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BFG: Haftung des Fiskalvertreters gem § 8 Abs 2 FlugAbgG

Bearbeiter: Philipp Scharizer

FlugAbgG: §§ 6, 8 Abs 2

BAO: §§ 7, 9

Abstract

Das BFG bejahte die Haftung eines Fiskalvertreters für die Flugabgabenschuld seines ehemaligen Mandanten auch für den Fall, dass ihn kein Verschulden trifft. Die Inanspruchnahme der Haftung liegt im Ermessen des FA und kann geltend gemacht werden, wenn die Abgabenschuld nicht ohne Gefährdung oder nicht ohne Schwierigkeiten rasch beim Primärschuldner eingebracht werden kann.

BFG vom 22. 3. 2023, RV/7102474/2015

Sachverhalt

Die Bf war eine Steuerberatungsgesellschaft (GmbH), die vom 30. 5. 2011 bis zum 20. 8. 2013 als Fiskalvertreterin einer türkischen Fluggesellschaft (Anm: Sky Airlines) tätig war, die weder im Inland noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen Sitz oder eine Betriebsstätte hatte. Die Bf war für die Meldung der selbstberechneten Flugabgabe zuständig. Die Zahlung selbst erfolgte durch die Airline. Im Jänner 2013 wurde der Bf mitgeteilt, dass ihr Hauptansprechpartner die Airline verlassen und sie somit keinen konkreten Ansprechpartner mehr hat. Die letzte Teilzahlung der Airline an das FA erfolgte am 10. 1. 2013. Ferner wurden die Flugabgaben für die Monate Juli, August und September nicht entrichtet und mehrere Aufforderungen (inkl internationalem Rückschein) zur Begleichung der ausstehenden Abgabenschuld gegenüber der Airline blieben erfolglos. Am 20. 8. 2013 legte die Bf ihre Funktion als Fiskalvertreterin zurück und überwies das ihr als Sicherheit eingeräumte Bankdepot der Fluggesellschaft iHv EUR 39.000,– auf das Abgabenkonto der Airline, wo es mit den ältesten Abgabenschulden verrechnet wurde. Mit Haftungsbescheid vom 13. 8. 2014 wurde die Bf als Haftungspflichtige gem § 8 Abs 2 FlugAbgG für die ausstehenden Flugabgabenschulden der Airline in Anspruch genommen. Die belangte Behörde führte zur Begründung aus, dass der Haftungsbescheid aufgrund der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin infolge deren Betriebseinstellung im Jahr 2013 an die Bf ergangen sei. Am 26. 6. 2014 wurde das Insolvenzverfahren in der Türkei eröffnet, der Stand des Verfahrens war jedoch unklar, weitere Informationen waren aufgrund der Namens- und Standortänderung schwierig zu erhalten. Die Fluggesellschaft war noch in der Datenbank der türkischen Handelskammer eingetragen.

Entscheidung des BFG

Der Abflug eines Passagiers von einem inländischen Flughafen mit einem motorisierten Luftfahrzeug unterliegt der Flugabgabe gem § 1 FlugAbgG. Der Abgabenschuldner ist gem § 6 FlugAbgG der Luftfahrzeughalter (Airline), der den Abflug durchführt. Der Flugplatzhalter des inländischen Flughafens, von dem der Abflug erfolgt, haftet für die Abgabe. Gem § 8 Abs 1 Z 1 FlugAbgG ist ein Luftfahrzeughalter, der weder im Inland noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union Wohnsitz, Sitz oder Betriebsstätte hat, verpflichtet, vor der Durchführung des ersten Abfluges von einem inländischen Flughafen einen zugelassenen Fiskalvertreter zu beauftragen. Ferner hat der Fiskalvertreter die abgabenrechtlichen Pflichten des von ihm Vertretenen zu erfüllen. Der Fiskalvertreter haftet für die Abgabe und muss auch Zustellungsbevollmächtigter sein. Der Flugplatzhalter hat die Daten (wie Flugnummer, Anzahl der Passagiere, Datum und Uhrzeit, etc) vom Luftfahrzeughalter zu überprüfen und mit seinen eigenen Daten abzugleichen. Der Flugplatzhalter hat diese Daten bis spätestens zum 15. des zweitfolgenden Monats an das FA zu melden. Bei richtiger, vollständiger und rechtzeitiger Meldung entfällt die Haftungsbestimmung gem § 6 FlugAbgG für den Flugplatzhalter. Eine ordnungsgemäße Durchführung durch den Flugplatzhalter war im gegenständlichen Fall gegeben. Strittig war hingegen, inwieweit die Bf als Fiskalvertreterin der Airline für die bis zur Beendigung ihrer Funktion nicht entrichteten Abgabenschulden haftbar gemacht werden kann.

