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BFG: Haftung für Lohnsteuern, deren Bezahlung vom Masseverwalter angefochten wurde

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

BAO: § 9 Abs 1

IO: § 30

Abstract

Die Lohnsteuer wird vom Arbeitnehmer geschuldet (§ 83 Abs 1 EStG). Für die Einbehaltung und Abfuhr haftet aber der Arbeitgeber dem Bund (§ 82 EStG). Er hat aufgrund dieser Bestimmung für eine fremde Schuld einzustehen. Die Geltendmachung dieser Haftung erfolgt durch Erlassung eines Haftungsbescheides, durch den die Abgabenschuld des Arbeitgebers entsteht. Die Zahlung der Lohnsteuer ist daher nach den Bestimmungen der §§ 30, 31 IO unanfechtbar, soweit kein Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber erlassen wurde. Werden anfechtungsfest bezahlte Lohnsteuern zu Unrecht vom Insolvenzverwalter angefochten, und entspricht das Finanzamt diesen Anfechtungen, ist für die dadurch eingetretene Uneinbringlichkeit der Lohnsteuern bei der Primärschuldnerin nicht die verspätete Entrichtung durch den Geschäftsführer kausal, sondern die unberechtigte Anfechtung der Zahlungen durch den Insolvenzverwalter und die zu Unrecht erfolgte Anerkennung dieser Anfechtung durch das Finanzamt. Für eine Geschäftsführerhaftung fehlt daher der Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit.

BFG 8. 1. 2024, RV/5100500/2020

Sachverhalt

Der Bf war Geschäftsführer einer mittlerweile insolventen GmbH. Die GmbH entrichtete in den letzten Jahren mehrfach Selbstbemessungsabgaben nicht rechtzeitig und hielt auch Ratenbewilligungen nicht ein. Lohnabgaben wurden bekannt gegeben, aber nur teilweise und verspätet entrichtet. Auf Ersuchen des Finanzamtes hat daher die Finanzprokuratur am 23. 6. 2016 einen Insolvenzantrag gestellt. Dieser Antrag wurde aber zunächst durch das Landesgericht abgewiesen, schließlich aber durch das Oberlandesgericht am 21. 10. 2016 Folge gegeben. Die Gesellschaft beantragte dann ein Sanierungsverfahren, das am 1. 12. 2016 eröffnet wurde.

Anschließend hat der Masseverwalter der GmbH die an das Finanzamt zwischen dem 1. 6. 2016 und dem 1. 12. 2016 geleisteten Saldozahlungen iHv € 52.000 angefochten. Das Finanzamt hat diese Anfechtungen anerkannt und € 52.000 an die GmbH zurückgezahlt. Durch diese Rückzahlung lebte die Lohnsteuer wieder auf, die durch diese Teilzahlungen abgedeckt war. Der Bf wurde dann persönlich zur Haftung für die offene Lohnsteuer gem § 9 BAO iVm § 80 BAO herangezogen, wogegen sich die Beschwerde richtet.

Entscheidung des BFG

§ 80 Abs 1 BAO verpflichtet die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen, dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Nach § 9 Abs 1 BAO haftet ein Vertreter gem § 80 BAO für die Abgaben des vertretenen Abgabepflichtigen, wenn die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Kausalität der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Die Abgabenforderung in der Form der Lohnsteuer sowie die Stellung des Bf als Geschäftsführer und daher als Vertreter der GmbH sind unstrittig. Die (teilweise) Uneinbringlichkeit der Lohnsteuer steht auch fest, da ein Sanierungsplan mit einer Quote von 32 % rechtskräftig bestätigt wurde. Der Bf hat auch seine Pflichten verletzt, da die einbehaltene Lohnsteuer zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden ist und auch bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot unterliegt. Der Bf hatte die Lohnsteuer daher einerseits einzubehalten und andererseits zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen (VwGH 19. 10. 2017, Ra 2016/16/0097). Daran ändert auch weder die verspätete Bezahlung der Lohnsteuern etwas noch die Anfechtung dieser Zahlungen durch den Masseverwalter (VwGH 16. 9. 2003, 2000/14/0162).

