dem FA und der GKK sowie die kumulierten Lieferverbindlichkeiten reichen für den von der Judikatur geforderten Nachweis nicht aus. Mangels Konkretisierung und Behauptung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der verfügbaren Mittel zu den Fälligkeitszeitpunkten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf auf einen Teil der Abgabenschulden nicht in Betracht (mVa VwGH 21. 1. 1991, 90/15/0055). Da der Bf auch keinen gegenteiligen Nachweis vorlegte, folgte das BFG der Rsp des VwGH (mVa 19. 5. 2015, 2013/16/0016; 27. 5. 2020, Ra 2020/13/0027) und vermutete, dass die schuldhafte Pflichtverletzung die Uneinbringlichkeit der Abgaben verursachte.

Das BFG korrigierte die Haftungssumme auf 51.126,93 €, da einerseits bereits gezahlte Beträge berücksichtigt und andererseits nicht geltend gemachte Umsatzsteuerbeträge aus dem Haftungsbescheid herausgenommen wurden. Abschließend führte das BFG aus, dass im vorliegenden Fall keine Gründe ersichtlich seien, die eine Ermessensübung zugunsten des Bf rechtfertigen würden. Insb wurde die Haftung zeitnah zum Untergang der PS geltend gemacht, und der Bf konnte nicht darlegen, dass die Haftung aufgrund seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse unzulässig wäre.

Conclusio

Die Haftung nach § 9 iVm §§ 80 ff BAO ist dem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet. Dabei ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war. Widrigenfalls darf das Gericht annehmen, dass er der Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist (VwGH 18. 3. 2013, 2011/16/0184). Für die Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf des Verschuldens (VwGH 31. 10. 2000, 95/15/0137). Auch dieser Vorwurf kann von dem für die Haftung in Anspruch Genommenen widerlegt werden. Die Entscheidung des BFG steht im Einklang mit diesen Grundsätzen und unterstreicht dabei die Rolle der Mitwirkungspflichten und die Konsequenzen für den Haftenden. Einer besonderen Bedeutung kommt dabei auch der entsprechenden Beweisvorsorge zu. Dabei wird dem Haftungspflichtigen zugemutet, besonders weitreichende Informationen zu sichern.

Die Entscheidung des BFG verdeutlicht, dass Selbstbemessungsabgaben, auch wenn sie erst später durch Bescheid festgesetzt werden, bereits dann bestehen, wenn sie bei Einhaltung der gesetzlichen Regelungen einzubehalten und abzuführen gewesen wären. Der Zeitpunkt der Festsetzung ändert nichts an der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe und an der Haftung.

Nach stRsp des VwGH ist ein wesentlicher Aspekt, der in die Ermessensübung bei der Haftungsinanspruchnahme einzubeziehen ist, der Zeitabstand zwischen der Entstehung der Abgabenschuld oder dem Feststehen der Uneinbringlichkeit und der tatsächlichen Haftungsinanspruchnahme des Vertreters (vgl zB VwGH 7. 9. 2022, Ra 2019/13/0066; 3. 9. 2008, 2006/13/0159). Im vorliegenden Fall wurde die Haftung jedoch zeitnah zur Feststellung der Uneinbringlichkeit geltend gemacht, sodass die Voraussetzungen für eine Ermessensübung zugunsten des Bf nicht gegeben sind. Da der Bf keine Gründe oder Nachweise vorbrachte, die eine abweichende Beurteilung hätten rechtfertigen können, haftet er zu Recht für die festgesetzte Abgabenschuld.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36337 vom 29.01.2025