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BFG: Heranziehung eines Gesamtschuldners für die Umsatzsteuer aus Bauleistungen

Bearbeiter: Laura Sucker

UStG: § 19 Abs 1a

BAO: § 6 Abs 2

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, ob bei der unrichtigen Behandlung einer Bauleistung als Reverse-Charge-Leistung nach § 19 Abs 1a UStG die nachträgliche Rechnungsberichtigung zum Wegfall des Gesamtschuldverhältnisses führt. Ausschlaggebend ist nach Ansicht des BFG, ob durch die unrichtige Anwendung des Reverse-Charge-Systems das Steueraufkommen gefährdet wird. Aufgrund der Insolvenz des Leistungserbringers drohte durch die Rechnungsberichtigung ein Steuerausfall, folglich blieb es beim Gesamtschuldverhältnis.

BFG 14. 8. 2023, RV/7100729/2022

Sachverhalt

Die Miteigentumsgemeinschaft (MEG) beauftragte 2018 die M-GmbH mit einer Rohbauerrichtung auf ihrer Liegenschaft. Ziel war die Errichtung einer Wohnhausanlage auf der Liegenschaft in der R-Gasse. Der Bf war zu einem Drittel Miteigentümer an der MEG und gleichzeitig Geschäftsführer der beauftragten M-GmbH. Auf den von der M-GmbH im Zeitraum März bis September ausgestellten Teilrechnungen an die MEG wurde jeweils der Bruttobetrag ausgewiesen und kein Übergang der Steuerschuld gem § 19 Abs 1a UStG festgelegt. Im Rahmen einer Berichtigung der UVA 3-9/2018 wurden korrigierte Rechnungen übermittelt, die einen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld gem § 19 Abs 1a UStG auf die MEG enthielten. Die MEG bezahlte daraufhin dennoch den Bruttobetrag an die M-GmbH, wobei keine der beiden Gesellschaften USt abführte.

Infolge einer Außenprüfung, die den Übergang der Steuerschuld nicht anerkannte, wurden neue Rechnungen ausgestellt, die den Rechnungen vor Korrektur (ohne Hinweis auf Übergang der Steuerschuld) entsprachen. Da die M-GmbH vor vollständiger Abfuhr der USt Insolvenz anmeldete, nahm das FA die drei Miteigentümer der MEG als Gesamtschuldner in Anspruch. Begründend führte es aus, dass die Anwendung des Reverse-Charge-Systems zu Unrecht erfolgt sei, was zur Folge habe, dass die M-GmbH Steuerschuldnerin bleibe, die Miteigentümer jedoch gem § 19 Abs 1a UStG iVm § 6 Abs 2 BAO als Gesamtschuldner heranzuziehen seien. Der Bf erhob gegen den Bescheid Beschwerde. Seiner Ansicht nach liege keine Gesamtschuldnerschaft vor, da die Rechnungen nachträglich berichtigt wurden. In einer abweisenden BVE betonte das FA das Naheverhältnis zwischen der M-GmbH und dem Bf und führte aus, dass die nachträgliche Berichtigung das bereits entstandene Gesamtschuldverhältnis nicht beseitigen könne. Im Vorlageantrag widersprach der Bf seinem Beschwerdeanbringen und verwies auf die an der MEG beteiligte Immo-GmbH, die ihrerseits durch Erfüllungsgehilfen Bauleistungen erbracht habe, sodass die Steuerschuld doch übergegangen sei.

Entscheidung des BFG

Der Übergang der Steuerschuld für Bauleistungen nach § 19 Abs 1a UStG ist anwendbar, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der selbst mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurde oder üblicherweise Bauleistungen erbringt. Das BFG führt aus, dass der Verkauf der errichteten Wohneinheiten durch die Immo-GmbH keine Bauleistung darstellt, sodass im vorliegenden Fall kein Übergang der Steuerschuld erfolgt.

Bei einem unrichtigen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld kann der Leistungsempfänger gem § 19 Abs 1a UStG iVm § 6 Abs 2 BAO als Gesamtschuldner für die USt herangezogen werden. Die Inanspruchnahme als Gesamtschuldner setzt einen Beitrag des Leistungsempfängers zum unrichtigen Hinweis auf den Übergang der USt-Schuld auf ihn voraus, wobei Schriftform nicht erforderlich ist. Der Beitrag ist mangels Hinweises seitens des Leistungsempfängers im vorliegenden Fall gegeben, weil die Vertragsparteien von der gleichen Person vertreten werden.

