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ZuStG: § 11 Abs 1
EuVwZÜ: Art 11
Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen: § 17
EMRK: Art 6
GRC: Art 47, Art 51
Abstract
Das BFG hatte in der vorliegenden Rechtssache darüber zu entscheiden, ob für die rechtswirksame internationale Zustellung eines Bescheids eine Übersetzung in die Sprache des Empfängers notwendig ist. Das BFG erkannte – zumindest für den Bereich der Einkommensteuer – keine Notwendigkeit zur Übersetzung des Bescheids.
BFG 1. 2. 2023, RV/7104043/2018
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf), eine natürliche Person mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Rom, war mit Bescheid vom 24. 10. 2008 als gesetzliche Vertreterin einer Mitunternehmerschaft mit einem Forstbetrieb in Österreich tätig. Im Jahr 2011 wurde der Forstbetrieb mit Gewinn veräußert, wobei die Bf den begünstigten Hälftesteuersatz gem § 37 Abs 5 Z 2 EStG aufgrund einer psychischen Erkrankung geltend machte. Der Einkommensteuerbescheid 2011 der Bf wurde (vorerst) erklärungsgemäß veranlagt, allerdings wurde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Einkünfte der Mitunternehmerschaft eingeleitet. Letztendlich wurde am 6. 10. 2016 ein von der Abgabenerklärung abweichender Feststellungsbescheid 2011 mit einem höheren Veräußerungsgewinn erlassen.
Nach Erlassung des Feststellungsbescheids forderte das Finanzamt mit Vorhalt vom 7. 10. 2016 einen Nachweis für die geistige Behinderung der Bf an, um die Voraussetzungen für die Gewährung des Hälftesteuersatzes zu überprüfen. Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, erließ das Finanzamt am 24. 4. 2017 gem § 295 Abs 1 BAO einen neuen Einkommensteuerbescheid 2011, in dem der Veräußerungsgewinn an das Ergebnis des Feststellungsverfahrens angepasst und die Besteuerung zum Hälftesteuersatz nicht gewährt wurde. Dieser geänderte Einkommensteuerbescheid 2011 wurde der Bf am 3. 5. 2017 nachweislich per international eingeschriebenem Brief an ihrem italienischen Wohnsitz zugestellt.
Mit Anbringen vom 27. 3. 2018 stellte die Bf einen Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2011 gem § 299 BAO aufgrund inhaltlicher (fehlerhafter Grundlagenbescheid) und formeller Rechtswidrigkeit (gesetzeswidrige Zustellung). Insbesondere wurde vorgebracht, dass sowohl der Feststellungsbescheid als auch der Einkommensteuerbescheid 2011 nicht rechtsgültig erlassen wurden, weil keine italienische Übersetzung für die Bf angefügt war. Die Bf verweist auf näher genannte Rechtsprechung des VwGH und des OGH, wonach die Rechtsmittelfrist bei fehlender Übersetzung nicht zu laufen beginne. Das Finanzamt wies den Antrag auf Bescheidänderung ab.
Entscheidung des BFG
Das BFG weist eingangs darauf hin, dass Zustellungen ins Ausland gem § 11 ZustG vorrangig auf Basis von internationalen Vereinbarungen erfolgen. Die Zustellung von Abgabenbescheiden in Italien fällt ua in den Anwendungsbereich des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen ins Ausland (EuVwZÜ, BGBl 1983/67 idF III 2017/64). Dieses Abkommen sieht die Möglichkeit einer Zustellung per Post vor, enthält sich aber zu Aussagen bezüglich einer etwaigen Übersetzungspflicht. Das BFG folgt in diesem Punkt der ständigen Rechtsprechung des BGH zur „praktisch identischen“ deutschen Rechtslage, die eine Übersetzung als nicht notwendig erachtet. Darüber hinaus ist das Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (BGBl III 2014/193 idgF) auf die gegenständliche Zustellung anwendbar. Auch § 17 dieses Übereinkommens erachtet eine Zustellung per Post als zulässig und sieht für diesen Fall explizit keine Verpflichtung zur Übersetzung des Bescheides vor. Zu der von der Bf vorgebrachten Rechtsprechung des OGH weist das BFG darauf hin, dass Art 6 EMRK und die darin postulierten Grundsätze eines fairen Verfahrens nur für zivilrechtliche Angelegenheiten gelten und damit im Vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen. Selbes gilt auch für den weitgehend mit Art 6 EMRK übereinstimmenden Art 47 GRC, weil dazu gem Art 51 Abs 1 GRC eine Durchführung des Rechts der Union Anwendungsvoraussetzung ist. Sowohl der Feststellungsbescheid 2011 als auch der Einkommensteuerbescheid 2011 fallen jedoch nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und damit teilt auch das anwendbare Steuerverfahrensrecht dieses Schicksal. Das von der Bf genannte Erkenntnis des VwGH erging zu einem asylrechtlichen Fall, in dem eine Übersetzungspflicht bereits im relevanten Materiengesetz verankert war. Im Ergebnis kam das BFG daher zu dem Schluss, dass der Festellungsbescheid 2011 und der abgeänderte Einkommensteuerbescheid 2011 rechtswirksam zugestellt wurden.
Das BFG wies den Antrag auf Bescheidänderung ab, weil der Bf die Bescheide rechtswirksam zugestellt wurden und sonst nur eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des Grundlagenbescheides geltend gemacht wurde, die im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid einzuwenden gewesen wäre.
Conclusio
Auf den ersten Blick erscheint die Einschränkung des Rechtes der Bf auf den Erhalt eines Bescheides in einer ihr verständlichen Sprache durchaus fragwürdig. Die Ermittlungen des BFG liefern jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die Bf zumindest in Grundzügen der deutschen Sprache mächtig ist. So wird in Ihrem Familienkreis teilweise deutsch gesprochen und sie hat die Mitunternehmerschaft über Jahre hinweg gegenüber Dritten vertreten. Schon aus diesem Grund hätte die Beschwerdeführerin erkennen müssen, dass es sich bei dem Bescheid um ein amtliches Schriftstück handelt und hätte sich bezüglich des Inhaltes informieren müssen. Auch abgesehen von dieser Tatsache ist der Ansicht des BFG zu folgen. Dieses hat überzeugende Argumente dafür vorgebracht, dass die Zustellung von Bescheiden in Verwaltungssachen durch die Post keiner Übersetzung bedarf. Die gegenteilige Ansicht wäre auch kaum administrierbar: Die Behörde müsste die Sprachkenntnisse jedes ausländischen Steuerpflichtigen prüfen und eine entsprechende Bescheidübersetzung veranlassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich der VwGH im von der Bf initiierten außerordentlichen Revisionsverfahren der Meinung des BFG anschließt.