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BFG: Grunderwerbsteuer bei Heimfall des Bauwerks gem § 9 Abs 1 BauRG

Bearbeiter: Daniel Chen

BauRG: § 9 Abs 1

GrEStG 1987: § 1 Abs 1 Z 1 und Z 2

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, ob die Vereinbarung der Übertragung des Bauwerks an den Grundeigentümer („Heimfall des Bauwerks“) bei Erlöschen des Baurechts bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Baurechtsvertrages als Rechtsgeschäft iSd § 1 Abs 1 GrEStG angesehen werden kann. Dies hätte zur Folge, dass Grunderwerbsteuer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht nur für den Grund selbst, sondern auch für das erst zu errichtende Bauwerk abgeführt werden müsste. Das BFG hat erkannt, dass die bloße Vereinbarung des Heimfalls des Bauwerks, die inhaltlich dem Heimfall gem § 9 Abs 1 BauRG entspricht, noch nicht zu einer GrESt-Pflicht für das Bauwerk führt.

BFG 2. 1. 2023, RV/6100226/2021

Sachverhalt

Dem Sachverhalt liegt ein abgeschlossener Baurechtsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin (Bf) als Baurechtsgeberin und einer Baurechtsnehmerin zugrunde, in dem ein Baurecht iSd BauRG an einem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unbebauten Grundstück gegen Bezahlung eines jährlichen Bauzinses iHv € 32.000 eingeräumt wurde. Dieses Baurecht wurde für die Dauer von 80 Jahren bestellt und mit einer Laufzeit bis 18. 10. 2066 im Grundbuch einverleibt. Der Baurechtsvertrag statuiert dabei unter Punkt VII mit dem Titel „Vertragsauflösung“ eine sinngemäße Wiedergabe des § 9 Abs 1 S 1 BauRG, wonach bei Erlöschen des Baurechts das im Rahmen des Baurechtsvertrages errichtete Bauwerk ipso iure an den Grundeigentümer zurückfällt („Heimfall des Bauwerks“). Dies unabhängig davon, ob der Umstand vorzeitig oder nach Ablauf der Baurechtsdauer eintritt. Strittig ist, ob im vorliegenden Baurechtsvertrag ein unter § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG fallendes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung des Bauwerks begründet, zu erblicken ist, weshalb bereits beim Vertragsabschluss GrESt für das Bauwerk abzuführen wäre.

Entscheidung des BFG

Rechtsgeschäfte gem § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG sind nur dann steuerpflichtig, wenn sie den Anspruch auf Übereignung begründen (vgl VwGH 29. 7. 2004, 2004/16/0053). Ist der Erwerber in der Lage, seinen Anspruch auf Übereignung (bspw Ausstellung einer einverleibungsfähigen Urkunde) ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachungen unmittelbar durchzusetzen, ist der gesetzliche Tatbestand erfüllt (vgl VwGH 21. 2. 1996, 93/16/0074, mwN). Ein hergestelltes Bauwerk iSd § 6 Abs 1 BauRG ist als Zugehör des Baurechts zu betrachten und bildet einen unselbstständigen Bestandteil davon. Es unterliegt dem rechtlichen Schicksal des Baurechts, weshalb es nicht gesondert veräußert, verpfändet oder exekutiert werden kann. Nach den allgemeinen Bestimmungen des ABGB bleibt der Bauberechtigte bei Erlöschen des Baurechts weiterhin Eigentümer des Bauwerks, jedoch ohne Legitimation für den Bestand seines Bauwerks auf dem Grund eines Anderen. Abweichend von diesem Grundsatz bestimmt § 9 Abs 1 S 1 BauRG, dass das Bauwerk bei Erlöschen des Baurechts an den Grundeigentümer fällt, und zwar unabhängig davon, ob die Löschung vor oder nach Ablauf der vereinbarten Baurechtsdauer geschieht. § 9 Abs 1 S 1 BauRG normiert somit einen Übergang des Eigentums kraft Gesetzes — ohne dem Erfordernis einer Einigung über den Eigentumsübergang und der tatsächlichen Übergabe des Bauwerks (vgl Spruzina in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner (Hrsg), GeKo Wohnrecht II [2019] § 6 BauRG Rz 1 ff). Eine grundbuchsrechtliche Einverleibung der Löschung kommt daher bloß deklarative Wirkung zu und würde am Übergang des Eigentums nichts ändern (vgl OGH 25. 8. 2015, 5 Ob 97/15y). Anders verhält es sich, wenn nur ein Löschungstitel vorliegt, der tatsächlich geltend gemacht werden muss, um das Baurecht zu beenden. Einer solchen grundbuchsrechtlichen Einverleibung der Löschung kommt konstitutive Wirkung zu, weshalb nach überwiegender Meinung erst die absolute Wirkung der Löschung der Baurechtseinlage aus dem Grundbuch zu einem Übergang des Eigentums führt (vgl Spruzina in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht II [2019] § 6 BauRG Rz 5). Da § 9 Abs 1 S 1 BauRG dispositiv ausgestaltet ist, kann von den Parteien vereinbart werden, dass der Heimfall des Bauwerks nicht eintreten soll und stattdessen die allgemeinen Bestimmungen des ABGB greifen sollen. Das Bauwerk wäre dann nach Erlöschen des Baurechts als Überbau zu betrachten, womit es dem Grundeigentümer freistehen würde, die Entfernung des Bauwerks zu verlangen.

