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EStG 1988: § 30 Abs 2 Z 1 lit a
Abstract
Die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG setzt voraus, dass das Eigenheim/die Eigentumswohnung ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens 2 Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz genutzt wird. Das BFG hatte in dem vorliegenden Fall zu entscheiden, ob die Hauptwohnsitzbefreiung auch dann greift, wenn das Eigenheim/die Eigentumswohnung erst 20 Monate nach der Anschaffung erstmalig als Hauptwohnsitz genutzt wird. In Ausnahmefällen, in denen die Verzögerung nicht dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist, kann nach Ansicht des BFG auch eine Dauer von mehr als einem Jahr als angemessen betrachtet werden.
BFG 28. 9. 2024, RV/7100134/2017
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) erwarb im November 2007 eine Liegenschaft in Wien, die nach umfassenden Renovierungsmaßnahmen als ihr Hauptwohnsitz dienen sollte. Das Gebäude war zum Zeitpunkt des Kaufs noch nicht bewohnbar. Aufgrund von Insolvenzen der beauftragten Baufirmen dauerten die Renovierungsarbeiten länger als geplant, nämlich bis Mitte 2009. Im September 2009 zog die Bf schließlich nach Abschluss der Renovierungsarbeiten zusammen mit ihrer Familie in das Gebäude ein und begründete dort ihren Hauptwohnsitz.
Im Jänner 2013 verkaufte die Bf die Liegenschaft unter Geltendmachung der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG. Das Finanzamt lehnte die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung jedoch im ESt-Bescheid 2013 ab, weil die Nutzung des Objekts als Hauptwohnsitz nicht „spätestens ein Jahr nach der Anschaffung“ begonnen habe. Über eine dagegen erhobene Beschwerde hatte das BFG zu entscheiden.
Entscheidung des BFG
Grundsätzlich gilt, dass eine Nutzung als Hauptwohnsitz „ab der Anschaffung“ nicht vorliegt, wenn ein Eigenheim/eine Eigentumswohnung erst zu einem späteren Zeitpunkt als Hauptwohnsitz genutzt wird (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17 § 30 Tz 159).
Nach Ansicht des BFG greift die Regelung des § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG ausnahmsweise auch dann, wenn ein Eigenheim/eine Eigentumswohnung nicht sofort nach dem Kauf als Hauptwohnsitz genutzt wird. Eine spätere Begründung als Hauptwohnsitz ist möglich, wenn das Gebäude, wie im vorliegenden Fall, zum Zeitpunkt des Kaufs nicht bewohnbar ist und sofort mit den Renovierungsmaßnahmen begonnen wird. Das BFG stützt sich dabei auf die Rsp des VwGH. In seinem Erkenntnis vom 21. 10. 2003, 98/14/0047, stellte der VwGH fest, dass der Hauptwohnsitz bei der Anschaffung begründet sein muss. Jedoch kann ein Hauptwohnsitz nur bei einem bewohnbaren Eigenheim begründet werden. In einer Folgeentscheidung (VwGH 24. 1. 2007, 2003/13/0118) stellte der VwGH klar, dass die Durchführung von Arbeiten, um das Eigenheim bewohnbar zu machen, nicht zum Ausschluss der Hauptwohnsitzbefreiung führt. Wichtig ist lediglich, dass nach Abschluss der Arbeiten der Hauptwohnsitz sofort begründet wird.
Das BFG erklärt somit, dass eine Nutzung „ab der Anschaffung“ auch dann anzunehmen ist, wenn aufgrund von Umbauarbeiten eine angemessene Zeit zwischen dem Erwerb des Eigenheims/der Eigentumswohnung und der Nutzung als Hauptwohnsitz liegt. Wichtig ist, dass die Verzögerungen nicht durch den Steuerpflichtigen entstanden sind und die Nutzung zeitnah nach Abschluss der Arbeiten erfolgt (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17 § 30 Tz 159). Die Arbeiten wurden in dem Fall durch Insolvenzen der beauftragten Baufirmen verzögert und somit nicht durch die Bf verursacht. Ebenso hat die Bf den Hauptwohnsitz unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten begründet. Der Zeitraum von 20 Monaten wurde somit, zugunsten der Bf, als angemessen erachtet.
Conclusio
Die Entscheidung des BFG zeigt, dass der Begriff „angemessener Zeitraum“ im Zusammenhang mit der Hauptwohnsitzbefreiung flexibler ausgelegt werden kann. Selbst wenn ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung erst nach längeren Renovierungsarbeiten bewohnt werden kann, kann die Befreiung dennoch anwendbar sein. Das trifft aber nur auf Fälle zu, in denen die Verzögerungen nicht vom Steuerpflichtigen verursacht werden (VwGH 21. 10. 2003, 98/14/0047; 24. 1. 2007, 2003/13/0118). Wichtig ist, dass der Steuerpflichtige die Renovierung aktiv fördert und die Nutzung als Hauptwohnsitz unmittelbar nach Abschluss der Maßnahmen erfolgt (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17 § 30 Tz 159). Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Steuerpflichtigen, die aufgrund äußerer Umstände daran gehindert werden, ihr Eigenheim rechtzeitig als Hauptwohnsitz zu nutzen.
Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision für zulässig erklärt worden, da es zur Frage, was ein angemessener Zeitraum iSd § 30 Abs 2 EStG darstellt, noch keine Rsp des VwGH gibt. Soweit ersichtlich wurde allerdings keine Revision erhoben.