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GrEStG: § 5
Abstract
Im Zuge des Kaufs von Liegenschaften, auf denen eine gemeinnützige Bauvereinigung Wohnhäuser errichtet hatte, vereinbarten die Vertragsparteien, dass die bisher von den Mietern geleisteten Finanzierungsbeiträge iSd § 17 Abs 1 WGG bei der Verkäuferin verbleiben. Folglich ist der noch nicht amortisierte Anteil dieser Beiträge als „vorbehaltene Nutzung“ Teil der Gegenleistung iSd § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG. Auch eine zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Verrechnung des Kaufpreises mit dem zum Übergabestichtag bestehenden Saldo der von den Mietern geleisteten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge iSd § 14d WGG ist bei der Ermittlung der Gegenleistung iSd § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG zu berücksichtigen.
BFG 17. 5. 2023, RV/7104447/2014
Sachverhalt
Am 29. 3. 2013 schlossen eine Immobilien GmbH als Verkäuferin und die Bf als Käuferin 13 gesonderte Kaufverträge über insgesamt 13 Liegenschaften zu „Barkaufpreisen“ ab. Auf allen Liegenschaften befinden sich von einer gemeinnützigen Bauvereinigung iSd § 1 Abs 1 WGG errichtete Wohnhäuser, deren Wohnungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses großteils vermietet waren. Alle Kaufverträge beinhalteten die Vereinbarung, dass die von den Mietern geleisteten Finanzierungsbeiträge iSd § 17 WGG sowie Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge iSd § 14d WGG nicht gesondert auf die Bf übertragen werden, sondern bei der Verkäuferin verbleiben und als mit dem Kaufpreis verrechnet gelten. Die Bf übernahm sämtliche mit diesen Beiträgen verbundenen Rechte und Pflichten und verpflichtete sich, die Verkäuferin diesbezüglich vollkommen schad- und klaglos zu halten. Im Auftrag der Bf wurde für alle abgeschlossenen Kaufverträge jeweils eine gesonderte Selbstberechnung der GrESt, ausgehend vom im jeweiligen Kaufvertrag ausgewiesenen „Barkaufpreis“, durchgeführt. Die Bekanntgabe des jeweils selbstberechneten Abgabenbetrags an das FA erfolgte am 15 .5. 2013. Am 1. 8. 2013 erstattete die Bf beim FA eine Selbstanzeige gem § 29 FinStrG, weil nicht völlig auszuschließen sei, dass die Mieterleistungen (Finanzierungsbeiträge sowie Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge) in die GrESt-Basis einbezogen werden müssen. Hieraufhin setzte das FA im Jahr 2014 die GrESt betreffend acht Liegenschaften gem § 201 BAO bescheidmäßig mit höherer Bemessungsgrundlage fest, weil der Verkäuferin die (noch nicht „abgewohnten“ Anteile der) Finanzierungsbeiträge verbleiben und diese daher der Gegenleistung hinzuzurechnen sind. Da die Verkäuferin bei einigen Liegenschaften bereits mehr Erhaltungs- und Verbesserungsleistungen erbracht hatte als dies auf Grund der vereinnahmten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge erforderlich gewesen wäre, bestand diesbezüglich in einer Gesamtbetrachtung kein der Gegenleistung hinzuzurechnendes Guthaben. Gegen die GrESt-Bescheide richteten sich die gegenständlichen Beschwerden, wonach die kaufvertraglichen Regelungen grunderwerbsteuerneutral seien, weil einerseits die Bf zwar zur Rückerstattung der Finanzierungsbeiträge bei Auflösung von Mietverträgen verpflichtet sei, andererseits dafür aber auch allfällige von neuen Mietern bezahlte Finanzierungsbeiträge behalten dürfe. Vor diesem Hintergrund sei eine zusätzliche (Gegen-)Leistung der Bf gerade nicht gegeben.
Entscheidung des BFG
Nach der stRsp des VwGH ist der Begriff der Gegenleistung iSd §§ 4 und 5 GrEStG ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht. Es komme nicht auf die äußere Form oder den Wortlaut eines Vertrages an, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt des zugrundeliegenden Erwerbsvorganges (vgl VwGH 4. 12. 2019, Ra 2019/16/0190; VwGH 15. 3. 2022, Ra 2020/16/0018). Auch die vertragliche Übernahme von Leistungen durch den Erwerber, sei es gegenüber dem Vertragspartner oder einem Dritten, stelle eine Gegenleistung iSd § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG dar (vgl VwGH 27. 9. 1995, 94/16/0142).
