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BFG hält Energiekrisenbeitrag-Strom für verfassungsrechtlich unbedenklich

Bearbeiter: Kilian Posch

Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG), BGBl I 2022/220

Abstract

Das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG) führte in Österreich in Reaktion auf die Energiekrise eine Abgabe für die Produzenten von im Inland erzeugten Strom aus fossilen als auch aus erneuerbaren Quellen ein (siehe § 1 EKBSG). Durch diesen „Energiekostenbeitrag-Strom“ („EKB-S“) wird gem § 3 EKBSG der über 140,00 €/MWh (seit Juni 2023 über 120,00 €/MWh) hinausgehende Markterlös zwischen 1. 12. 2022 und 31. 12. 2023 zu 90 % abgeschöpft. Das EKBSG erging zunächst in Umsetzung der EU-VO 2022/1845 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise („EU-Notfallmaßnahmen-VO“), die in Art 6 eine verbindliche Obergrenze für Markterlöse von Stromerzeugern festschrieb, jedoch bereits mit 30. 6. 2023 ausgelaufen ist. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin (Bf) eine Vielzahl an verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den EKB-S vorgebracht, wie etwa eine behauptete echte Rückwirkung der Abgabe und einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip, und das BFG dazu angeregt, beim VfGH einen Antrag auf Aufhebung gegen die präjudiziellen Bestimmungen des EKBSG gem Art 135 Abs 4 iVm Art 89 Abs 2 B-VG einzubringen. Das BFG teilte die Einwände der Bf jedoch nicht und wies die Beschwerde als unbegründet ab.

BFG 16. 2. 2024, RV/7100521/2024

Sachverhalt

Die Bf ist Stromerzeugerin im Bereich der erneuerbaren Energien und entrichtete den selbstbemessenen EKB-S für den Zeitraum zwischen 1. 12. 2022 und 30. 6. 2023. Daraufhin beantragte sie jedoch bei der Behörde innerhalb der dafür vorgesehen Monatsfrist gem § 201 Abs 3 BAO, den EKB-S stattdessen auf 0 € festzusetzen und die bereits überwiesene Abgabe zurückzuzahlen. Dies begründete sie mit der Verfassungswidrigkeit des EKBSG. Nach der Abweisung des Antrags machte die Bf in der folgenden Bescheidbeschwerde ua folgende Verstöße des EKB-S gegen das Verfassungsrecht geltend:

Der EKB-S verstoße gegen das aus dem Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG) abgeleitete objektive Nettoprinzip, weil dieser nicht auf den realisierten Gewinn, sondern auf den Erlös, abstellt.

Der EKB-S sei weiters gleichheitswidrig, weil dadurch Stromerzeuger und fossile Energieträger ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt würden. Für Letztere besteht ein eigener, ebenfalls auf die EU-Notfallmaßnahmen-VO zurückgehender Energiekostenbeitrag („EKB-f“), der aber nicht den Erlös, sondern den Differenzbetrag zwischen steuerpflichtigem Gewinn im zeitlichen Anwendungsbereich des EKBFG und dem Durchschnittsgewinn vor der Energiekrise besteuert (vgl §§ 1 ff EKBFG).

Da sich die Abgabe gem § 11 Abs 1 EKBSG nach den Erlösen seit 1. 12. 2022 bemisst, das Gesetz aber erst am 29. 12. 2022 im BGBl publiziert wurde, lege eine verfassungsrechtlich bedenkliche echte Rückwirkung des EKB-S vor, die nachträglich unmittelbar schon an früher verwirklichte Tatbestände anknüpft.

Die unionsrechtliche Grundlage ist nach Art 22 Abs 2 lit c EU-Notfall-VO bereits mit 30. 6. 2023 außer Kraft getreten. Daher könne spätestens seit Juli 2023 kein Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor dem österreichischen Verfassungsrecht mehr gegeben sein.

Der Anwendungsvorrang sei außerdem von vornherein unbeachtlich, weil dieser die laut Bf fehlende unmittelbare Anwendbarkeit der EU-Notfall-VO vorausgesetzt hätte. Wäre die EU-VO unmittelbar anwendbar, hätte es der Umsetzung durch das EKBSG gar nicht mehr bedurft.

Das EKBSG habe das Unionsrecht darüber hinaus nicht richtig umgesetzt: Beispielsweise schreibt Art 10 der VO den Mitgliedstaaten vor, die abgeschöpften Überschusserlöse gezielt für die Reduktion der Strompreise der Endkunden einzusetzen. Dagegen verstoße das EKBSG allerdings, da keine solche Bestimmung in das österreichische Umsetzungsgesetz übernommen wurde.

Entscheidung des BFG

Zunächst stellt das BFG fest, dass den ordentlichen Gerichten gem Art 89 Abs 1 B-VG die Gültigkeitskontrolle gehörig kundgemachter Gesetze nicht zukommt. Das Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG verlangt vielmehr, dass sowohl die belangte Behörde als auch das BFG das EKBSG anwenden, solange es dem Rechtsbestand angehört. Im Weiteren erwägt das BFG, ob aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung des EKBSG bestehen und ein Antrag auf Aufhebung beim VfGH gem Art 89 Abs 2 einzubringen ist:

Die Preisbildung am Strommarkt orientiert sich am teuersten Kraftwerk, das zur Deckung des Strombedarfs noch zugeschaltet wird. Da dies meistens ein Gaskraftwerk ist, hat die Energiekrise zu außerordentlichen Erlösen für alle Stromerzeuger geführt, auch wenn diese mit keinen gestiegenen Grenzkosten konfrontiert waren (siehe auch ErwGr23 ff der EU-Notfall-VO). Da sich die Lage deutlich vom Sektor für fossile Brennstoffe unterscheidet, verstößt der Gesetzgeber nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn er für Stromerzeuger, die von externen Preisanstiegen profitiert haben, auf den Erlös abstellt, für fossile Energieunternehmen aber auf den Gewinn. Mit der Obergrenze für Markterlöse soll lediglich das Marktergebnis nachgebildet werden, dass die Stromerzeuger bei einem Ausbleiben der Krisensituation erwarten hätten können (vgl ErwGr 45 EU-Notfall-VO). Ebenso wenig ist somit ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip zu erkennen – insbesondere, da § 3 Abs 3 EKBSG ohnehin eine Berücksichtigung von Investitions- und Betriebskosten zulässt, wenn diese über der Obergrenze für Markterlöse liegen.

Die EU-Notfall-VO ist zudem unmittelbar anwendbar und bereits am 7. 10. 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlich worden. Eine echte Rückwirkung des EKBSG, das als nähere Ausgestaltung der VO fungiert, kann somit nicht erblickt werden. Die Beitragspflichtigen konnten sich bereits vor Wirkungsbeginn der Abgabe mit 1. 12. 2022 auf die neue Rechtslage einstellen. Auch die fehlende Verwendungsbestimmung zur Abmilderung der Energiekosten für Endkunden im EKBSG stellt keine Unionsrechtswidrigkeit dar, weil sich dies bereits direkt aus Art 10 und Art 19 der EU-VO ergibt.

Ob die Verlängerung des EKBSG über den Geltungszeitraum der unionsrechtlichen Grundlage hinaus einen Verstoß gegen das Verfassungsrecht begründe, beantwortete das BFG nicht. Diese Frage war für das Verfahren nicht präjudiziell, da sich die Bescheidbeschwerde nur auf die Abgabenfestsetzung im Zeitraum vom 1. 12. 2022 bis zum 30. 6. 2023 bezogen hat.

Conclusio

Der vorliegende Fall veranschaulicht die umstrittene Gestaltung der sog „Übergewinnsteuern“ als Reaktion auf die Energiekrise in Europa. Während der Abwägung des BFG zur unterschiedlichen Behandlung von Stromerzeugern und fossilen Energieträgern und zum objektiven Nettoprinzip zuzustimmen ist, so kann die Diskussion zur echten Rückwirkung des EKBSG durchaus kontrovers geführt werden. Hierbei stellt sich die Frage, ob die echte Rückwirkung eines Gesetzes tatsächlich dadurch verhindert werden kann, dass es der Ausgestaltung einer bereits geltenden EU-VO dienen soll. Sofern das Unionsrecht unmittelbar anwendbar ist – was das BFG angenommen hat – könnte die Obergrenze des Markterlöses allein durch das Unionsrecht gewährleistet werden; somit besteht für eine rückwirkende Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs der österreichischen Umsetzung kein unionsrechtlicher Anlass. Der VfGH hat in Bezug auf das Verbot der echten Rückwirkungen im Abgabenrecht ausgesprochen, dass das berechtigte Vertrauen des Steuerpflichtigen an der geltenden Rechtslage zu messen ist und Planungen oder Diskussionen von diesem nicht miteinbezogen werden müssen (VfGH 5. 10. 1989, G 228/89). Aus diesem Grund stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob der Beitragsschuldner nicht zumindest insoweit in seinem Vertrauen verfassungswidrig erschüttert wurde, als dass das EKBSG nicht von der EU-Notfall-VO determiniert war (im Detail siehe Bräumann/Kofler/Tumpel, Gleichheitskonformität einer (rückwirkenden) Sektorensteuer am Beispiel der Gewinnabschöpfung von Energieunternehmen, in Baumgartner [Hrsg], Öffentliches Recht Jahrbuch [2023] 11). Konkret lag die Obergrenze des Markterlöses gem § 3 Abs 2 EKBSG bis zum 31. 5. 2023 bei 140,00 €/MWh, die im Übrigen mit BGBl I Nr 64/2023 vom 21. 6. 2023 rückwirkend für Erlöse nach dem 31. 5. 2023 auf 120,00 €/MWh gesenkt wurde. Art 6 Abs 1 EU-Notfall-VO schrieb jedoch nur eine Begrenzung auf höchstens 180,00 €/MWh vor. Es ist daher fraglich, ob ein Beitragsschuldner die konkrete Grenze im EKBSG schon aufgrund des Unionsrechts hätte vorhersehen können.

Gegen die EU-Notfall-VO selbst sind zurzeit mehrere Nichtigkeitsklagen vor dem EuG anhängig (ua EuG, TZ, T-803/22, eingereicht am 30. 12. 2022; ExxonMobil, T-802/22, eingereicht am 28. 12. 2022), die die Aufhebung der VO hinsichtlich des „Solidaritätsbeitrags“ auf fossile Energieträger nach Art 14 ff der VO begehren. Auch in diesen wird die Verletzung des Rückwirkungsverbots und des allgemeinen Unionsgrundsatzes der Rechtssicherheit moniert, weil die VO bereits im Oktober 2022 erlassen wurde, die Mitgliedstaaten aber bis Ende 2022 Zeit hatten, Umsetzungsmaßnahmen zu setzen (im Detail siehe Posch, Die Nichtigkeitsklage in Steuersachen vor den Gerichten der Europäischen Union, AVR 2023, 209). Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie die Rechtmäßigkeit der „Übergewinnsteuern“ von Gerichten abschließend beurteilt wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35333 vom 22.04.2024