Im vorliegenden Fall findet sich im Baurechtsvertrag lediglich eine sinngemäße Wiedergabe des § 9 Abs 1 S 1 BauRG und keine darüberhinausgehende abweichende Vereinbarung (bspw die Verpflichtung des Bauberechtigten zum Abbruch des Bauwerks), weshalb kein vertraglicher Titel für ein über den § 9 Abs 1 BauRG hinausgehenden Anspruch auf Übereignung geschaffen wurde. Eine Verdrängung des gesetzlichen durch einen rechtsgeschäftlichen Titel ist somit nicht gegeben. Mangels Vorliegens eines unter § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG fallenden Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung des Baurechtsbauwerks begründet, kann im gegenständlichen Beschwerdefall nicht von vornherein ein steuerpflichtiger Erwerbsvorgang angenommen werden, der zum Entstehen der Steuerschuld nach Maßgabe des § 8 Abs 1 GrEStG führt (vgl VwGH 7. 7. 1954, 1913/52).

Die Revision erklärte das BFG für nicht zulässig, eine außerordentliche Revision wurde – soweit ersichtlich – nicht erhoben.

Conclusio

Der GrESt unterliegen nur Rechtsvorgänge, die in § 1 GrEStG genannt sind. Wird ein Tatbestand verwirklicht, der unter keinen der aufgezählten Rechtsvorgänge zu subsumieren ist, entsteht auch nicht die Verpflichtung zur Entrichtung der GrESt (vgl Mechtler/Pinetz in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner (Hrsg), GrEStG [2017] § 1 Rz 2). Das Baurecht ist hierbei gem § 1 Abs 1 BauRG das zeitlich begrenzte, dingliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Eine Löschung des Baurechts kann auch vor Ablauf der Zeit, für die es bestellt ist, durch Löschung der gesamten Baurechtseinlage erfolgen. In einem solchen Fall fällt das Bauwerk gem § 9 Abs 1 S 1 BauRG an den Grundeigentümer zurück.

Nach hA stellt der Heimfall des Bauwerks einen GrESt-pflichten Erwerbsvorgang dar, der unter den gesetzlichen Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG zu subsumieren ist (vgl Mechtler/Pinetz in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 1 Rz 505 ff mwN). Die GrESt-Pflicht entsteht bei Vereinbarungen, die § 9 Abs 1 S 1 BauRG entsprechen, aber nicht bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Baurechtsvertrags, sondern erst beim tatsächlichen Heimfall. Der Abschluss des Baurechtsvertrages stellt zwar auch einen GrESt-pflichtigen Erwerbsvorgang gem § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG dar, jedoch – wie vom BFG richtigerweise erkannt – nur hinsichtlich des Werts des Grundstücks.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33779 vom 14.03.2023