Finanzierungsbeiträge iSd § 17 WGG vermindern sich durch Zeitablauf aliquot (durch „Abwohnen“) bis auf Null. Im Falle der Auflösung des Mietvertrags besteht ein Anspruch auf Auszahlung des noch nicht amortisierten („abgewohnten“) Finanzierungsbeitrags. Der Nutzen, den die Bf aus den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vermieteten Wohnungen ziehen könne, sei um den noch nicht amortisierten Teil der Finanzierungsbeiträge vermindert. Laut kaufvertraglichen Regelungen waren die noch nicht amortisierten Finanzierungsbeiträge bei der Verkäuferin verblieben, wodurch dieser auch für jene Zeiträume, in der sie nicht mehr die Liegenschaftseigentümerin und Vermieterin war, wirtschaftlich ein Nutzen aus den Finanzierungsbeiträgen zukam und die Bf um eben diese Beträge spiegelbildlich belastet wurde. Das Verbleiben der noch nicht amortisierten Finanzierungsbeiträge bei der Verkäuferin sei daher als „vorbehaltene Nutzung“ Teil der Gegenleistung iSd § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG. Da sich die Selbstberechnung somit als unrichtig erwies, erfolgte die Festsetzung der GrESt durch das FA zu Recht.
Betreffend die ebenfalls bei der Verkäuferin verbleibenden Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge iSd § 14d WGG übernehme die Bf bei einem Teil der Liegenschaften insofern eine Last, als sie Sanierungsarbeiten an Wohnhäusern durchzuführen habe und zur Finanzierung nicht auf die bereits von den Mietern entrichteten Beiträge zurückgreifen könne. Insgesamt betrachtet sei der Saldo der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge für alle 13 Liegenschaften jedoch negativ, da bei einzelnen Liegenschaften die Kosten der bereits erbrachten Leistungen die bisher geleisteten Beiträge überstiegen. Auch wenn es auf Grund der Bestimmungen des WGG nicht zulässig sei, Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge sowie Aufwendungen für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten liegenschaftsübergreifend zu verrechnen, werde wirtschaftlich gesehen die Belastung der Bf bei der Gesamttransaktion durch den negativen Saldo verringert. Da die Kaufverträge als Einheit zu sehen seien, sei nach Ansicht des BFG von den nicht amortisierten Finanzierungsbeiträgen der negative Saldo der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge abzuziehen. Es war daher den Beschwerden teilweise Folge zu geben und die angefochtenen Bescheide waren abzuändern. Die ordentliche Revision wurde zugelassen, aber nicht eingebracht.
Conclusio
Bemessungsgrundlage für die Berechnung der GrESt ist in erster Linie die Gegenleistung, dh jede bewertbare Leistung, die der Erwerber aufwenden muss, um ein Grundstück zu erhalten (vgl VwGH 15. 3. 2022, Ra 2020/16/0018; VwGH 24. 2. 2021, Ro 2020/16/0024 mwN). Es leuchtet daher ein, dass im gegenständlichen Fall das Zurückbehalten der Finanzierungsbeiträge durch die Verkäuferin bei gleichzeitigem Übergang der allfälligen Rückzahlungsverpflichtung iSd § 17 Abs 1 WGG auf die Erwerberin ebenfalls Teil der Gegenleistung nach § 5 GrEStG ist. Selbiges muss auch für die Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge gelten, denn auch hier wird die Verpflichtung zur Vornahme von Sanierungsarbeiten oder allenfalls zur Rückzahlung der Beiträge übernommen. Wie das BFG ausführt, liegt zur gegenständlichen Thematik bisher keine Rsp des VwGH vor. Das BFG bietet mit der gegenständlichen Entscheidung nunmehr eine überzeugende Lösung. Verbleiben Finanzierungsbeiträge sowie Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge iSd WGG bei der Verkäuferin, obwohl die damit verbundenen Pflichten auf die Erwerberin übergehen, so sind diese bei der Ermittlung der Gegenleistung iSd § 5 GrEStG zu berücksichtigen.