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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Das BFG hatte über die persönliche Haftung eines Geschäftsführers (Gf) einer GmbH für Abgabenschulden zu entscheiden. Die Gesellschaft stellte einen Insolvenzantrag und wurde in weiterer Folge nach einer Schlussverteilung ihres Vermögens ausgelöst. Danach forderte die Abgabenbehörde die nicht durch die Quote gedeckten Abgabenschulden mittels Haftungsbescheids vom Gf. Dieser soll Zahlungen an andere Gläubiger geleistet haben, womit der Anspruch der Abgabenbehörde verkürzt wurde. Da diese Zahlungen als erwiesen galten, der Bf jedoch keinen Nachweis über die Höhe der Verkürzung der Abgabenforderung lieferte, bestätigte das BFG die volle Haftung des Bf.
BFG 22. 4. 2025, RV/5100557/2023
Sachverhalt
Der Bf war von 5. 10. 2011 bis 16. 12. 2017 Gf einer GmbH. Aufgrund von Misswirtschaft wurde über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet. Gegen die GmbH bestanden auch Abgabenforderungen. Dieses Verfahren endete in einer Schlussverteilung und der Löschung der GmbH aus dem Firmenbuch. Die Quote betrug 5,78 %. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens forderte die Abgabenbehörde die nicht durch die Quote gedeckte Forderung vom Bf mittels Haftungsbescheids. Der Bf soll Zahlungen an andere Gläubiger getätigt haben, obwohl zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden Mittel zur vollen Befriedigung aller Gläubiger mehr vorhanden waren. Die Abgabenforderung wurde somit verkürzt, weswegen der volle Betrag nun im Haftungswege vom Bf gefordert werde. Der Bf brachte vor, dass es lediglich zu geringfügigen Zahlungen gekommen sei, um den Geschäftsbetrieb in minimalem Ausmaß aufrechtzuerhalten. Eine Benachteiligung der Forderung der Abgabenbehörde sei daher nicht gegeben. Mit diesen Argumenten legte der Bf Bescheidbeschwerde ein.
Entscheidung des BFG
Das BFG legte zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für eine Haftung dar. Der Bf ist durch seine Stellung als Gf der GmbH eine zur Vertretung berufene Person der Gesellschaft, weshalb er als Vertreter iSd § 80 Abs 1 BAO gilt. Diese Personen trifft nach § 9 Abs 1 BAO eine Haftung, wenn die Abgabe infolge einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht vom Abgabenschuldner eingebracht werden kann. Das BFG erläutert, dass den Vertreter somit eine Pflicht zur rechtzeitigen Entrichtung von Abgaben trifft (§ 80 Abs 1 letzter Satz BAO). Hieraus wird auch ein Gebot zur Gläubigergleichbehandlung abgeleitet. Dieses Gebot ist ab dem Zeitpunkt zu beachten, in dem die Abgabe zu entrichten wäre. Reichen die Mittel nicht zur Tilgung aller Verbindlichkeiten aus, hat der Vertreter den Nachweis zu erbringen, dass die Abgabenforderungen gegenüber anderen Forderungen nicht benachteiligt wurden. Hierfür muss nachgewiesen werden, dass sich die Quote der Forderungen nicht verschlechtert hat. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, haftet der Vertreter zur Gänze.
Das BFG stellte fest, dass der Bf diesen Nachweis nicht erbracht hat. Trotz Aufforderung der Abgabenbehörde und des Gerichts in einer mündlichen Verhandlung konnte der Bf keine Nachweise erbringen, die zeigen, dass es zu keiner Quotenverschlechterung gekommen ist. Der Bf haftet somit in vollem Umfang für die ausständige Abgabenschuld, weil er Zahlungen an andere Gläubiger tätigte. Eine ordentliche Revision wird nicht zugelassen.
Conclusio
Durch die Leistung von Zahlungen während materieller Insolvenz begründete der Bf seine Haftung. Interessant ist, dass die Haftung des Bf in vollem Umfang besteht. Der Bf haftet für den Restbetrag, der nicht durch das Gesellschaftsvermögen gedeckt wurde. Dies stellt 94,22 % (100 % – 5,78 %) der Gesamtforderung dar, womit der Gf wirtschaftlich den Großteil einer Forderung trägt, die für einen anderen Rechtsträger (GmbH) begründet wurde. Der Bf haftet somit für die gesamte ausständige Forderung. Nach der Grundregel des § 9 BAO besteht der Haftungsanspruch lediglich für die Verschlechterung, die durch die Pflichtverletzung eingetreten ist (Ritz/Koran, BAO8 [2025] § 9 Rz 27; vgl Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner [Hrsg], Abgabenverfahren I3 [2021] § 9 BAO Rz 17). Nur für den Fall, dass ein qualifizierter Nachweis über die Quotenverschlechterung nicht erbracht werden kann, geht die Rsp davon aus, dass sich die Haftung auf den gesamten ausständigen Betrag erstrecke (VwGH 7. 12. 2000, 2000/16/0601; 9. 8. 2001, 98/16/0348; 30. 10. 2001, 98/14/0082). Genau diese Verletzung der Mitwirkungspflicht in Form einer Nachweiserbringung verursacht auch die Höhe der Haftung des Bf. Das Ergebnis stimmt somit mit dem bisherigen Verständnis von § 9 BAO überein und stellt keinen positiven Nachweis über die Abgabenverkürzung in voller Höhe durch den Bf dar, sondern ist lediglich Resultat einer missglückten Beweisführung.