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UStG 1994: § 14 Abs 1 Z 2, Abs 2, Abs 3
Abstract
Der Beschwerdeführer (Bf) war im Jahr 2021 als unecht umsatzsteuerbefreiter Handelsvertreter tätig. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und machte von der Handelsvertreter-Pauschalierung Gebrauch. Der Ansatz seiner pauschalierten Betriebsausgaben war unstrittig, aber das BFG ließ den zusätzlichen Ansatz des Vorsteuerpauschales gem § 14 UStG nicht zu. Das BFG stützte sich dabei insb auf den Wortlaut der HandelsvertreterVO, wonach ein Vorsteuerpauschale nur bei „abziehbaren“ (und somit tatsächlich angefallenen) Vorsteuerbeträgen möglich ist.
BFG 30. 6. 2023, RV/5100725/2022
Sachverhalt
Der Bf erzielte im Jahr 2021 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er betrieb das Gewerbe der Versicherungsvermittlung als Einzelunternehmen und die Ermittlung dieser Einkünfte erfolgte durch eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§ 4 Abs 3 EStG 1988). Als „pauschalierte Betriebsausgaben“ wurde ein Betrag iHv EUR 6.524,–- angesetzt (Höchstbetrag des Handelsvertreter-Betriebsausgabenpauschales iHv EUR 5.825, – sowie das darauf entfallene Vorsteuerpauschale iHv EUR 699, –). Der Ansatz des Handelsvertreterpauschales wurde zugelassen, allerdings erkannte das Finanzamt (FA) aufgrund der unechten Umsatzsteuerbefreiung das Vorsteuerpauschale nicht an. Der Bf erhob dagegen eine Beschwerde und stützte sich auf eine Entscheidung (E) des BFG (BFG 18. 9. 2019, RV/6100284/2016), wonach das Vorsteuerpauschale bei einer unechten Umsatzsteuerbefreiung anwendbar ist. Das FA berief sich auf eine gegenteilige E des BFG (BFG 18. 1. 2016, RV/7100168/2016), wonach nur die auf die Betriebsausgaben tatsächlich angefallene Vorsteuer angesetzt werden kann.
Entscheidung des BFG
Gem § 6 Abs 1 Z 13 iVm § 12 Abs 3 UStG 1994 sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter unecht umsatzsteuerbefreit (der Versicherungsvertreter stellt somit keine Umsatzsteuer in Rechnung, er hat aber auch kein Recht auf Vorsteuerabzug). Das BFG musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob der Handelsvertreter trotz fehlendem Vorsteuerabzug ein Vorsteuerpauschale geltend machen kann.
Im vorliegenden Fall ermittelt der Handelsvertreter seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung gem § 4 Abs 3 EStG 1988 (Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben). Der Bf fällt auch unter die HandelsvertreterVO (BGBl II Nr. 95/2000 idF BGBl II 2003/635). Die HandelsvertreterVO stützt sich auf § 17 Abs 4 und 5 EStG 1988 sowie § 14 Abs 1 Z 2 UStG 1994 und erlaubt den Ansatz bestimmter Betriebsausgaben sowie bestimmter abziehbarer Vorsteuerbeträge mit Durchschnittssteuersätzen. Der Durchschnittssatz für Betriebsausgaben beträgt 12 % der Umsätze, wobei der Umsatz gem § 4 Abs 1 UStG 1988 nach dem Entgelt bemessen wird. Die Umsatzsteuer gehört gem § 4 Abs 10 UStG 1988 nicht zum Entgelt. Das Betriebsausgabenpauschale knüpft folglich an eine Nettogröße an.
In diesem Zusammenhang führt das BFG eine E des UFS (UFS 7. 7. 2004, RV/0102-G/04) an. In dieser E wurde der eben genannte Umstand betont, dass die Umsatzsteuer bei dem Betriebsausgabenpauschale nicht enthalten ist. Der unecht umsatzsteuerbefreite Unternehmer hat aber einen Kostenfaktor durch die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, da er die Vorsteuer nicht abziehen kann. Nach Ansicht des UFS kann das Vorsteuerpauschale somit angesetzt werden. Andernfalls würden die Umsatzsteuerbeträge gänzlich unberücksichtigt bleiben, was dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen würde.