Die nachträgliche Rechnungsberichtigung ändert nach Ansicht des BFG nichts an der Heranziehung als Gesamtschuldner, weil das Gesamtschuldverhältnis nicht aufgrund der Rechnung entsteht, sondern aufgrund der unrichtigen Behauptung des Leistungsempfängers, dass er mit der Erbringung der Bauleistung beauftragt ist. Nach der Judikatur des EuGH zu § 11 Abs 12 UStG kommt es für eine Rechnungsberichtigung darauf an, ob durch die unrichtige Rechnungslegung eine Gefährdung des Steueraufkommens eintritt. Wenn keine Gefährdung besteht, entsteht gar keine Steuerschuld aufgrund der Rechnung (mit Verweis auf EuGH 8. 12. 2022, C-378/21, P GmbH,ECLI:EU:C:2022:657). Nach Ansicht des BFG ist diese Überlegung zur Gefährdung des Steueraufkommens auf § 19 Abs 1a UStG übertragbar, weil der Zweck dieser Norm die Eindämmung missbräuchlicher Geschäftspraktiken zu Lasten des Umsatzsteueraufkommens in der betrugsanfälligen Baubranche ist. Wenn die Rechnungsberichtigung zum Wegfall des Gesamtschuldverhältnisses führt, wird dieses Ziel im vorliegenden Fall unterlaufen, weil aufgrund der Insolvenz der M-GmbH ein Steuerausfall absehbar ist. Die Berichtigung der unrichtig ausgestellten Rechnungen beseitigt die Gefährdung nicht. Folglich war der Bf als Gesamtschuldner heranzuziehen.

Conclusio

Das BFG hat zutreffend entschieden, dass das Gesamtschuldverhältnis nach § 19 Abs 1a UStG trotz nachträglicher Rechnungsberichtigung bestehen bleibt. Das Gesamtschuldverhältnis ist entstanden, weil der Leistungsempfänger zu Unrecht auf seine Beauftragung mit der Bauleistung hingewiesen hat und nicht aufgrund der Rechnung. Eine nachträgliche Rechnungsberichtigung kann daher nichts ändern. Außerdem würde der Zweck der Gesamtschuldnerschaft bei der USt aus Bauleistungen verloren gehen. Das Reverse-Charge-System für Bauleistungen wurde aufgrund der missbräuchlichen Praktiken in der Baubranche eingeführt, wobei in den Materialien gerade der Fall der Insolvenz des Leistungserbringers als Beispiel angeführt wird (ErlRV 1175 BlgNR XXI. GP 17). Wenn durch die Rechnungsberichtigung die Gesamtschuld wegfallen würde, hätte § 19 Abs 1a Satz 3 UStG keinen Anwendungsfall mehr.

Fraglich ist der Bezug zur EuGH-Rechtsprechung zu § 11 Abs 12 UStG. Wer eine unrichtige USt in Rechnung stellt, hat nach § 11 Abs 12 UStG das Recht auf eine Berichtigung, sofern er die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt (zum Beispiel, indem berichtigte Rechnungen an die Leistungsempfänger ergehen), wobei die Berichtigung nicht vom guten Glauben des Rechnungserstellers abhängig gemacht werden darf (EuGH 19. 9. 2000, C-454/98Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469; UStR 2000 Rz 1771). Das bedeutet, dass allein durch die unrichtige Rechnungslegung keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht. Erst durch die Berichtigung der USt beim leistenden Unternehmer kommt es zu einer Gefährdung, sodass eine Rechnungsberichtigung erforderlich ist, um einen unberechtigten Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger zu verhindern. Im vorliegenden Fall bestand die Gefährdung des Steueraufkommens von Anfang an wegen der falschen Anwendung des Reverse-Charge-Systems und die Heranziehung als Gesamtschuldner durch das FA war das Ergebnis der Gefährdung. Es handelt sich daher um einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt, der einen Vergleich mit der EuGH-Rechtsprechung zur Steuerschuld kraft Rechnungslegung nicht rechtfertigt. Da der Normzweck des § 19 Abs 1a UStG bereits zeigt, dass das Gesamtschuldverhältnis durch Rechnungsberichtigung nicht wegfallen kann, ändert sich das Ergebnis dadurch aber nicht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34902 vom 03.01.2024