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BFG: Impfkosten als außergewöhnliche Belastung?

Bearbeiter: Martin Klokar

EStG: § 34

Abstract

Die Impfung als außergewöhnliche Belastung könnte bald gesamtgesellschaftlich zu einem Thema werden. Das BFG hatte kürzlich über die Abzugsfähigkeit von Impfkosten als außergewöhnliche Belastung zu entscheiden. Das Gericht sah die Schutzimpfung als Maßnahme zur Vorbeugung von Krankheiten nicht als Krankheitskosten an und verneinte die steuerliche Anerkennung der Impfkosten.

BFG 2. 6. 2020, RV/7102344/2020

Sachverhalt und Rechtsfrage

Die Bf bezog im streitgegenständlichen Jahr ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (überwiegend Krankengeld während Arbeitslosigkeit). In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 beantragte die Bf die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung. Die Impfkosten als Teil der Krankheitskosten wurden vom FA nicht berücksichtigt, da die Aufwendungen zur Vorbeugung von Krankheiten nicht abzugsfähig seien. Der unter einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (Morbus Crohn) leidenden Bf wurde ua eine Impfauffrischung empfohlen. Die Impfungen seien nicht prophylaktisch, sondern unausweichlich für ihre Immun-Therapie im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung.

Strittig ist, ob die Aufwendungen für zwei FSME-Impfungen und für vier Hepatitis-Impfungen als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind.

Erwägungen des BFG

Gem § 34 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen: Die Belastung muss außergewöhnlich sein (Abs 2), zwangsläufig erwachsen (Abs 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Durch Krankheit verursachte Aufwendungen sind als außergewöhnlich einzustufen (VwGH 21. 9. 1956, 349/56). Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0109). Die Kosten müssen mit einer Heilbehandlung bzw Heilbetreuung typischerweise verbunden sein (VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0109); es genügt jedoch, wenn sie den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen (UFS 18. 6. 2009, RV/1317-L/07; BFH 20. 11. 1987, III R 296/84), dh zu lindern bzw das Fortschreiten einer Beeinträchtigung (Behinderung) zu vermeiden (Jakom/Peyerl, EStG13 2020, § 34 Rz 90 „Krankheitskosten“ mwN).

Keine außergewöhnlichen Belastungen sind nach bisheriger Rsp Aufwendungen für prophylaktische Schutzimpfungen (UFS 21. 4. 2010, RV/3125-W/09 bei Gebärmutterhalskrebs; UFS 3. 1. 2005, RV/1291-W/04 bei Fernreisen) sowie Ausgaben, die nur mittelbar mit einer Krankheit in Zusammenhang stehen, auch wenn sie sich auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken können (VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0109; UFS 21. 1. 2010, RV/3672-W/09).

Nach Ansicht des BFG handle es sich bei den zwei FSME-Impfungen als auch bei den vier Hepatitis-Impfungen um Maßnahmen zur Vorbeugung von Krankheiten. Diese stellen daher keine Krankheitskosten dar. Aus dem von der Bf vorgelegten ärztlichen Befundbericht gehe nicht hervor, dass es sich um eine speziell auf diese Impfungen gerichtete ärztliche Verordnung handelt, sondern lediglich um eine allgemeine Empfehlung zur Impfauffrischung. Dass diese beiden Impfungen zur Heilung oder Linderung der Morbus-Crohn-Erkrankung unabdingbar notwendig sind, gehe aus diesem ärztlichen Befundbericht nicht hervor. Dem vom Bf gestellten Begehren auf Anerkennung der Impfkosten konnte daher laut BFG nicht Rechnung getragen werden.

Corona-Impfkosten als außergewöhnliche Belastung?

Zukünftig könnte sich aufgrund der COVID-19-Krise die Frage der Abzugsfähigkeit von Impfkosten vermehrt stellen. Nicht nur rechtspolitische Argumente sprechen dafür, die Kosten der Corona-Schutzimpfung (oder einer anderen vorbeugenden Maßnahme) zum Abzug zuzulassen (vgl zur grds Anerkennung medizinischer Vorsorgemaßnahmen als außergewöhnliche Belastung Doralt, RdW 2011, 369 f; vgl auch Wanke/Petz, UFSjournal 2010, 257). Es scheint aufgrund der Corona-Krise speziell auch iSd sog „Abwälzungsthese“ (Abwälzung der Aufwendungen der privaten Sphäre auf die Allgemeinheit) zu liegen, medizinisch indizierte Vorsorgemaßnahmen als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen (vgl zur „Abwälzungsthese“ Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG [20. Lfg, 2018] § 34 Rz 6 und 78). Da es bei der medizinischen Vorsorge insb iZm der COVID-19-Pandemie um die Abwehr von Schäden an Gesundheit und Leben geht und auch um die Senkung der Kosten ärztlicher Heilbehandlungen, und nicht, weil der Steuerpflichtige eine Urlaubsreise in ein Land unternimmt, in dem bestimmte gefährliche Krankheiten auftreten (siehe UFS 3. 1. 2005, RV/1291-W/04), können die Voraussetzungen der außergewöhnlichen Belastung erfüllt sein. Außerdem ist der Begriff der „Krankheitskosten“ weit auszulegen (VwGH 14. 1. 92, 91/14/0243). Selbst wenn man für eine Vorsorgeimpfung (Aktiv-Impfung), die aufgrund des Pandemiecharakters von COVID-19 wohl große Teile der Bevölkerung betreffen würde, den Charakter der Außergewöhnlichkeit verneinen würde, müsste diese für eine Passiv-Impfung (Heilimpfung), die erwartungsgemäß einen Bruchteil der Bevölkerung betreffen würde, zu bejahen sein.

Conclusio

Das BFG sah die Schutzimpfung als Maßnahme zur Vorbeugung von Krankheiten nicht als Krankheitskosten an. Die Impfkosten waren daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Ob diese Ansicht auch bei einer iZm der COVID-19-Pandemie stehenden Impfung gilt, ist fraglich.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29554 vom 19.08.2020