Das BFG widerspricht der Ansicht des UFS im vorliegenden Fall. Es ist kein Problem, wenn die Umsatzsteuer einen Kostenfaktor darstellt und diese Kosten weder durch einen Vorsteuerabzug noch durch ein Vorsteuerpauschale abgegolten werden. Eine Berechnung mit Durchschnittssteuersätzen enthält nämlich zwangsläufig Unstimmigkeiten. Außerdem stellt die Gewinnermittlung mit Durchschnittswerten idR eine Begünstigungsvorschrift dar, weil der Steuerpflichtige (Stpfl) diese Variante nur wählen wird, wenn sie günstiger als der Ansatz der tatsächlichen Betriebsausgaben ist. Falls die Berechnung mit Durchschnittssätzen aufgrund des fehlendes Vorsteuerpauschales nachteilig ist, kann der Stpfl immer noch die Gewinnermittlung mit den tatsächlichen Betriebsausgaben und folglich mitberücksichtigter Umsatzsteuer wählen. Somit gibt es aus Sicht der Wettbewerbsneutralität oder des Gleichheitssatzes keine Bedenken, dass der Kostenfaktor Umsatzsteuer bei fehlendem Vorsteuerpauschale nicht berücksichtigt wird (vgl VwGH vom 26. 7. 2017, Ro 2015/13/0003).
Außerdem führt das BFG bisherige Rsp zu Gesellschafter-Geschäftsführern, die eine Behandlung als Nichtunternehmer gewählt haben, an (vgl UFS 6. 8. 2010, RV/0541-G/09; BFG 18. 1. 2016, RV/7100168/2016; BFG 23. 12. 2019, RV/5100582/2017; BFG 19. 7. 2021, RV/6100265/2016). Nach dieser Rsp wäre der Ansatz eines Vorsteuerpauschales ein gesetzlich nicht vorgesehener Betriebsausgabenabzug. Die Betriebseinnahmen enthalten bei diesen Gesellschafter-Geschäftsführern nämlich keine Umsatzsteuer, wodurch es keine abziehbaren Vorsteuern gibt, die berücksichtigt werden können. Neben dieser Rsp verweist das BFG im vorliegenden Fall auf die EStR 2000: Nach Rz 4131 EStR 2000 kann bei einer unechten Umsatzsteuerbefreiung oder einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der umsatzsteuerlich nicht als Unternehmer behandelt wird, ab der Veranlagung 2019 „nur die auf abpauschalierte Betriebsausgaben entfallende tatsächliche Umsatzsteuer angesetzt werden“.
Zuletzt stützt sich das BFG im vorliegenden Fall auf § 1 Z 2 iVm § 1 Abs 3 HandelsvertreterVO, wonach ein Durchschnittssatz für Vorsteuerbeträge nur bei bestimmten „abziehbaren“ Vorsteuern möglich ist. Bei einer unechten Umsatzsteuerbefreiung gibt es gerade keine abziehbaren Vorsteuern. Das Vorsteuerpauschale darf somit im vorliegenden Fall nicht zusätzlich zum Betriebsausgabenpauschale angesetzt werden. Da höchstgerichtliche Rsp zum Ansatz des Vorsteuerpauschales neben dem Handelsvertreter-Pauschale bei einer unechten Umsatzsteuerbefreiung fehlt, ließ das BFG die Revision zu. Die Revision wurde jedoch soweit ersichtlich nicht erhoben.
Conclusio
Die entscheidende Frage ist, ob ein unecht umsatzsteuerbefreiter Handelsvertreter ein Vorsteuerpauschale geltend machen kann. Zur Beantwortung dieser Frage sind die bisherigen E des BFG heranzuziehen, auch in der Literatur wird bloß auf diese Rsp verwiesen (zB Brameshuber/Halder/Mayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], Kommentar zum EStG21 [2020] § 17 EStG Rz 135; Uedl/Stauber/Stückler in Büsser/Ehrke-Rabel/Hirschler/Petritz/Sutter [Hrsg], EStG70 [2021] § 17 EStG Rz 8.3).
Auffällig ist, dass sich das BFG im vorliegenden Fall nicht zu der vom Bf vorgebrachten E (BFG 18. 9. 2019, RV/6100284/2016) geäußert hat. In diesem Fall wurde die Revision nicht zugelassen, weil das Vorsteuerpauschale nach Ansicht des BFG bei einem unecht umsatzsteuerbefreiten Handelsvertreter eindeutig zulässig war. Begründet wurde dies mit dem Umstand, dass die Vorsteuer einen Kostenfaktor darstellt. Auf die Rsp im Zusammenhang mit unecht umsatzsteuerbefreiten Gesellschafter-Geschäftsführern wurde damals nicht näher eingegangen, weil das BFG diese Sachverhalte für nicht vergleichbar hielt.
Im vorliegenden Fall scheint das BFG ohne nähere Begründung eine Vergleichbarkeit angenommen zu haben. Das ist naheliegend, da die Nichtunternehmereigenschaft bei Gesellschafter-Geschäftsführern genau dieselben Auswirkungen wie die unechte Umsatzsteuerbefreiung bei Handelsvertretern hat. Das Argument des vorliegenden Kostenfaktors wurde vom BFG ebenfalls entkräftet. Darüber hinaus ist der Wortlaut der HandelsvertreterVO in allen bisherigen Fassungen mit der Formulierung „abziehbare“ Vorsteuern sehr deutlich. Eine finale Klarstellung durch den VwGH wird im vorliegenden Fall mangels Revision aber wohl nicht erfolgen.