Die Kausalität der Pflichtverletzung wird durch den Vergleich mit einer Kausalkette im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens ermittelt. Die Nichtentrichtung der Lohnsteuern vor Insolvenzeröffnung war daher jedenfalls kausal für deren Uneinbringlichkeit. Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag (BFH 11. 11. 2008, VII R 19/08). Da im konkreten Fall das Insolvenzverfahren am 1. 12. 2016 eröffnet wurde und die Anfechtungsfrist 6 Monate beträgt, sind daher Abgaben, die vor dem 1. 6. 2016 fällig waren, jedenfalls unanfechtbar.

Da die Lohnsteuer vom Arbeitnehmer geschuldet wird (§ 83 Abs 1 EStG) und der Arbeitgeber dem Bund für die Abfuhr nur haftet (§ 82 EStG), ist zur Geltendmachung dieser Haftung die Erlassung eines Haftungsbescheides gem § 224 Abs 1 BAO erforderlich. Zahlungen der Lohnsteuer sind unanfechtbar, wenn kein Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber erlassen wurde (OGH 27. 4. 2004, 10 Ob 54/03v; 18. 10. 2016, 3 Ob 155/16i). Im konkreten Fall wurden keine Haftungsbescheide erlassen. Die Zahlungen waren daher unanfechtbar und die Anfechtung durch den Masseverwalter sowie die Anerkennung der Anfechtung durch das Finanzamt erfolgten daher zu Unrecht. Bezüglich der Lohnsteuer, die erst nach Insolvenzeröffnung fällig war, wäre daher auch im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens (Entrichtung dieser Lohnsteuern zum Fälligkeitstermin) kein anderes Ergebnis eingetreten. Auch bei vollständiger und rechtzeitiger Entrichtung der Lohnsteuer wäre nämlich eine unberechtigte Anfechtung erfolgt, so dass das Handeln des Bf in diesen Fällen nicht kausal war. Eine Haftung des Bf besteht daher nur für die vor Beginn der Anfechtungsfrist fällige Lohnsteuer.

Conclusio

Auf den ersten Blick mag es zwar merkwürdig erscheinen, dass ein Geschäftsführer, der seine Pflichten schuldhaft verletzt, indem er die einbehaltene Lohnsteuer nicht rechtzeitig an das Finanzamt abführt, nicht haftet, wenn teilweise Zahlungen der Lohnsteuer später erfolgreich angefochten werden. Dem BFG ist aber zuzustimmen, dass bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Bf, also der vollständigen und rechtzeitigen Abfuhr der Lohnsteuer, das Ergebnis gleich gewesen wäre. Denn auch in diesem Fall spricht nichts dagegen, dass der Masseverwalter die Zahlungen angefochten hätte und diese Anfechtungen anerkannt worden wären. Auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Bf wären daher auch alle nach Beginn der Anfechtungsfrist fälligen Lohnsteuerzahlungen offen.

Eine strittige Rechtsfrage im konkreten Fall ist aber, warum Lohnsteuerzahlungen ohne bestehenden Haftungsbeschied überhaupt unanfechtbar sind. Das BFG beruft sich hierzu auf Rsp des OGH (OGH 27. 4. 2004, 10 Ob 54/03v; 18. 10. 2016, 3 Ob 155/16i) und des VwGH (VwGH 25. 1. 2000, 96/14/0080). Diese Rsp begründet die Unanfechtbarkeit damit, dass erst durch die Erlassung eines Haftungsbescheides die Abgabenschuld des Arbeitgebers entsteht und das Finanzamt davor auch nicht Gläubiger ist. Nach neuerer Rsp des OGH (5. 12. 2019, 17 Ob 7/19g) handelt es sich bei Lohnsteuerzahlungen ohne bestehenden Haftungsbescheid aber um aufschiebend bedingte Insolvenzforderungen. Dies würde zur Anfechtbarkeit von diesen Lohnsteuerzahlungen führen (Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze [2021] § 30 IO Rz 88). Ob sich der VwGH dieser Ansicht anschließt, ist aber völlig offen und wird auch vermutlich nicht anhand des konkreten Falles entschieden werden, da das BFG die Revision nicht zugelassen hat und soweit dies ersichtlich ist, auch keine Revision eingebracht wurde.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35436 vom 17.05.2024