Der Fiskalvertreter ist ein gewillkürter Vertreter des Luftfahrzeughalters, der grundsätzlich gem § 9 BAO für jene Abgaben haftet, die infolge schuldhafter Verletzung der ihm obliegenden Pflichten nicht beim Vertretenen eingebracht werden können, ohne dass es dafür einer eigenen Haftungsregelung im Flugabgabengesetz bedarf. Jedoch ist in den §§ 6 und 8 Abs 2 FlugAbgG ausdrücklich vorgesehen, dass der Flugplatzhalter ebenso wie der Fiskalvertreter „für die Abgabe haftet“. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich weder, dass diese Haftung nur unter bestimmten Voraussetzungen (zB bei schuldhafter Pflichtverletzung) gelten soll, noch eine Beschränkung des Haftungsumfangs. Eine Subsidiarität gegenüber der Inanspruchnahme des Primärschuldners lässt sich dem Wortlaut nach ebenfalls nicht entnehmen. Jedenfalls setzt es für den Flugplatzhalter lediglich eine Pflichtverletzung für die Haftung voraus. Auch wenn die Haftungseinschränkung des § 11 Abs 7 FlugAbgG nur für den Flugplatzhalter gilt, ist der Wortfolge „haftet für die Abgabe“ des Haftungstatbestandes in § 8 Abs 2 FlugAbgG zumindest aufgrund der Gesetzessystematik und der einheitlichen Rechtssprache die gleiche Bedeutung beizumessen wie der gleichlautenden Wortfolge in § 6 FlugAbgG, und es ist davon auszugehen, dass der Fiskalvertreter grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie der Flugplatzhalter für die Flugabgabe haftet. Demnach ergibt sich, dass es sich bei § 8 Abs 2 FlugAbgG um einen Haftungstatbestand sui generis handelt und der Fiskalvertreter durch die Geltendmachung dieser Haftung gem § 7 BAO neben dem Luftfahrzeughalter zum Gesamtschuldner wird. Das BFG verneinte, dass es sich bei § 8 Abs 2 FlugAbgG bloß um einen deklarativen Verweis auf die Vertreterhaftung des § 9 BAO und nicht um die konstitutive Schaffung eines neuen Haftungstatbestandes handle. Auch der Einwand der Bf, dass die unterschiedliche Behandlung des Haftungsumfanges des steuerlichen Vertreters im Umsatzsteuerrecht und im Flugabgabegesetz sachlich nicht gerechtfertigt sei, wurde vom BFG als nicht überzeugend angesehen. Die Stellung des Fiskalvertreters ist iZm dem jeweiligen Materiengesetz zu sehen.

Ferner führte das BFG aus, dass gem § 7 BAO Personen, die nach den Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch die Geltendmachung dieser Haftung zu Gesamtschuldnern werden. Die Geltendmachung der Haftung stehe im Ermessen des FA. Bei der Ermessensübung sei insbesondere der Zweck der Haftungsbestimmung zu berücksichtigen. Haftungen seien Besicherungsinstitute. Daraus ergebe sich eine gewisse Nachrangigkeit der Haftung gegenüber der Inanspruchnahme des Hauptschuldners (Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rz 6). Ungeachtet dieser generellen Nachrangigkeit liege es im Ermessen des FA, die Haftung gegenüber dem Fiskalvertreter in Anspruch zu nehmen, weil die Abgabenschuld nicht ohne Gefährdung oder nicht ohne Schwierigkeiten rasch beim Primärschuldner eingebracht werden kann. Das FA brauche ein Konkursverfahren mit zweifelhaften Einbringlichkeitsaussichten gegen den Hauptschuldner nicht abzuwarten (vgl VwGH vom 16. 11. 2006, 2006/14/0008). Abschließend erkannte das BFG, dass keine Umstände vorlagen, die die Inanspruchnahme der Bf nicht zweckmäßig oder unbillig erscheinen ließen. Das BFG ließ aufgrund der fehlenden Rsp des VwGH eine ordentliche Revision zu. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Beschwerde vor dem VfGH anhängig (E 1424/2023).

Conclusio

Die Bestellung eines Fiskalvertreters ist für den Fall vorzunehmen, dass der Luftfahrzeughalter weder Wohnsitz, Sitz noch eine Betriebsstätte in der Europäischen Union besitzt. Dies dient der effektiven und effizienten Erhebung der Abgabe. Der Fiskalvertreter hat die abgabenrechtlichen Pflichten des von ihm Vertretenen zu erfüllen. Er ist berechtigt, die dem Vertretenen zustehenden Rechte wahrzunehmen und haftet für die Abgabe. Der Fiskalvertreter muss auch Zustellungsbevollmächtigter sein. Als Fiskalvertreter kann ein Wirtschaftstreuhänder, ein Rechtsanwalt, ein Notar oder ein anderer Unternehmer iSd § 2 Abs 1 UStG – jeweils mit Sitz oder Wohnsitz im Inland – bestellt werden. Daneben können Verbände von Flugunternehmern, die mit einer inländischen Zweigniederlassung im österreichischen Firmenbuch eingetragen sind, als Fiskalvertreter bestellt werden. Nach Ansicht des BFG haften diese eingetragenen Fiskalvertreter schließlich verschuldensunabhängig in voller Höhe für die Flugabgabe des Vertretenen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34347 vom 03.08.2023